von Luca Steinhaus
Es ist Sommer. Meine Haut und mein psychologisches Ich sehnen sich endlich nach Sonne, Salz auf der Haut und kalte Drinks am Meer.
Die Vorfreude steigt von Tag zu Tag. Ich freue mich sehr auf den heiß ersehnten Abflugtag. Ich fahre mit dem Zug und der S-Bahn von Bremen nach Hamburg, um von hier aus meine Reise mit dem Flugzeug anzutreten.
Los geht es am Bremer Hauptbahnhof. Ich mag es hier nicht all zu sehr, doch für die dringend benötigte Erholung muss ich diesen Tod nun sterben. Es ist dunkel, unzählige Menschen zwängen sich durch die engen Wege des Hauptbahnhofes, in einer solch gehetzten Art und Weise, dass die ersehnte Erholung für mich noch in weiter Ferne scheint.
Ich bin zu früh. Beziehungsweise ist der Zug zu spät, sodass mir ein Augenblick bleibt, um mich an mein beinah vollendetes Studium zurückzuerinnern, wobei mir Áuge‘s „Orte und nicht Orte“ unweigerlich wieder ins Gedächtnis gerufen werden. Der Text liest sich für mein Verhältnis ein wenig zu dystopisch. Als ob wir uns Menschen nur noch selten an Orten mit Erinnerungen, Geschichten und Emotionen befinden? Das vermag ich mir nicht vorzustellen.
Ich meine, in vielen hochklassigen Filmproduktionen aus Hollywood sind Orte wie Bahnhöfe, Flughäfen oder der Party-Club, Sehnsuchtsorte. Hier wird die Liebe gefunden, die Liebe verloren und menschliche Emotionen entwickelt. Unvergesslich bleiben die Szenen aus den bekannten Filmen: Catch Me if you can, Love actually und Away We Go, welche die verheißten Nicht-Orte zu Plätzen voller Sehnsucht machten und Millionen von Menschen in die Kinos zogen.
Doch was bleibt in der Realität? Am Bremer Hauptbahnhof sehe ich frühmorgens zunächst viele Einzelpersonen. Viele haben Kopfhörer an und schauen dabei auf ihr Smartphone. Soziale Interaktionen sehe ich eigentlich nur, wenn menschliche Individuen einen Kaffee oder ein Brötchen kaufen und wortkarg mit den Kasserier:innen interagieren.
Schätzungsweise befinden sich gerade mehrere hunderte Personen hier an diesem Platz, wenn nicht gar sogar einige Tausende, doch fühl ich mich seit meinem Aufbruch von Zuhause sehr alleine. Auch ich habe meine Kopfhörer an, höre einen Podcast und schaue immer wieder auf mein iPhone. Ich frage mich, ob ich dieses soziale Gefüge damit nur weiter fördere und ob ich durch das Weglassen meines Smartphones zu einer „Verbesserung“ der Situation beitragen würde?
Doch blockiert mich etwas bei dem Gedanken mit anderen Leuten in Interaktion zu treten. Doch was nur? Ich bleib mit selbst einer Antwort schuldig. Der Zug kommt und ich steige ein. In diesem Moment bestätigt sich das Bild von Áuge auf eine belastende Weise, obwohl ich so unfassbar gern‘ Szenen wie aus Hollywood-Filmen hier gesehen hätte.
Das Bild vom Bahnhof wiederholt sich sowohl im Zug, als auch in der SBahnlinie 1 in Hamburg. In den knapp zwei Stunden vom Bremer Hauptbahnhof bis zum Airport Hamburg, interagiere ich leidlich mit dem:der Schaffner:in, um meinen gültigen Fahrschein vorzuzeigen. Dabei belasten mich die teilnehmenden Beobachtungen in den bereits erwähnten Situationen stetig mehr. Was bleibt vom menschlichen Dasein, wenn wir uns selbst gar nicht mehr in Relation zu unseren
Mitmenschen setzen? Ein Gedanke, der mich gruselt. Währenddessen bin ich an der Zielhaltestelle „Hamburg-Airport“ angekommen.
Endlich sehe ich sie. Freude, Interaktionen, Emotionen. Der Flughafen scheint doch ein Ort zu sein! Ich freu mich. In mir drin beginnt ein leichtestes Kribbeln, eine Aufgeregtheit, welche ich in den vorherigen zwei Stunden nicht gespürt habe. Ich laufe an der Ankunftshalle vorbei und sehe wie sich Pärchen und andere Angehörige freuen, dass ihre Liebsten von den unterschiedlichsten Reisen zurückkehren.
Ich bleibe für einen Moment stehen. Einatmen. Ausatmen. Ich genieße den Moment. Wir sind doch nicht verloren, glaub ich zumindest. Es fühlt sich spannend, aufregend und rührend an, hier zu sein und den Moment zu genießen. Zu beobachten, wie Menschen ihre ureigensten Erfahrungen machen und alle die gleiche Aufgeregtheit teilen. Der Flughafen ist ein Ort. Da bin ich mir nun sicher. Doch habe ich auf meiner Reise auch Momente erlebt bzw. gesehen, welche mich zum nachdenken anregen und zeigen, wie alleine wir als Individuum doch sein können und dass obwohl nahezu 8 Milliarden Gleichgesinnte sich mit uns auf diesem Planeten tummeln.
Natürlich bietet dieser Blogartikel nicht den Umfang, um sämtliche alltägliche Situationen auf unser „Alleinsein“ oder den Gehalt für unser gesellschaftliches Zusammenleben darzustellen. Dies soll auch gar nicht der Anspruch des Artikels sein. Vielmehr möchte ich Leser:innen dazu inspirieren sich selbst in ganz banalen und alltäglichen Situationen zu hinterfragen. Diese Momente müssen erlebt werden, um sich selbst in einer stetig wandelnden Welt zurechtzufinden, zu erden und zu positionieren. Sämtliche Momente des Alltages bieten Anlass dafür, das Smartphone zu sperren, die Musik auszuschalten und einfach den Moment zu begreifen. Diese semi-teilnehmende Beobachtung hat mir geholfen herunterzufahren und mich neu in dieser Welt zurechtzufinden. Ich kann es wirklich nur empfehlen.
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