Freitagmorgen um ca. 7:00 Uhr: Verschlafene, fröhliche oder aufgeregte Gesichter lassen sich im Berliner Nahverkehrstrubel erkennen. Der graue Morgen zieht an den Straßenbahnfenstern vorbei, hinter denen sich viele Menschen auf dem Weg zur Arbeit oder ähnlichem befinden. Nach zwei Umstiegen erreichen wir unsere Zielhaltestelle und folgen einer SchülerInnengruppe, die sich, durch ein Wohngebiet schlängelnd, auf den Weg zu ihrer Schule machen.

Dann stehen wir vor dem Gebäude der „Freien Montessori Schule Berlin“ und die einladende Außenfassade des Neubaus strahlt einen Lichtblick an diesem noch jungen Morgen aus. Große Fenster lassen bereits einen ersten Blick in die Lernräume zu, die bald genauer erkundet werden wollen.

Der Gang durch die Doppeltür  führt unsere Gruppe in das Atrium, dessen fröhliche Farben und Gestaltung ein Willkommensgefühl ausstrahlen. Begleitet von einer Tasse Kaffee haben wir die Chance erste Blicke auf die nähere Umgebung des Atriums zu werfen. Schließlich tritt uns das junge, freudige Gesicht von Timo Nadolny, dem Schulleiter für die Sekundarstufe I und II, entgegen, der uns in einen Besprechungsraum führt und mit uns erste Fragen klärt. Doch nicht viel Zeit bleibt uns, denn bei der folgenden Hospitation gilt vor allem eins:

„Mittendrin statt nur dabei“.

Aufgeteilt in 4 Gruppen à 3 Personen führt uns Timo (an dieser Schule gilt das ‚Du’) in verschiedene Lerngruppen, in denen wir einen Eindruck vom Unterricht gewinnen sollen.

Vom ersten Eindruck in der Klassenstufe 11 bis 13 unterscheidet sich diese gar nicht so sehr vom Unterricht an klassischen Schulen, wie wir es teilweise selbst auch erlebt haben. Eine Lehrkraft bearbeitet mit den SchülernInnen gerade eine Aufgabe zur Integralrechnung und Volumen. Doch schnell ändert sich das Bild, wenn zum einen beachtet wird, dass Jugendliche im Alter zwischen 16 und 19 Jahren in der Klasse gemeinsam lernen und zum anderen der Unterricht einem Fachgespräch unter Freunden zum Thema ähnelt, bei dem die SchülerInnen immer wieder Fragen stellen können. Parallel dazu arbeiten vereinzelt Jugendliche im Nebenraum in Freiarbeit an verschiedenen Themen, wie beispielsweise Gleichungssystemen. Besonders der Einsatz von digitalen Medien sticht ins Auge, da die Jugendlichen an eigenen bzw. geliehenen Laptops arbeiten.

Währenddessen findet im 10. Jahrgang Freiarbeit statt, in der die meisten Jugendlichen sich den Vorbereitungen auf die mündliche Prüfung für den Mittleren Schulabschluss widmen. Als Prüfungsform bearbeiteten die Jugendlichen alleine oder in Tandems verschiedene selbstgesuchte Themen, zu denen sie für den Abschluss eine Präsentation erstellen. Bei Rückfragen stehen jeder Lerngruppe zwei MentorInnen zur Verfügung. Interessiert daran, was wir an der Schule machen und erfahren wollten, sprachen uns drei Schülerinnen des zehnten Jahrgangs an und gaben uns ihrerseits gerne eine Einführung in die verschiedenen Lern- und Arbeitsformen der Schule und machten vor allem eines deutlich: Das Lernen an der Freien Montessori Schule gestaltet sich deutlich stressfreier als das Lernen an gewöhnlichen Schulen. Die verschiedenen freien Arbeitsformen sorgen dabei für deutlich weniger Druck als es beispielsweise bei ihren FreundenInnen in anderen Schulen sei und das Schulleben sei deutlich entspannter, da sie zu den Lehrkräften ein fast freundschaftliches Verhältnis pflegen würden, die bei Problemen immer auch als AnsprechpartnerInnen zur Verfügung stehen. Dabei kommt trotz allem das Lernen nicht zu kurz. Darüber hinaus sind Lernformen wie Herausforderung und Verantwortung, wie sie uns an der ESBZ begegnet sind, ebenfalls in abgewandelter Form zu finden.

Um 9:30 Uhr findet dann in der Cafeteria das gemeinsame Frühstück statt, welches von einem eigenen Koch und einigen SchülerInnen als Hilfe bereitgestellt wird. Dabei trifft sich ein Großteil aller Jahrgänge am Frühstückstisch, was weiterhin den Eindruck einer großen Familie vermittelt . Einige von uns sitzen erneut mit den Mädchen am Frühstückstisch zusammen und haben die Chance sie weiter zu ihrer Schule und ihren Wünschen zu befragen. Besonders glücklich seien sie über das Essen der Cafeteria und die Chance auf viel Mitbestimmung in der Schule, beispielsweise auf die Raumgestaltung Einfluss nehmen und ihre eigene Klassenfahrt selbst planen zu können. Das Auslaufen der Oberstufe, welche aufgrund zu geringer Anmeldezahlen abgeschafft wird, halten sie für sehr bedauerlich und würden sie gerne ändern.

Nach dem Frühstück tauschen wir die Lerngruppen und hospitieren in den Jahrgangsgemischten Klassen 7, 8, 9. Immer freitags finden sogenannte Occupations und Humanities statt. Dies beinhaltet „projektbezogenes fachübergreifendes Lernen in Natur- und Gesellschaftwissenschaften“ (Wochenablauf in der 7/8/9), welches wir an diesem Freitag in zwei verschiedenen Projekten erleben konnten. Beispielsweise organisiert ein Projekt einen Spendenlauf für das nahegelegene Tierheim (was am Vormittag von den Kindern gemeinsam beschlossen wurde). Zur Vorbereitung des 10 km-Spendenlaufs wurde in diesem Block ein Ausdauertraining in Form von Zirkeltraining veranstaltet, an dem auch wir teilnehmen und schmerzlichst die Leiden des Alterns erfahren. Zur selben Zeit beschäftigt sich eine Mädchengruppe mit dem Thema Sexismus, Frauenrechten und Rollenbildern von Frauen. Innerhalb dieses Projektes finden unter anderem Befragungen von Frauen und Männern verschiedener Altersgruppen zu ihrem Bild der Frau statt. Im Sinne des Mottos „Mittendrin statt nur dabei“ werden wir neben der Projektreflexion auch zur Wochenreflexion eingeladen, in der die Kinder von ihren Erfolgen der Woche berichten. Auch wir können in diesem Zuge einen Rückblick auf unsere ereignisreiche Woche werfen.

Das überraschendste Format begegnet uns dann um 12:30 Uhr im Atrium, als wir zum wöchentlichen Monte-Meeting eingeladen werden und uns plötzlich inmitten aller SchülerInnen und Lehrkräfte der Schule befinden. Das von drei Schülern geleitete Nachrichtenformat gibt in einer entspannten aber produktiven Atmosphäre Einblick in Vorgänge rund um die Schule. So erfahren wir, dass es Schülerfirmen gibt und sich Arbeitsgruppen mit verschiedenen Themen, wie der Schulhofgestaltung, beschäftigen. Außerdem berichtet eine Lehrkraft von einer Fortbildung, eine Schülerin gewinnt bei der Auflösung einer Wochenfrage einen Essensgutschein für die Cafeteria und auch wir können uns nochmal bei der gesamten Schule vorstellen und für ihre Offenheit bedanken.

Im anschließenden Interview wird deutlich, dass vor allem der Spaß am Lehrberuf für den Schulleiter eine wichtige Rolle spielt. Dabei ist der Humor gegenüber den Kindern und sich selbst ebenso wichtig wie Ehrlichkeit und pädagogische Kompetenzen. Es wird deutlich, dass Timo viel Wert auf das soziale Miteinander in der Schule legt, stets ein offenes Ohr für KollegInnen hat und somit die Stärken aller bestmöglich einbringen möchte. Sein großer Wunsch wäre der Ausbau der Jugendschule Strausberg. Dies ist ein außerschulischer Lernort der Oberschule, in dem Kinder landwirtschaftliche Tätigkeiten erleben und „ihre Rolle in der Gruppe und in der Gesellschaft anhand praktischer Tätigkeiten heraus(…)finden und (…) differenzieren“ (Internetseite der Montessori Schule Berlin).