Das „Leitbild“ des Kardinal-von-Galen-Hauses
Das Kardinal-von-Galen-Haus ist eine staatlich anerkannte Ersatzschule mit dem Schwerpunkt der körperlichen und motorischen Entwicklung und verfügt über ein angeschlossenes Internat. Seit 2012 ist der Schwerpunkt Inklusion im Konzept verankert. Damit ist die Schule eine der wenigen in Deutschland, die mit dieser ungewöhnlichen Form der „umgekehrten“ Inklusion arbeitet!
Auf die Schule gehen etwa 300 SchülerInnen, von denen ein Sechstel der Kinder keinen Förderbedarf haben. Insgesamt gibt es an der Schule mehrere Förderklassen mit durchschnittlich 10 Kindern und vier „Inklusionsklassen“. Diese setzen sich aus 6 SchülerInnen mit Förderbedarf und 12 „RegelschülerInnen“ zusammen.
Zu dem umfangreichen Kollegium gehören neben den Förder- und GrundschullehrerInnen auch ErzieherInnen, FSJlerInnen und PraktikantInnen. Der Förderunterricht wird durch die Vielfalt an Therapiebereichen unterstützt. Beispiele dafür sind Ergo-, Physio- und Sprachtherapien, sowie Heilpädagogik und Therapeutisches Reiten. Außerdem befinden sich in der Schule mehrere Räume zu Therapiezwecken, wie ein Bälleraum, ein Matschraum, ein Snoezel-Raum, eine Bewegungshalle und ein Schwimmbad.
Ausgangspunkt für die Idee zur Inklusion war eine Tagung im Jahr 2009, aus der sich eine Arbeitsgruppe zur Entwicklung eines passenden Konzeptes bildete. Bevor die Schule den Schwerpunkt Inklusion einführte, besuchte diese Arbeitsgruppe verschiedene Schulen, um dort zu hospitieren und Anregungen zu bekommen. Bei der Entwicklung des Konzeptes waren besonders die Schlagwörter „Heterogenität“, „Selbstständigkeit“ und „Individuelle Förderung“ von Wichtigkeit. Im gesamten Prozess zeigte in erster Linie die Schulleitung einen großen Willen zum Fortschritt nach dem Motto:
„Es ist keine Frage OB wir es machen, sondern WIE wir es machen.“
Vor der Einschulung neuer ErstklässlerInnen wird mit Hilfe von Gesprächen intensiv mit den Kindergärten zusammen gearbeitet. Außerdem ist die Zusammenarbeit mit den Eltern und die Kommunikation dieser untereinander sehr wichtig für die Klassen und die Weiterentwicklung der Gemeinschaft. Beim täglichen Mittagessen wird darauf geachtet, eine familiäre Atmosphäre zu schaffen, um eine Gelegenheit für die Kinder zur Kontaktaufnahme und Interaktion untereinander zu geben. Dort können sie im kleinen Rahmen mit Kindern außerhalb ihres Klassenverbundes Kontakte knüpfen und Freundschaften schließen. Im Unterricht wird mit einem TutorInnen-System gearbeitet, was bedeutet, dass die Kinder sich bei Problemen oder Fragen zuerst an die anderen Kinder wenden. Außerdem arbeiten die SchülerInnen mit individuellen Plänen und Aufgaben, welche sie innerhalb der Woche bearbeiten. Welche Aufgaben sie wann und in welcher Reihenfolge machen ist also ihre Entscheidung. Dies fördert die Selbstständigkeit und Selbstkontrolle. Für einige Kinder gibt es eine speziell auf sie angepasste Ausstattung, wie zum Beispiel eine besondere Tastatur und ein Joystick. Am Anfang des Tages gibt es in jeder Klasse einen Morgenkreis mit dem sehr begehrten Job „Chef des Tages“, welcher den Ablauf leitet und die Begrüßung übernimmt.
In einem anregenden Gespräch mit dem Schulleiter werden viele unserer Fragen beantwortet. Als Bedingungen für das Gelingen der Umstellung von einer reinen Förderschule zu einer Schule mit Inklusionsklassen wurden ein eigener starker Wille zur Weiterentwicklung, gute Kontakte und ein tatkräftiges Team genannt. Auf die Frage, was mit 1 Millionen Euro für die Schule gemacht werden würde, kam der Wunsch nach mehr inklusiven Klassen und einer besseren Bezahlung von qualifizierten Lehrkräften auf. Als Tipp für angehende LehrerInnen stechen die Schlagworte „Beratungsfähigkeit“ und „Teamfähigkeit“ hervor. Außerdem sollten Studierende ihre Möglichkeiten zur Weiterbildung in Bereichen nutzen, die vielleicht nicht unbedingt in ihren Seminaren und Vorlesungen behandelt werden. Beispiele hierfür sind spezielle Didaktik-Kurse für StudentInnen der Inklusiven Pädagogik sowie Fortbildungen zum Thema Inklusion für LehramtsstudentInnen ohne diesen speziellen Schwerpunkt. Ein großer Gewinn dieses Schulkonzeptes ist die einzigartige Vielfalt, die durch das gemeinsame Lernen und Wachsen von Förder- und RegelschülerInnen entsteht.
Nach dem Besuch am Kardinal-von-Galen-Haus haben wir noch am selben Tag unsere Reise nach Berlin angetreten und konnten eine erste Nacht über unsere Erlebnisse schlafen.
Am nächsten Morgen starten wir direkt nach dem Frühstück mit unserer Reflexion. Mithilfe einer „Traumreise“ erinnern wir uns zurück an unsere gesammelten Eindrücke aus der Schule, um uns im Anschluss von unseren schönsten Momenten zu erzählen. Daraus entwickeln wir Fragen zu Aspekten, die uns noch besonders beschäftigen. Um Ordnung in unsere vielfältige Sammlung zu bringen, clustern wir diese zu mehreren Oberthemen.
In Kleingruppen beschäftigen wir uns intensiv mit den folgenden vier Diskussionsschwerpunkten: Inklusion, Teamfähigkeit, Lernen und Schulentwicklung/ Visionen.
Durch die anschließende Präsentation, Reflexion und Diskussion unserer Ergebnisse entstehen bei uns neue Denkanstöße:
Hürden können durch konsequente Visionen überwunden werden.
Schulentwicklung als ständiger Prozess.
Barrierefreiheit als Voraussetzung für alle Schulen?
Inklusion als Haltung – statt nur als Motto!