Berninghausen Spezial – Die PreisträgerInnen und ihre ausgezeichnete Lehre

PreisträgerInnen: Oliver Hinkelbein, Andra Thiel-Hoffmeister und Jan Ulrich Büttner

Foto der Preisträgerin und der Preisträger

Seit 1991 verleihen die Universität Bremen und die „unifreunde – Freunde der Universität  Bremen und der International University Bremen e.V.“ jährlich den von der Familie  Berninghausen gestifteten Preis, um besondere Leistungen in der universitären Lehre  auszuzeichnen. Der Preis ist auf 6.000 Euro dotiert und kann auf mehrere Kategorien  verteilt werden. Die feierliche Verleihung des Preises findet seit 2012 im Rahmen des „Tag  der Lehre“ statt. In diesem Jahr wurde je eine Lehrende bzw. ein Lehrender in den  Kategorien „Hervorragend gestaltetes Seminar“, „Exzellentes Praktikum“ und mit dem  Studierendenpreis ausgezeichnet. Die Laudationes hielt die Konrektorin Heidi Schelhowe  bzw. die Studierenden.

KATEGORIE „HERVORRAGEND GESTALTETES SEMINAR“

Für die Auszeichnung in dieser Kategorie waren 62 Vorschläge eingegangen. Nominiert wurden 5 Kandidatinnen und Kandidaten:

  • Prof. Dr. Andreas Fischer-Lescano,
    FB 6, Rechtswissenschaften
  • Prof. Dr. Ansgar Gerhardus,
    FB 11, Gesundheitswissenschaften
  • Dr. Oliver Hinkelbein,
    FB 9, Institut für Ethnologie und
    Kulturwissenschaft
  • Prof. Dr. Simone Kasemann,
    FB 5, Geowissenschaften

Als Preisträger wurde schließlich ausgewählt:

Dr. Jan Ulrich Büttner

Foto des Preisträgers Jan Ulrich Büttner

Überzeugt hat Herr Büttner, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Senior Lecturer am Institut für Geschichtswissenschaft des Fachbereichs 8 tätig ist. Er wird ausgezeichnet für sein Master-Seminar in der Kulturgeschichte aus dem Wintersemester 2013/14 mit dem  Titel „Schrebitz – Ein vormodernes Dorf im Spiegel einer Handschrift“. Er hat sich mit  seinen Studierenden, die ihn für diesen Preis vorgeschlagen haben, auf den Weg  gemacht, eine rund 500 Jahre alte, bis dahin unbekannte Handschrift aus dem  sächsischen Dorf Schrebitz zu erforschen und alle Phasen eines „echten“  Forschungsprozesses zu durchlaufen. Dies beginnt mit der gemeinsamen Transkription,  d.h. der schwer zu entziffernde Text wird zunächst in eine lesbare Form gebracht, es  werden Fragestellungen entwickelt, der Text wird interpretiert und in übergeordnete Fragestellungen der Sozial-, Wirtschafts- , Rechts- und Kulturgeschichte eingeordnet. Die Studierenden, die Herrn Büttner vorgeschlagen haben, sind begeistert von dieser  Möglichkeit mit dem Lehrenden gemeinsam in „echte“ Grundlagenforschung einzusteigen, das erforderliche Handwerk in der unmittelbaren Forschungspraxis zu erlernen. Geplant  ist auch, dies in einer Online-Edition zu veröffentlichen, also damit auch eine erste eigene  Publikation für die Studierenden. Dass dies nicht nur Forschung im Elfenbeinturm ist, zeigt  das rege Interesse der Öffentlichkeit an einer Präsentation der Ergebnisse in  Schrebitz und im nahegelegenen Kloster Sornzig. Die Studierenden loben das Seminar  nicht nur wegen seines Inhalts, sondern sie loben auch die Methoden, den guten Aufbau, die klare Struktur, die vielfältigen und abwechslungsreichen Formen von der Einzelarbeit  über Gruppendiskussionen bis zur gemeinsamen Ergebnissammlung und Präsentation.  Es wurden Vorzüge des eLearning genutzt, Wikis erstellt, elektronische Recherchen und  Kommunikationsformen genutzt. Durch Besuche in der Restaurationswerkstatt der  Staats- und Universitätsbibliothek Bremen und durch Exploration und Anfragen bei  weiteren Museen, Bibliotheken und Archiven wurden Herstellung und Umgang mit alten Manuskripten plastisch. Die Studierenden erwähnen das „volle“ Engagement und die  exzellente Vorbereitung Herrn Büttners sowie seine Offenheit und seine wertschätzende  und ermutigende Haltung gegenüber den Studierenden und deren Beiträgen und  Sichtweisen.

Der Auswahlkommission schien auch das Risiko des Scheiterns, das jeder offene Forschungsprozess in sich trägt und das Herr Büttner mit seinen Studierenden in einem  gemeinsamen Erarbeitungsprozess geteilt hat, besonders erwähnenswert.

Abbildung 1: Bei der Preisverleihung, von links: Jutta Berninghausen, Oliver Hinkelbein, Andra Thiel-Hoffmeister, Jan Ulrich Büttner, Heidi Schelhowe, Eva Quante-Brandt

Abb. 1: Bei der Preisverleihung, von links: Jutta Berninghausen, Oliver Hinkelbein, Andra Thiel-Hoffmeister, Jan Ulrich Büttner, Heidi Schelhowe, Eva Quante-Brandt

„Schrebitz – ein vormodernes Dorf im Spiegel einer Handschrift“ – Konzeption und Verlauf des Seminars

von Jan Ulrich Büttner

Der Ausgangspunkt der Veranstaltung im Master-Modul (HIS 3: Kulturengeschichte) war  eine alte Handschrift. Dabei handelt es sich um ein seit über 200 Jahren in privatem Familienbesitz befindliches (und von seiner Besitzerin großzügig zur Verfügung gestelltes) „Gemeindebuch“ des Dorfes Schrebitz in Sachsen. Dieses ist Grundlage des Moduls, das  ich zusammen mit Cordula Nolte anbiete. Der Umstand, dass dieses im 16.  Jahrhundert entstandene Gemeindebuch bislang völlig unbekannt war, hat sich als  besonderer Glücksfall für das Seminar erwiesen. Zum einen handelt es sich um eine  echte Entdeckung – sowohl für die Studierenden wie für mich – zum andern steckte in  diesem Fund durchaus die Verheißung, einen für die Forschung wichtigen Text bearbeiten  und erschließen zu können. Für die Studierenden hieß das, Grundlagenforschung  betreiben zu können: es gab keine Transkription, keinerlei Forschungsliteratur, keine  direkten Hilfsmittel. Eine solche unverbrauchte, gewissermaßen „jungfräuliche“ Quelle aus  dieser Zeit ist sehr selten. So konnten wir im Seminar Lernen und Forschen  verbinden und historisches Arbeiten in all seinen Arbeitsstufen und Facetten erproben und  anwenden.

Daraus ergab sich der Aufbau des Seminars. Der erste Schritt war es, den Text überhaupt verfügbar, also lesbar zu machen. Es wurden paläographische Grundkenntnisse  vermittelt, die die Studierenden dann anwenden mussten. Die Transkripte wurden im  Anschluss gemeinsam korrigiert, so dass die Fähigkeit zum eigenen paläographischen  Arbeiten weiter verfeinert wurde. Die anfängliche Skepsis, ob diese Currentschrift des  frühen und mittleren 16. Jahrhunderts überhaupt jemals gelesen werden könnte, wich  innerhalb weniger Sitzungen der wachsenden Begeisterung, sich die Texte selbst  erschließen zu können und immer leichter immer mehr Textpassagen zu transkribieren.

Im Plenum wurde beraten, welche Fragen und Arbeitsschritte zur weiteren inhaltlichen Erschließung notwendig seien und welche Möglichkeiten diese Quelle für die Analyse
überhaupt bietet. Dabei habe ich über eigene Vorschläge hinaus die Interessen und Fragen der Studierenden an die Quelle aufgegriffen. Zudem mussten die Studierenden  hrerseits überlegen, wie bekannte Forschungsfragen auf den Text übertragen und  bearbeitet werden können. Damit wurde der Text einerseits mit grundlegenden  quellenkundlichen und quellenkritischen Arbeitsweisen tiefer erschlossen, andererseits konnte er in den Kontext etablierter und neuerer historischer Fragestellungen und Forschungsrichtungen gestellt werden.

Um diese Fragen zu bearbeiten wurden auf ihren Vorschlag hin von den Studierenden  mehrere Hilfsmittel erstellt. In Wikis, die auf der ELearningplattform Stud.IP erstellt  wurden, führten die Studierenden wichtige, die Texte prägende Inhalte (Orts- und  Personennamen, Funktionsträger) und sprachliche Formeln (Rechtsfloskeln,  Ritualbeschreibungen) zusammen. Außerdem führte die Frage, ob es womöglich weiteres  Quellenmaterial gibt, das bei der Untersuchung des Dorfes Schrebitz herangezogen werden könnte, zu einer umfangreichen Korrespondenz mit sächsischen  Bibliotheken, Archiven und Museen.

Das Engagement der Studierenden war außerordentlich. Ihre Rückmeldungen waren sehr  positiv und ihrem Wunsch folgend führte ich das Seminar im SoSe 2014 weiter. Dabei werden die Teilnehmer_innen die umfangreichen Arbeitsschritte kennenlernen, die es bedarf, einen Text zur Druckreife zu bringen und schließlich zu veröffentlichen. Eine Exkursion im Juni 2014 ermöglichte die Archivrecherche vor Ort und die Erweiterung des Quellenmaterials.

Dichter als in diesem Falle können Studierende (und Lehrende) wissenschaftliches, historisches Arbeiten kaum erleben und durchführen. Das allerdings wäre nicht möglich gewesen ohne die Bereitschaft, die Neugier und die Lust der Studierenden, diese Handschrift für sich und bald auch für andere zu erschließen und zu erforschen.

KATEGORIE „EXZELLENTES PRAKTIKUM“

Für die Auszeichnung in dieser Kategorie waren 34 Vorschläge eingegangen. Nominiert wurden eine Kandidatin und ein Kandidat.

Der Kandidat war:

  • Prof. Dr. Jens Beckmann mit seinem Team,insbesondere Malte Hesse und Sarah Janoschek aus dem Fachbereich 2, dort aus der Chemie.

Den Preis schließlich erhielt:

Dr. Andra Thiel-Hoffmeister,

Foto der Preisträgerin Andra Thiel-Hoffmeister

ebenfalls aus dem Fachbereich 2, dort aus der Biologie. Als Mitglieder des Teams, das zum Erfolg dieser Lehrveranstaltung entscheidend beiträgt, zählt sie insbesondere:

  • Thomas Hoffmeister und Jennifer Uhlig, die das studienbegleitende Kompetenzportfolio für den Fachbereich 2 entwickelt haben,
  • Die wissenschaftlichen und studentischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Anne  Weeda, Marjolein Kruidhof, Sven Hauk und Katharina Pilgram,
  • Moritz Köster, der als Tutor insbesondere die eLearning Komponenten begleitet hat und Martina Salm vom ZMML, die die Online-Tagebücher mit begleitet hat und
  • Die Biologielaborantin Laura Rogge, die die genutzten Präparate vorbereitete.

Was dieses Praktikum „Struktur und Funktion wirbelloser Tiere“ in den Augen der Kommission besonders auszeichnet, ist die besondere Prüfungsform, mit der die Studierenden statt zum stupiden und unter den Studierenden als Bulimie-Lernen bekannten Auswendiglernen zu kontinuierlicher Selbstreflexion, zum Erkennen ihrer Kompetenzen und zur Dokumentation ihrer Leistungen angeregt werden. Im Kern besteht die Prüfung in der Erstellung eines Lerntagebuchs, das Praktikum und Grundkurs begleitet, statt einer Abschlussklausur. Damit wurde der Lernprozess selbst in den Mittelpunkt gestellt. Bei der Auswahl der Aufgaben gab es für die Studierenden die Möglichkeit, nach individuellen Vorlieben und Interessen auszuwählen oder sogar eigene Vorschläge zu machen.

Den Studierenden wird in dieser Veranstaltung gezeigt, wie man aktuelle wissenschaftliche Informationen findet, diese korrekt zitiert und wie man bei Eigenrecherchen wissenschaftlich gesicherte Informationen erkennen kann. Frau Thiel-Hoffmeister legt Wert auf entdeckend-forschendes statt lexikalisches Lernen. Ihr Praktikum ist von methodischer Vielfalt geprägt, auch E-Learning-Tools werden  einbezogen. Die Studierenden werden zu kreativen Darstellungen ihrer Ergebnisse angeregt.

Besonders beeindruckt war die Kommission von dem hohen Arbeitseinsatz, mit dem Frau Thiel-Hoffmeister diese Pflichtveranstaltung für alle Biologie-Vollfachstudierenden mit  120–130 überwiegend Erstsemestern durchführt, sie in ihren heterogenen Interessen und  Fähigkeiten berücksichtigt, ihnen kontinuierlich Feedback gibt und in der Lage ist, sie zu  motivieren und individuell anzusprechen. Gleichzeitig wird das Lerntagebuch auch von der Dozentin als Möglichkeit gesehen, kontinuierlich Rückmeldung dazu zu bekommen, welche Entwicklung die Studierenden durchlaufen und wodurch Lernfortschritte erzielt werden können.

Ein Lerntagebuch als Klasurersatz

von Andra Thiel-Hoffmeister

Das Praktikum „Struktur und Funktion wirbelloser Tiere“ hat 120–130 TeilnehmerInnen und ist eine Pflichtveranstaltung für alle Biologie-Vollfachstudierenden (üblicherweise Erstsemester), sowie Wahlpflicht für Studierende mit Biologie-Profilfach, Komplementärfach oder Lehramtsoption (3.–5. Semester), und für TeilnehmerInnen aus dem Master of Education. Die unterschiedlichen Hintergründe und Wissensstände führten in der Vergangenheit häufig zu einer Unterforderung auf der einen und einer Überforderung auf der anderen Seite. Und gerade in der Studieneingangsphase besteht die Gefahr, dass Studierende den Stoff einer Veranstaltung als unveränderlich vorgegeben und lexikalisch zu erlernen ansehen. Das ist wenig motivierend und führt weder zu einer intensiven Auseinandersetzung mit der Materie noch zu einem entdeckend forschenden Lernansatz. Mein Ziel ist es, mit geeigneten Methoden und Ansätzen die Studierenden zu motivieren, sich explorativ mit den Lerninhalten auseinanderzusetzen und diese teils spielerisch, teils forschend lernend selbständig zu erarbeiten. Die Einführung eines kursbegleitenden, benoteten Lerntagebuchs anstelle einer Klausur zu Kursende hat ebendies möglich gemacht. Die Studierenden hat es begeistert, dass der zu lernende Stoff nicht streng und in engem Rahmen vorgegeben war, sondern dass sie ihren Interessen und ihrem Vorwissen entsprechend fokussieren konnten.

In jedem Grundpraktikum muss ein solider Grundstein an Kenntnissen gelegt werden, auf dem die Studierenden aufbauen können. Denn häufig fängt Faszination erst dann an, wenn die Basis verstanden wurde. Daher gebe ich den TeilnehmerInnen eine Vielfalt unterschiedlicher Übungen an die Hand, durch die z.B. die Fachbegriffe aus der Vorlesung in neuem Kontext wiederholt werden (Kreuzworträtsel, Vorlagen zur Beschriftung, Multiple-Choice Fragen, freie Text- bzw. Hypothesenformulierung, u.ä.) und die im Rahmen eines Lerntagebuchs praktikumsbegleitend zu absolvieren sind. Doch auch eine freie Aufgabenwahl ist möglich. Zahl und Qualität der erledigten Übungen bilden die Bewertungsgrundlage dieses Moduls. Tatsächlich merkten ein paar Studierende nach dem Kurs an, gar nicht wirklich „gelernt“ zu haben. Hingegen zeigte der adäquate Umgang mit Fachbegriffen im Praktikum und die gezeigte Fähigkeit Fragen während des Praktikums zu beantworten (und zu stellen) deutlich, dass das Vorbereitungsniveau deutlich höher war als in den vorangegangenen Jahren, als der Stoff noch über die Klausur zu Semesterende abgeprüft wurde.

Meine Lehre basiert also darauf, dass man 1) mit Freude besser und nachhaltiger lernt als mit Druck bzw. unter Angst, dass 2) Lernen Erfolgserlebnisse braucht (die vielen kleinen Übungen und Lerneinheiten und das schnell erfolgende Feedback geben den Studierenden genau dieses) und dass 3) Lernen durch Wiederholung erfolgt (nicht durch „büffeln“ sondern durch eine wiederholte, längerfristige Beschäftigung mit einem Thema, das als interessant empfunden wird).

Hervorragend unterstützt werde ich mit meinen Ansätzen vom Zentrum für Multimedia in der Lehre (ZMML) der Universität Bremen. Die vom ZMML bereit gehaltene Fülle an eLearning Tools ermöglicht es in großartiger Weise, verschiedene Lernformen zu integrieren bzw. sie ermöglicht den Studierenden sich die Form des Lernens herauszusuchen, die ihnen liegt. So konnten die Beiträge für das Lerntagebuch wahlweise auf Papier oder elektronisch bearbeitet werden und in ausgedruckter Form, als elektronischer Druck (pdf) oder über die ePortfolio-Plattform Mahara eingereicht werden. Neben bereit gestellten Lehrbüchern bietet die Fülle an Informationen aus dem Internet den Studierenden großartige Möglichkeiten, in der Präsenzveranstaltung erhaltene Informationen zu vertiefen, bzw. gefundene Informationen qualitativ zu bewerten. Letztlich versuche ich also meine Lehre so zu gestalten, dass ich selbst diese Veranstaltung gerne besucht hätte.

DER STUDIERENDENPREIS

Es waren 46 Vorschläge eingegangen. Nominiert wurden:

  • auch hier Dr. Andra Thiel-Hoffmeister aus der Biologie
  • daneben Prof. Dr. Thomas Leithäuser, FB11 aus der Psychologie

Mit einer ganz überwältigenden Mehrheit jedoch war mit einigen verschiedenen Lehrveranstaltungen vorgeschlagen worden:

Dr. Oliver Hinkelbein,

Foto des Preisträgers Oliver Hinkelbein

war – Sie erinnern sich – auch unter den Nominierten der Kategorie „Hervorragend gestaltetes Seminar“ zu finden. Die Laudatio hielten seine Studierenden.

„Sehr geehrte Frau Quandte-Brandt, sehr geehrte Frau Schelhowe, sehr geehrte Frau Berninghausen, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Studierende,

heute wird Ihnen, lieber Herr Dr. Hinkelbein, der Berninghausen Preis in der Kategorie Studierendenpreis verliehen. Dazu gratulieren wir Ihnen sehr herzlich und freuen uns, dass Ihre Lehrtätigkeit besondere Anerkennung erfahren hat.

Seit Ende 2002 ist Herr Hinkelbein an der Universität Bremen tätig. Damals kam er von der Heidelberger Universität an der er Ethnologie, Soziologie und Rechtswissenschaften studierte und trat in Bremen eine Promotionsstelle an. Bevor Herr Hinkelbein seine Promotion zum Thema „Strategien zur digitalen Integration von Migranten“ 2008 abschloss, war er sowohl für die Universität, als auch in außeruniversitären Praxisfeldern tätig. Seine Schwerpunkte in Lehre, Forschung und Praxis liegen in den Bereichen Wirtschaft, Interkulturalität, Mobilität, Migration sowie erneuerbare Energien.

Seit 2011 ist Herr Hinkelbein als Lektor an der Universität tätig. Neben seiner Beschäftigung im Fachbereich Kulturwissenschaften war auch bis zum Ende des vergangenen Wintersemesters für die Betreuung des Schwerpunkts Kultur und Wirtschaft zuständig. Derzeit unterrichtet er im Bachelor Kulturwissenschaft sowie im Master Transkulturelle Studien. Wir, Frederick Behme, Merle Klintworth und Laura Otto, sind Studierende von Herrn Dr. Hinkelbein und haben uns für die Vorbereitung dieser Laudatio gefragt, was die Lehre von Herrn Hinkelbein besonders auszeichnet. Welche besonderen Kompetenzen und Fähigkeiten bringt Herr Hinkelbein mit? Und wie schafft er es, die Studierenden für sein Fach, die Ethnologie, zu begeistern? Dabei haben wir 6 Punkte festgehalten, die die Lehrtätigkeit von Herrn Hinkelbein auszeichnen und diese möchten wir Ihnen gerne vorstellen.

Herr Hinkelbein verfügt über ein hohes Maß an Begeisterungsfähigkeit. Immer wieder, so ging es uns selber, so haben wir es aber auch von Kommilitonen erfahren, waren es seine Veranstaltungen und Seminare, die die Studierenden dazu bewegt haben, die Ethnologie zu ihrem Studienschwerpunkt zu machen. Herrn Hinkelbein gelingt es hervorragend, den Studierenden die Ethnologie, sei es die Geschichte des Faches, ihre Methoden oder ihre Praxisfelder, näher zu bringen. Dabei ist ihm die kritische Perspektive auf die Themen sehr wichtig und er schafft es, diese Herangehensweise auch auf die Studierenden zu übertragen. Frontalunterricht erlebt man bei Herrn Hinkelbein nicht. Vielmehr wird Wissen im Kurs gemeinsam erarbeitet und diskutiert. Seminarthemen, die aktuelle Phänomene ansprechen, wie „Moderne Nomaden und Mobilität“ oder „Interkulturelle Kommunikation “ sprechen die Studierenden an. Aufgrund seiner vielfältigen Interessen- und Forschungsschwerpunkte gelingt es Herrn Hinkelbein, fundiertes Wissen aus verschiedenen Bereichen zu vermitteln.

Herr Hinkelbein verfolgt einen interdisziplinären Ansatz in seinen Seminaren. So unterrichtet er nicht nur gemeinsam mit Kolleg_innen der Bremer Universität, sondern auch mit Dozent_innen aus dem Ausland, zum Beispiel von der Universität im russischen Belgorod. Diese Herangehensweise macht seine Seminare abwechslungsreich und interessant.

Dies betrifft auch die Seminarlektüre, denn es werden nicht nur Texte aus der Ethnologie, sondern auch aus den Wirtschaftswissenschaften oder der Soziologie gelesen. Auch tagesaktuelle Medien, wie Dokumentarfilme, Romanausschnitte und Zeitungsartikel werden berücksichtigt und erlauben es, die Themen der Ethnologie in ihrer Aktualität zu verstehen und einordnen zu können.

Auch der Praxisbezug in den Seminaren von Herrn Hinkelbein zeichnet seine Art zu lehren aus. In seinen Veranstaltungen verbindet er aufgrund seiner Erfahrungen außerhalb der Universität, Theorie mit praktischen Anteilen und er lässt die Studierenden dabei an seinen Erfahrungen aus den Praxisfeldern teilhaben. Konkret heißt das am Beispiel des Seminars, „Interkulturelle Kommunikation aus kultur- und wirtschaftswissenschaftlicher Perspektive“, unterrichtet von Oliver Hinkelbein und Frank Müller im vergangenen Wintersemester, dass Theorien unter studentischer Anleitung diskutiert wurden und wir im zweiten Teil der Veranstaltung praktische Übungen durchgeführt haben. Dadurch konnten die Studierenden interkulturelle Prozesse besser verstehen und nachempfinden.

Seine Kreativität und seine Offenheit verdienen unserer Ansicht nach besondere Anerkennung. In den Seminaren wählt Herr Hinkelbein oft kreative Methoden wie Schreibübungen oder das Zeichnen von sogenannten Mental Maps. Außerdem bietet Herr Hinkelbein den Studierenden an, Prüfungen in kreativer Form zu leisten: So entstanden Blogs, Veranstaltungen und Essays. Im Rahmen eines Seminars organisierte er mit Studierenden unter anderem das Kulturfestival AusARTen. So können wir als Studierende unsere individuellen Kompetenzen einbringen und stärken.

Auch berücksichtigt Herr Hinkelbein in der Seminargestaltung Wünsche der Studierenden. So werden anfangs Themenvorschläge gesammelt und in den Seminarplan integriert. Dabei interessiert er sich auch für die Aktivitäten und Erfahrungen seiner Studierenden außerhalb der Universität und bindet diese mit in seine Seminare ein.

Herr Hinkelbein gestaltet seine Lehrtätigkeit auf dialogische Art und Weise. Als Studierende schätzen wir es, dass nicht von Anfang an ein fixer Lehrplan mit einem strikten Textprogramm feststeht. Vielmehr wählt er die Texte mit Sorgfalt aus und legt Wert darauf, dass wir sie in Ruhe diskutieren und besprechen können. So sind uns viele Texte, die wir aus seinen Seminaren kennen, bis heute präsent. Gemeinsam mit seinen Studierenden reflektiert Herr Hinkelbein regelmäßig seine Lehrtätigkeit. Dabei nimmt er die Kritik und die Vorschläge der Studierenden sehr ernst und begegnet uns mit großer Wertschätzung. Über die Jahre haben wir erlebt, wie Herr Hinkelbein die Ideen und Anregungen seiner Studierenden erfolgreich in seiner Lehre umgesetzt hat.

Herr Hinkelbein ist ein außergewöhnlich engagierter Lehrender. Zu seinem Engagement in der Lehre gehört es, innovative Lehrmethoden zu entwickeln, die Seminare abwechslungsreich zu gestalten und die Studierenden hervorragend zu betreuen und zu beraten. Seine Betreuung von Abschlussarbeiten charakterisiert, dass er Wert auf regelmäßige Treffen legt, sich intensiv mit dem Material und dem Thema der Studierenden beschäftigt und dadurch ein konstruktives Feedback geben kann. Auch Hausarbeiten und Referate werden immer besprochen. So bekommen die Studierenden die Möglichkeit, sich weiterzuentwickeln.

Das Engagement von Herrn Hinkelbein geht sogar über die reine Lehrtätigkeit hinaus: Gemeinsam mit seinen Studierenden organisiert er Ausflüge, zum Beispiel ins Auswandererhaus nach Bremerhaven. Außerdem begleitet er jedes Jahr eine Gruppe Masterstudierende bei einer Exkursion nach Russland. Wir haben das Gefühl, dass Herr Hinkelbein sich für die Zukunft seiner Studierenden interessiert, engagiert und sich für sie einsetzt. Als Studierende freuen wir uns, wenn so engagierte Lehrende dauerhaft an der Universität Bremen bleiben können.

Lieber Herr Hinkelbein,

der Berninghausen Preis zeichnet besondere Kreativität, außergewöhnliches Engagement und Praxisbezug in der Lehre aus und hat somit in der Kategorie Studierendenpreis in Ihnen einen würdigen Preisträger gefunden. Wir danken Ihnen für Ihre Begeisterungsfähigkeit, Ihren interdisziplinären Ansatz, Ihren Praxisbezug, Ihre Kreativität und Offenheit, Ihre dialogische Lehre sowie Ihr Engagement.“

Abbildung 2: Die Laudation für Oliver Hinkelbein hielten seine Studierenden Merle Klintworth, Laura Otto und Frederick Behme.

Abb. 2: Die Laudation für Oliver Hinkelbein hielten seine Studierenden Merle Klintworth, Laura Otto und Frederick Behme.

Voraussetzungen, Ziele und Praxis „guter Lehre“

von Oliver Hinkelbein

Seit es die Alma Mater gibt sind Debatten, Argumentieren und Kritik unerlässliche Praktiken in geisteswissenschaftlicher Lehre. Die Bologna-Reform hat in den letzten 10 Jahren viele Veränderungen mit sich gebracht. Oft nimmt heute die Beschäftigung der Studierenden mit Noten, Credit Points und Leistungsanforderungen zu viel Raum ein. Um das Interesse auf die Studieninhalte zu lenken, muss Lehre sich an aktuellen Themen orientieren sowie interessant und lebendig sein. Das erfordert schon in der Planung viel Aufmerksamkeit und Engagement. Folglich ist gute Lehre keine Kunst, sondern viel Arbeit, die auf fachlichen, rhetorischen und didaktischen Fähigkeiten basiert. Aus meiner Sicht braucht man auch Leidenschaft, Spürsinn, Hartnäckigkeit und ein Grundverständnis des humanistischen Bildungsideals. In der Praxis zeigt sich, dass Inhalte von Studierenden immer dann besonders intensiv bearbeitet werden, wenn es sich um eigene Forschungsarbeiten oder die von Kollegen handelt. Die Vermittlung von Kompetenzen und wissenschaftlichen Erkenntnissen muss anschaulich sein, den Forschergeist bei jungen Menschen wecken, ihnen analytische Fähigkeiten näher bringen und sie zu kritischen Geistern ausbilden. Gleichzeitig wird von Absolventen auf dem Arbeitsmarkt verlangt, dass sie anwendbares Wissen mitbringen. Entwicklungen wie der Bologna-Prozess, die Internationalisierung von Forschung und Lehre sowie knappe Ressourcen stellen Lehrende und Studierende gleichermaßen vor hohe Herausforderungen.

Kulturwissenschaft und Ethnologie sind prädestiniert für den Ansatz des forschenden Lehrens und Lernens, der sich den hohen Anforderungen guter Lehre stellt. Der Zugang zu unseren Forschungsfeldern wie Kultur, Medien, Wirtschaft, Gesundheit, Technologie und Migration liegt vor der eigenen Haustüre. Das eröffnet für Studierende die Möglichkeit, neben dem Studium wissenschaftlicher Texte und Theorien vor Ort unter Anleitung selbst zu forschen. Die Ergebnisse fließen zurück in die Lehrveranstaltung. Auf diese Weise lässt sich der Bezug zwischen Theorie und Praxis besonders gut vermitteln, weil kulturelle  Prozesse, die man aus Studien kennt, auf einmal ins eigene Erkenntnisinteresse rücken. Allerdings erfordert forschendes Lernen eine flexiblere Didaktik und Seminarorganisation. Da Studierende erst Wissen aufbauen müssen, funktioniert die klassische Struktur mit „Referaten ab der zweiten Sitzung“ nicht. Um schon früh eine reziproke Verbindlichkeit herzustellen treffe ich durch Diskussionen, Einzelgespräche und im Feedbackverfahren mit den Studierenden ein „agreement“. Das ist eine Vereinbarung aller am Lernprozess beteiligten darüber, was sie bis zum Semesterende realistisch leisten können und was die gegenseitigen Erwartungen sind. Das schafft Verbindlichkeit und fordert zum selbstverantwortlichen Arbeiten auf. Im ersten Quartal der Vorlesungszeit vermittle ich durch diskursive Textarbeit und kleine Übungen ein Grundwissen zum jeweiligen Gegenstand. Im Semesterverlauf übernehmen Arbeitsgruppen zu einem gewählten Thema eine „Sitzungsverantwortung“. Im Vorgespräch erörtere ich mit den Studierenden erste Ideen und gebe Tipps. Dann planen sie die entsprechende Sitzung und übernehmen die Rolle des „Dozenten“. Exkursionen im In- und Ausland sowie Planspiele sind weitere Mittel, die ich regelmäßig einsetze. Außerdem möchte ich noch auf das schöne englische Wort des „facilitator“ zu sprechen kommen – ein Vermittler, Mentor und Begleiter. Als Lehrender diese Rolle einzunehmen ist aus meiner Sicht unerlässlich. Feedback auf laufende Arbeiten, Begleitung bei der Suche nach einer Spezialisierung genauso wie Fragen nach der beruflichen Zukunft spielen für Studierende eine große Rolle. Abschließen möchte ich mit Oscar Wilde: „Bildung ist etwas Wunderbares. Doch sollte man sich von Zeit zu Zeit daran erinnern, dass wirklich Wissenswertes nicht gelehrt werden kann.“ Folglich ist es mein Ziel, Studierende in die Lage zu versetzen, sich das wirklich Wissenswerte selbst anzueignen.

Wer kann Lehrende für den Berninghausen-Preis vorschlagen?

Alle Mitglieder der Universität können Lehrende für den Preis vorschlagen, beim Studierendenpreis sind nur die Studierenden vorschlagsberechtigt. Eine Auswahlkommission, die durch den Akademischen Senat eingesetzt wird, erarbeitet unter Vorsitz der Konrektorin oder des Konrektors für Lehre und Studium die Kategorien und die Kriterien. Die Kommission wählt nach sorgfältiger Prüfung und Einholung von Stellungnahmen die Preisträgerinnen und Preisträger unter den eingegangenen Vorschlägen aus und schlägt sie dem Akademischen Senat zur Beschlussfassung vor.

Weitere Informationen zum Berninghausen-Preis sowie die jährlichen Ausschreibungen finden Sie auf der Website unter http://www.uni-bremen.de/preis-fuer-gute-lehre.html

 

 

Bildnachweis:

  • PreisträgerInnenfotos: Jan Ulrich Büttner (Universität Bremen), Andra Thiel-Hoffmeister (Universität Bremen), Oliver Hinkelbein (Universität Bremen)
  • Abb. 1: Universität Bremen
  • Abb. 2: Oliver Hinkelbein (privat)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert