Sprachliche Heterogenität im naturwissenschaftlichen Unterricht. Eine Herausforderung oder eine Chance?

Die Naturwissenschaften sind grundsätzlich vorbelastet mit vielen Fremdwörtern und Fachbegriffen, die die Schüler erst einmal verstehen müssen, bevor sie überhaupt Zusammenhänge nachvollziehen und begreifen können. Hierbei besteht die Herausforderung der Lehrkraft, bei sprachlicher Heterogenität der Schüler, einen Weg zu finden, um allen einen Zugang zu den Naturwissenschaften zu verschaffen. Und das muss erst einmal auf dem kleinsten Nenner stattfinden und kann zum Beispiel visuell erfolgen oder einfachen universellen Begriffen, damit die Schüler dem Unterricht folgen können.

Im Chemieunterricht kann das Periodensystem der Elemente zum Beispiel erklärt werden, indem bildhaft erläutert wird, wie die einzelnen Elemente aussehen oder welche Produkte aus ihnen entstehen. Von der „Bildsprache“ kann man dann übergehen in die Fachsprache, aber dann ist zumindest eine Verbindung hergestellt, die später, wenn der Fachbegriff bei den Schülern nicht mehr präsent sein sollte, zumindest wieder auf das Bild hinweist. Insofern besteht aber auch die Herausforderung für den Lehrer, nicht nur mit Bildern, sondern später auch mit Formeln immer einen abstrakten Bezug herzustellen, damit die Zusammenhänge erkannt werden, unabhängig von der sprachlichen Heterogenität der Schüler. Dieser Sachverhalt bietet aber auch Chancen auf beiden Seiten: Die Lehrkraft muss den Unterricht neu konzipieren in der Hinsicht, dass sie eine Ebene finden muss, auf der alle Schüler gleichzeitig einsteigen können und somit alle zusammen das Thema erarbeiten können. Es darf aber auf keinen Fall so ablaufen, dass Fachbegriffe und Fremdwörter den Unterricht bestimmen und die Schüler rein sprachlich nicht folgen können, weil sie gar nicht verstehen, um was es überhaupt geht.

Gerade in den Naturwissenschaften wie Chemie, Biologie und Physik kann mehr sehr viele komplexe Zusammenhänge sehr plastisch darstellen und ist erst in einem zweiten Schritt gezwungen, zu abstrahieren, um diese zu erklären. Aber die Abstraktionsfähigkeit setzt Verständnis voraus. Zusammenfassend kann man sagen, dass Chancen und Herausforderungen im gleichen Maß bestehen, aber die sprachliche Heterogenität keineswegs im Vordergrund stehen sollte, denn naturwissenschaftliche Phänomene erzeugen immer Bilder, die an keine Sprache gebunden sind.

Doppelte Heterogenität im Politikunterricht

Das Fach Politik ist unter Schülern gleichermaßen beliebt oder unbeliebt. Der eine Teil mag es sehr gerne, wenn man nicht an konkreten Leistungsanforderungen gemessen wird und nicht immer klare Vorgaben hat. Anders als der Schüler, der immer genau wissen muss, welche Aufgabe er wie zu erledigen hat, also klare Muster und Vorgaben braucht. Und hierbei greift ja genau die Hypothese der doppelten Heterogenität, denn unter den Begriffen wie Freiheit, Gerechtigkeit oder auch Politik im allgemeinen versteht erst einmal jeder Schüler nach seinen eigenen Vorstellungen etwas Anderes.

Aber genau dieser Punkt macht den Unterricht lebendig, wenn ein Austausch stattfindet zwischen Lehrkraft und den Schülern, sowie den Schülern miteinander. Wenn die Frage nach dem Begriff Freiheit im Plenum gestellt wird, kann er viele verschiedene Antworten und Aspekte generieren: Freiheit des Einzelnen, Freiheit als Lebensphilosphie oder als abstrakter Gegenbegriff zu Gefangenschaft. Und speziell bei jungen Kindern ist der wissenschaftliche Begriff von Freiheit noch oft gar nicht begreifbar, Freiheit kann für ein Kind auch ganz simpelt bedeuten, dass es alleine zur Bushaltestelle mit dem Fahrrad fahren darf / kann. Jedoch finde ich es wichtig, genau an dieser Stelle anzusetzen, denn wenn man einen Begriff konkret fassen kann, dann kann man ihn später auch einfacher abstrakt darstellen.

Natürlich kann man auch das andere Extrem benutzen und alle Fachbegriffe im Vorfeld eindeutig definieren. Doch dann dann gibt es keine doppelte Heterogenität mehr sondern nur noch wie zum Beispiel im Mathematikunterricht eine definierte Aufgabe mit nur EINEM eindeutigen Ergebnis. Doppelte Heterogenität ist also eine Chance, andere Wege zu gehen und die Möglichkeit, noch individueller auf die Schüler eingehen zu können. Eine faszinierende Perspektive mit einem fast unerschöpflichen Reservoir.