Eine Türkin, die zumindest so aussieht, muss auch türkisch denken

In der beschriebenen Unterrichtssituation macht die Lehrkraft im Prinzip alles falsch, was man falsch machen kann. Sie denkt in Schubladen und ordnet ihre Schüler offensichtlich nach Aussehen in Denkkategorien ein. Dann scheint ferner ein gedanklicher Austausch zum Schulstoff im vorangegangenen Unterricht auch nicht stattgefunden zu haben, denn anders kann man folglich die (verärgerte) Reaktion der Lehrkraft nicht erklären. Die Erwartungen an die Schüler wurden aus ihrer Sicht nicht erfüllt. Somit ist hier klar festzustellen, dass die Kommunikation gestört ist und man die Lektüre bzw. das zu behandelnde Thema nur einseitig betrachtet hat. Eine offene Diskussion und ein Gedankenaustausch hat dann sehr wahrscheinlich nicht stattgefunden.

Dem berichtenden Mädchen wird ein Denkmuster übergestülpt, welches sie gar nicht vertritt bzw. vertreten kann, da sie sich selbst gar nicht als Türkin sieht geschweige denn sich dort ihr Zuhause befindet. Pädagogische Leitideen der Lehrkraft sehe ich bei diesem Fallbeispiel nicht, ethnische Zuordnungen aufgrund von Äußerlichkeiten zählen mit Sicherheit nicht dazu.

Im heutigen Schulalltag existiert in Bezug auf die Schüler keine Homogenität mehr, je urbaner die Umgebung, umso unterschiedlicher sind auch die Schüler. Deshalb ist es als Lehrkraft wichtig, auf diese Unterschiede einzugehen und diese auch zu nutzen, denn Synergieeffekte durch unterschiedliche Sichtweisen können durchaus bereichernd für den Unterricht sein. Jedoch davon auszugehen, dass jemand eine bestimmte Meinung vertreten MUSS aufgrund seiner Herkunft, ist der komplett falsche Weg.

Als Lehrkraft ist es einer der wichtigsten Punkte, sich darüber im Klaren zu sein, welche gedanklichen Wege die Schüler beschreiten und gleichzeitig selbst zu reflektieren, ob man dies beurteilt, zur Kenntnis nimmt oder sogar befürwortet. Die eigene Meinung der Lehrkraft steht jedoch an zweiter Stelle, oberste Priorität hat das offene Gespräch im Schülerplenum zu jedem beliebigen Thema.

Homogenität versus Heterogenität

Jahrzehntelang war das deutsche Schulsystem auf Homogenität ausgerichtet. Erst jetzt mit der beginnenden Abschaffung des dreigliedrigen Schulsystems (Haupt- und Förderschule, Realschule, Gymnasium) und der Einführung von Gesamtschulen ist es möglich geworden, Schüler mit unterschiedlichen Motivationen, Wissen und Lernfähigkeiten trotzdem in einer Klasse zu unterrichten. Hierbei muss es aber auch zwangsläufig zu Spannungen kommen, denn der hochintelligente Schüler möchte genauso gefördert und gefordert werden wie ein anderer mit Lernschwächen. Es ist also eine neue Herausforderung für die Lehrkraft, den Unterricht inhaltlich so zu gestalten, dass alle Schüler auch davon profitieren. Die Heterogenität ist also nicht nur ein Ausgangspunkt bei den Schülern mit der Gesamtheit ihrer unterschiedlichen Eigenschaften, sondern auch inhaltlich gefordert. Dass dabei der Unterricht noch zentral auf eine Lehrkraft fokussiert ist, sehe ich als Problem, denn dies wäre bei Befriedigung aller Bedürfnisse nicht mehr darstellbar. Heterogenität setzt also auch voraus, dass der Unterricht nicht mehr nur frontal erfolgen kann, sondern ebenso vertikal mit der Unterstützung weiterer Personen. Bei Kindern mit Behinderungen kann dies eventuell gewährleistet werden durch Hilfspersonal, jedoch wird dies nicht realisiert werden können im normalen Schulalltag. Und dann wären wir wieder bei Homogenität, wenn ein wieder ein Kurssystem aufgebaut wird, wo jeder Schüler entsprechend seiner Leistung eingeordnet wird. Individuelle Förderung kostet Geld, homogener Massenunterricht ist viel kostengünstiger und meiner Meinung nach wird die zwischen Heterogenität und Homogenität ein (finanzierbarer) Kompromiss erfolgen müssen, damit die Realität auch abgebildet werden kann. Ein über Jahrzehnte eingefahrenes Schulsystem ändert man nicht so schnell.