Von Jonathan Assmus und Max Melcher
Auf die Frage im 60 Minutes-Interview, ob es Linien gäbe, die sich nicht überschreiten, antworteten Trey Parker und Matt Stone simultan: „Nein!”; und nach kurzem Lachen ergänzte Stone: „Noch haben wir keine gefunden…”. Beide Künstler produzieren seit 1997 die für profanen, wie provozierenden Humor bekannte Animationsserie South Park (SP). Ausgangspunkt der Episoden ist die fiktive, gleichnamige Stadt, in welcher das Zeitgeschehen durch die teils exzentrischen Bewohner aufgearbeitet wird. Die Geschichten kontrastieren dabei die Wahrnehmung der Welt der „Erwachsenen” mit der Perspektive der vier Schuljungen Stan Marsh, Kyle Broflovski, Eric Cartman und Kenny McCormick. Im Deckmantel kindlicher Unschuld werden durch die Charaktere die Grenzen des Sagbaren und der Toleranz ausgetestet. Der subversive Humor ist laut Parker und Stone inspiriert von Monty Python, sowie dem engstirnigen Charakter Archie Bunker aus der Serie „All in the Family“. Letzterer findet in Cartman sein junges Pendant, dessen vorurteilsbehaftete Weltsicht in verschiedenen Konflikten ad absurdum geführt wird. Cartmens intolerante Einstellung bildet zugleich das Gegengewicht zu Kyles ausgeprägtem Gerechtigkeitssinn. Während es sich bei dem in Armut aufwachsenden Kenny primär um einen Comic-Relief handelt, werden Stan und Kyle oft als Repräsentationen von Parker und Stone verstanden.
Eine Folge SP wird in lediglich einer intensiven Arbeitswoche produziert. Verhältnismäßig schlichte Animationen, orientiert am Cutout-Animationsstil der Debutfolge, ermöglichen die kurze Produktionszeit. Das Team um Parker und Stone hat sich zudem im Laufe der Jahre merklich vergrößert. Die geringe Spanne von der Idee zur Ausstrahlung schlägt sich in einem hohen Maß an Aktualität nieder. Auf diesem Weg schafft es SP, Bestandteil zeitgenössischer Debatten zu sein und Kritik oder Appell in die Gesellschaft zu tragen.
Thematisch wird auf allen Ebenen und in alle Richtungen ausgeteilt: Gesellschaftliche (Miss-)Verhältnisse werden schonungslos karikiert, absurde politische Vorkommnisse direkt und polemisch angesprochen, religiöser Fanatismus schamlos verlacht. Konsequent egalitär bleibt keine Bevölkerungsgruppe von Kritik verschont. Gepaart mit dem beißend, sarkastischen Humor ist kaum verwunderlich, dass öffentliche Diskussionen um von SP angestoßene Debatten nicht selten in Kontroversen mündeten. Die wohl erste Wahrnehmbare stieß SP im Juni 2001 mit der Folge „It hits the fan“ (S05E01)“1 an, welche den Wandel des gesellschaftlichen Sprachgebrauchs thematisiert. Das im zeitgemäßen amerikanischen Fernsehen noch häufig zensierte Wort „shit“ (bzw. „shitty“) wird zu diesem Zweck ca. 200 mal verbal oder schriftlich verwendet. Die Folge spiegelt exemplarisch die Facette des infantilen Humors in SP wider: viele Witze sind schlicht oder in stumpfen, gegenseitigen Beleidigungen verpackt. Die Wortwahl fällt häufig äußerst derb aus und Entscheidungen sind des Öfteren völlig irrational. Anzumerken ist jedoch, dass die Protagonist*innen dieses groben Humors nicht ausschließlich die Kinder, als vielmehr alle Stadtbewohner*innen sind.
Obzwar der infantile Humor bis heute als markante Ausprägung erhalten geblieben ist, hat sich die Serie mehr und mehr gesellschaftskritischen Fragen zugewannt. Der Wechsel von bloßer Provokation zu bewusster Satire hat dabei auch die einhergehenden Kontroversen auf eine andere Ebene gehoben. Die Thematisierung von Scientology in der Folge „Trapped in the closet“ (S09E12) wurde anhand juristischer Überlegungen abgesichert: Karikaturen bekannter Sektenmitglieder wurden durch profanen Symbolismus maskiert. Darüber hinaus wurde zur Unterscheidung von Satire und den Glaubenssätzen Scientologys Letztere mit der Bildunterschrift „This is what Scientologists actually believe“ gekennzeichnet. Konsequenz der Satire war der Bruch mit dem Scientology-Mitglied und Sprecher der prominenten Rolle „Chef“. Trotz der Vorsichtsmaßnahmen verzögerte sich die Ausstrahlung der Folge aufgrund von Streitigkeiten mit Tom Cruise um zwei Monate – und wurde ungeachtet all dessen für einen Emmy nominiert.
Feedback zu den verschiedenen Episoden mäandert zwischen Entrüstung und Beifall. Beispielsweise erhielt die Darstellung der heiklen Problematik um den Gebrauch des Wortes „Nigger“ in der Folge „With apologie to Jesse Jackson“ (S11E01) vielerseits Lob:
„Kovon and Jill Flowers, who co-founded the organization Abolish the „N“ Word, tells CNN that in this case, using it was appropriate.
»This show in its own comedic way, is helping to educate people about the power of this word and how it feels to have hate language directed at you.«“2
Betrachtet als Mikrokosmos für die karikierte Darstellung gesellschaftlicher Stereotype und Personen des öffentlichen Lebens hat sich in South Park im Laufe der Jahre allerdings einiges verändert. Die Umgestaltung von Verhältnissen und Charakteren etwa reflektiert zunehmend die Spaltung der (amerikanischen) Gesellschaft. So wurde in Staffel 19 die bisherige Schulleiterin durch die Figur PC Principal ersetzt und Mr. Garisson – langjähriger Bestandteil der Serie als exzentrischer Grundschullehrer – zur konservativen Ikone und Ikone Konservativer aufgebaut. Garissons Ckarakterentwicklung kulminiert in der Wahl zum Präsidenten der USA- und somit zu einer erschreckend gelungenen Karikatur Donald Trumps.
Der Wandel des Mr. Garisson veranschaulicht die Fülle des in 23 Jahren erarbeiteten, eigenen Kosmos. Abseits der Haupt- haben auch zahlreiche Nebencharaktere langjährige Backstories und entsprechende Folgen – SP kann auf eine gesamte Kleinstadt zurück greifen. Deren facettenreiche Bewohner*innen werden der Thematik entsprechend in die Handlung eingebunden.
Ungeachtet aller Kritik hat sich SP als gesellschaftskritische Serie mit öffentlicher Berücksichtigung etabliert. Verschiedenste Thematiken, konträre Perspektiven, scharfer Humor an der Grenze des „guten Geschmacks“ liefern zahlreiche Denkanstöße und Diskussionsbeispiele. Ein Teil eben jener soll in den kommenden Wochen in Form episodischer Kurzessays unter der Überschrift „»Time to Get Cereal« – Philosophie in South Park“ aufgearbeitet werden. Hierbei werden ausgewählte Aspekte einzelner Folgen insbesondere vor der charakteristisch-humorvollen Aufbereitung rekonstruiert und interpretiert.
Die für das Projekt namensgebende Folge aus Staffel 22 thematisiert den Klimawandel, sowie das schizophrene Verhältnis von wissenschaftlichen Erkenntnissen zu politischen Entscheidungsfindungen. Die Diskrepanz zwischen lebensweltlicher Überzeugung und theoretischer Fundierung ist häufig Quelle South Parkschen Humors. Analog zu der Selbstkritik der Folge, welche den früheren Umgang der beiden Künstler mit der Thematik Klimawandel rügt, wollen auch wir unseren Fokus auf die ernsteren Aspekte richten. Dabei werden philosophische Gedanken in den Vordergrund gerückt.
Interessierten Leser*innen wird die Sichtung der diskutierten Folgen zur Einordnung in den Kontext nahegelegt. Dies ist auf der offiziellen Internetseite kostenfrei möglich. Es ist Empfehlung der Autoren, die englische Originalvertonung zu wählen, da in der Übersetzung ein Großteil des Wortwitzes und der Authentizität verloren geht. Das bisher Geschriebene sollte allerdings verdeutlicht haben, dass ein empfindlicher Humor mit South Park schwer vereinbar ist; oder um es mit dem offiziellen Disclaimer der Serie zu sagen: „All characters and events in this show—even those based on real people—are entirely fictional. All celebrity voices are impersonated…..poorly. The following program contains coarse language and due to its content it should not be viewed by anyone.“
1 Die Ausweisung der einzelnen Folgen erfolgt wie folgt: Staffel/Episode.
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