von Anonym
In der nunmehr sechsundzwanzigsten Auflage der UN-Klimakonferenz arbeiteten die 192 Teilnehmerstaaten im schottischen Glasgow weitere Beschlüsse aus, welche den Kampf gegen die globale Erderwärmung effektiv angehen sollen. Ein zentrales Verhandlungsthema, welches auf den Klimakonferenzen seit ihren anfänglichen Iterationen behandelt wird, stellt die Lastenteilung zwischen den Mitgliedsstaaten dar. Gemäß einer ‚fairen‘ Lastenverteilung sind nationale Emissionsziele zu erfüllen, wobei wirtschaftlich schwache Staaten in ihren Anpassungsmaßnahmen und in ihrer Mitigation-Kompensation zu unterstützen sind. Eine Übereinkunft in gemeinsamen Absprachen und internationalen Verträgen sind durch stark divergierende Interessen der Nationalstaaten nur schwierig zu erlangen, sowie deren Umsetzung schwer kontrollierbar, weshalb erzielte Klimaverträge nur geringe juristische Bindlichkeiten aufweisen, und eher stärkere prozedurale Verbindlichkeiten mit ihnen einhergehen. Damit fortwährend die Entwicklung zur Emissionsreduzierung gewährleistet werden kann gilt es, den Fokus der Verträge von prozeduralen Verpflichtungen auf juristischen Verbindlichkeiten zu lenken und dadurch zu verstärken. Dies kann jedoch nur gelingen, sollten die beteiligten Akteure die beschlossenen Verträge, in welchen politische und moralische Verantwortung übernommen wird, als fair und gerecht anerkennen – gleichgültig ob nach einem polluter pays oder beneficiary pays Prinzip.
Doch neben der Bindungswirkung von Verträgen, gilt es die Herausforderungen des Klimawandels nicht isoliert von ihren gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen zu betrachten, sondern
in Belangen der Lastenverteilung, vor allem bezüglich der sozialen Gerechtigkeitsaspekte. Zur Aufschlüsselung dieses Verständnisses ist die prominente Gerechtigkeitstheorie von John Rawls anzuführen, welcher die Herleitung seiner Gerechtigkeitsgrundsätze durch Gerechtigkeit als Fairness¹ begründet. Hierbei leiten sich die beiden von Rawls vorgeschlagenen Gerechtigkeitsgrundsätze aus einem Gedankenexperiment ab, nach welchem die Akteure in einem Urzustand² sich auf Prinzipien einigen, die Grundfreiheiten maximieren, und wirtschaftliche Ungleichheiten nur den langfristigen Interessen der am wenigsten bestgestellten Mitgliedern der Gesellschaft dienen. Die Wahl der Gerechtigkeitsgrundsätze wird unter der angenommenenBedingung des Schleiers des Nichtwissens durchgeführt, nach welchem verschiedene Wirkungen von Zufälligkeiten im Formulierungsprozess beseitigt werden. In dieser Bedingung sind unter anderem Einzeltatsachen wie der eigene Platz in der Gesellschaft oder allgemeine Tatsachen wie Kenntnisse über die Wirtschaftsform nicht bekannt, sodass das Übereinkommen im
Urzustand zur Wahl von fairen Gerechtigkeitsgrundsätzen führt. In abgeänderter Form wird diese Gerechtigkeitstheorie ebenso zur Herleitung von Gerechtigkeitsgrundsätzen in Staatenbeziehungen
in Betracht gezogen, dementsprechend bestehen die Akteure im Urzustand nicht aus Vertretern von Individuen, sondern aus demokratisch-liberalen Staatsvölkern, die in diesem hypothetischen Naturzustand zusammenkommen. Hierbei unterliegen diese Akteure ebenso dem Schleier des Nichtwissens, sodass keine Kenntnisse über die Staatsform, oder der Wirtschaftskraft gegeben ist.
Als ein Problem in dieser abgeänderten Form des Urzustandes, in Belangen der sozialen Gerechtigkeit der Klimakrise, ist hervorzuheben, dass durch die Unkenntnis über die derzeitige Tatsachgrundlagen, ebenso keine zukünftigen Interessen in diesen Überlegungen mit einfließen können. Insbesondere durch die Beschaffenheit des Klimawandels sind die Auswirkungen von
getroffenen Entscheidungen nicht nur auf einen begrenzten Zeitraum zu beziehen, sondern können zugleich kommende Generationen beeinflussen. Dieser Umstand ist also auf die teilnehmenden
staatlichen Akteure im Urzustand zu beziehen, welche lediglich über die Interessen ihres eigenen Volkes im Bilde sind, und ebenso nur diese vertreten. Allerdings sind Klimaauswirkungen nicht an nationalstaatliche Grenzen gebunden, weshalb die Schlussfolgerung aufzustellen ist, dass der Urzustand nur in einem Ansatz einer Weltgesellschaft angenommen werden kann. Dies hätte zur Folge, dass die Akteure die Interessen von Individuen verfolgen, ungebunden
von sozioökonomischen Status, Geschlecht, Generationen oder staatlicher Zugehörigkeit. In der Auseinandersetzung mit Fragen der Lastenverteilung, wie beispielsweise der totalen Menge an ausgestoßenen Treibhausgasen, der Verteilung der Treibhausgasemissionen zwischen den Staaten, oder der staatlichen Schädigung oder Nutzen durch Emissionen wird deutlich, dass eine Beurteilung dieser Fragen anhand der zu erwartenden Auswirkungen beurteilt werden sollte. Dementsprechend ist festzuhalten, dass eine Minimierung der Auswirkungen anzustreben, und ein Festhalten an dem 2-Grad-Ziel zu erwarten wäre. Dieses Ergebnis wird insbesondere durch den Umstand deutlich, dass eine gerechte und faire Verteilung von Überschwemmungen und Unwetterereignissen nur schwer zu realisieren ist, unerheblich ob diese durch einen bestimmten Staat begünstigt wurden, oder dieser einen historischen Anspruch auf seine hohen Emissionswerte fordert.
1 Gerechtigkeit als Fairness bezeichnet die Annahme, dass die Gerechtigkeitsgrundsätze aus einer fairen Ausgangssituation hervorgehen.
2 Der Urzustand bezeichnet das Prinzip eines hypothetischen Naturzustandes, in welchem sich vernünftige Akteure in einer Vertragssituation auf Gerechtigkeitsprinzipien einigen.
Literaturverzeichnis
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