Gedanken zu Thomas Fischermanns Artikel auf S.31 der ZEIT, Ausgabe Nr. 5, vom 26. Januar 2023
Forscher*innen besuchen immer häufiger das Amazonasgebiet, wollen von den dortigen Völkern lernen, mit dem Ziel dieses neu erlernte Wissen mit der technologisierten, westlichen Wissenschaft zu verbinden und möglicherweise so eine Lösung für das Artensterben zu finden. Dabei scheint jedoch zwischen den verschiedenen Kulturen, die bei einem Besuch von westlichen Botaniker*innen und Anthropolog*innen in indigenen Völkergruppen des Amazonas zusammentreffen, ein enormer Verständnisproblem zu bestehen.
Während die Wissenschaftler*innen auf Exkursionstouren mit Indigenen gehen, sich die hiesigen Pflanzen erklären lassen und sie fröhlich mit ihren vermeintlich wissenschaftlich korrekten Begriffen katalogisieren, erzählen die Indigenen von ihren Hausmitteln und der fantastischen Welt, die hinter dem Zusammenspiel der Pflanzen, Tiere und Geisterwesen steckt. Der Wissensschatz, den die Anthropolog*innen bei ihren Besuchen feststellen ist riesig und doch wird dieser bei der Erfassung der Pflanzen nicht beachtet. Warum? Wahrscheinlich, weil die Wissenssysteme, in denen Seelen vergangener Epochen heilige Felsen bewachen und feindlich gesinnte Hexenmeister im Wald umhergehen sich nicht deckt mit der westlichen Taxonomie mit ihren Ordnungen, Familien, Gattungen und Arten. Botanische Sammlungen werden zu häufig ohne den nötigen ethnografischen Kontext, also ohne der Präsentation der Expeditions-Tagebücher, Fotos, Tonaufnahmen und Zeugenberichten dargestellt und beleuchten so nur einen Bruchteil an Wissen, was über diese existiert.
In indigenen Völkern werden Geschichten von Generation zu Generation weitererzählt, damit dieses Wissen nicht verloren geht, gelehrt die Augen zu schließen, wenn der Regenwald zu dunkel ist um etwas zu sehen und anstatt dessen den Weg zu erspüren. Wenn die Forscher*innen diese Geschichten nicht in ihr Bewusstsein aufnehmen, werden sie wohl weiter im Dunkeln durch den Regenwald irren.