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  • RV02-Blogeintrag zum 14.04.2025

    1) In meiner eigenen Schulzeit habe ich zwei zentrale Maßnahmen erlebt: Zum einen war die Schule Teil der Initiative „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ (SOR-SMC). Im Sinne dieses Projekts wurde eine Themenwoche zum Thema Antisemitismus durchgeführt. Dabei standen Informationsveranstaltungen und Projektarbeiten im Mittelpunkt.

    Die Maßnahmen lassen sich nicht eindeutig einer einzigen pädagogischen Strömung zuordnen, sondern weisen Merkmale mehrerer Modelle auf. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass die Initiative primär auf die Prinzipien interkultureller Bildung zurückgreift. Hier steht die Förderung von Dialog, Begegnung und kultureller Sensibilisierung im Zentrum. Dazu muss gesagt sein, dass in der Grundschule eher auf kulturellen Austausch gesetzt wird – etwa durch Kochkurse oder Präsentationen kultureller Bräuche. In der Oberstufe, in der ich meine Erfahrung machen durfte, liegt der Fokus stärker auf kritischer Auseinandersetzung und Reflexion. Hierbei werden beispielsweise Workshops mit externen Expert:innen, Podiumsdiskussionen zu Rassismus- und Diskriminierungserfahrungen sowie biografische Zugänge wie Zeitzeugengespräche oder Projekttage mit Betroffenen organisiert. Ziel ist es, die eigene Haltung zu reflektieren, Privilegien zu hinterfragen und Diskriminierungsformen als gesellschaftliche Strukturen zu erkennen – nicht nur als individuelles Fehlverhalten.

    In Bezug auf das theoretische Vergleichsmodell zeigt sich dabei Folgendes: In der Diagnose des Problems orientiert sich die Maßnahme an Differenz und kultureller Unterschiedlichkeit – ein zentrales Merkmal der interkulturellen Bildung. Gleichzeitig werden auch Elemente antirassistischer Bildung aufgegriffen, durch die explizite Thematisierung von Diskriminierung und die Bezeichnung als systematisches Phänomen (vgl. Fantini 2025, Folie 7). Die Adressat:innen sind nicht nur Schüler:innen mit Migrationsgeschichte, sondern – wie es in der interkulturellen und antirassistischen Pädagogik intendiert ist – alle Lehrenden und Lernenden, oftmals wird sogar die Institution Schule als Ganzes adressiert. In der Praxis lassen sich in der Grundschule vor allem kulturvermittelnde Elemente und in der Oberstufe dialogorientierte Elemente beobachten, die Teil der Interkulturellen Bildung sind, zeitgleich gibt es Elemente wie kritische Analyseformate aus der rassismuskritischen Bildung. Die Ziele dieser Maßnahmen liegen überwiegend in der Anerkennung von Heterogenität, gleichzeitig wird ein aktives Eintreten gegen Rassismus gefördert, was an das Ziel der Dekonstruktion rassistischer Strukturen anschließt. Das zugrundeliegende Gesellschaftsbild schwankt dementsprechend zwischen dem Ideal einer heterogenen und einer diskriminierungsfreien Gesellschaft.

    Allerdings bleibt ein zentrales Problem bestehen: Die Rassismuskritik verlangt mehr als symbolisches Engagement. Es geht nicht nur um „gutes Verhalten“, sondern um eine kritische Analyse struktureller Machtverhältnisse und die Frage, wie Rassismus im Schulalltag produziert und reproduziert wird (vgl. Fereidooni, Folie S. 24 ff.; Bartel o. D., S. 15). Hier bleibt die Initiative oftmals auf einer affirmativen (bestätigenden) Ebene stehen – sie feiert Vielfalt, ohne tiefgreifende Selbstreflexion oder strukturelle Veränderungen systematisch zu fördern. Da die Auseinandersetzung mit den Themen meist nur an Themenwochen oder besondere Gedenktage gekoppelt ist, bleibt die langfristige, kontinuierliche Beschäftigung mit Diskriminierung aus – was zu einem Verlust an Relevanz führen kann (vgl. Bartel o. D., S. 14 f.).

    Besonders deutlich wird dies auch bei der Behandlung von Antisemitismus: Dieser wird überwiegend historisch kontextualisiert, insbesondere mit Blick auf die NS-Zeit. Der Bezug zu aktuellen Diskriminierungsformen, beispielsweise gegenüber jüdischen oder muslimischen Jugendlichen, bleibt oft aus. Dadurch wird die Verbindung zwischen der Vergangenheit und gegenwärtigen rassistischen Strukturen nicht ausreichend hergestellt, was zur Relativierung heutiger Diskriminierungserfahrungen führen kann. Um diesem Mangel zu begegnen, braucht es eine konsequente Einbindung intersektionaler Perspektiven (vgl. Walgenbach 2016, S. 212) – also eine Sichtweise, die unterschiedliche Ungleichheitsverhältnisse (wie Ethnizität, Geschlecht, soziale Herkunft) in ihrem Zusammenspiel begreift.

    2) Inwieweit ist rassismuskritische Bildungsarbeit im Schulalltag verankert – oder bleibt sie auf vereinzelte Aktionen und Projekttage beschränkt? Wie konsequent werden Diskriminierung und Machtverhältnisse auch im regulären Unterricht, in Lehrplänen, in Schulregeln oder im Kollegium thematisiert und bearbeitet?

    3) Die Reflexion aus Aufgabe 1 zeigt, dass die Maßnahmen zwar wichtige Impulse setzen können, jedoch häufig an der Oberfläche bleiben. Ein zentrales Problem der Umsetzung besteht darin, dass Diskriminierung oft nur punktuell – etwa im Rahmen von Projektwochen – thematisiert wird, während die dauerhafte, systematische Auseinandersetzung mit etwa strukturellen Ungleichheiten im Schulalltag ausbleibt. Um diese Lücke zu schließen, braucht es konkrete Schritte zur Weiterentwicklung von Schule und Unterricht, die sich an einer rassismuskritischen und intersektionalen Bildung orientieren. Es reicht also nicht aus, sich symbolisch gegen Rassismus zu positionieren, vielmehr müssen Schulen als Institutionen selbstkritisch hinterfragen, wie sie konkret  Reproduktion von Ausschlüssen beitragen, dies kann bspw. durch die Auswahl von Lehrmaterialien oder durch mangelnde Repräsentation marginalisierter Gruppen passieren. Rassismuskritik verlangt die bewusste Auseinandersetzung mit eigenen Privilegien und institutionellen Machtverhältnissen, dies muss sowohl auf individueller als auch auf kollektiver Ebene geschehen.

    Ein weiterer zentraler Aspekt ist die Einbeziehung intersektionaler Perspektiven (vgl. Walgenbach 2016, S. 212). Diskriminierung sollte nicht nur entlang einzelner Kategorien – etwa Ethnie – betrachtet werden, sondern im Zusammenspiel mit anderen sozialen Ungleichheiten wie Geschlecht, sozialer Herkunft, Behinderung oder Religion. Eine differenzierte Aufschlüsselung dieser verschiedenen Marginalisierungsbereiche ermöglicht ein tieferes Verständnis und eine umfassendere Aufklärung als ein Unterricht, der Differenz ausschließlich kulturell denkt. Neben den bereits genannten Maßnahmen braucht es auch institutionelle Strukturen, die eine dauerhafte und langfristige Auseinandersetzung mit Diskriminierung sicherstellen. Dazu zählen beispielsweise Feedbackformate zu Diskriminierungserfahrungen, regelmäßige Fortbildungen im Kollegium sowie die Einrichtung einer Antidiskriminierungsstelle innerhalb der Schule.

    Quellen:

    Walgenbach K. (2016). Intersektionalität als Paradigma zur Analyse von Ungleichheits-, Macht und Normierungsverhältnissen. In: Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete. S. 211-224. München: Ernst Reinhardt Verlag

    Fereidooni K. (2025). Rassismuskritik – Was muss ich wissen? Was kann ich tun? Was kann meine Schule leisten?. Vortrag, Ruhr-Universität Bochum.

    Aktion Courage e.V. (o.j.). Netzwerk. Abgerufen am 14.04.2025 von Schule ohne Rassismus, Schule mit Courage. https://hfph.de/studierende/archiv-lehrveranstaltungen/wintersemester-2014-15/anthropozentrismus-wer-oder-was-zaehlt-in-der-ethik

    Fantini C. (2025). 2. Grundlagen zum Umgang mit soziokultureller Heterogenität in Schule. Vortrag, Universität Bremen.

  • RV01-Blogeintrag zum 07.04.2025

    1.0) Das Spannungsfeld zwischen Heterogenität und Homogenität ist im schulischen Kontext durchaus relevant. Besonders hervorzuheben erscheint mir in diesem Zusammenhang der Aspekt, dass Heterogenität niemals eine objektive Gegebenheit ist, sondern vielmehr in sozialen Kontexten konstruiert wird (vgl. Gomolla 2009, zit. in RV01, Folie 13). Mit dieser Betrachtungsweise bleiben Schulen und angewandte Praktiken nicht nur eine Reaktion auf Vielfalt, sondern werden zu aktiven Gestaltungsinstanzen, die aktiv Differenz und Ungleichheiten erschaffen oder verhindern können.

    Für die schulische Praxis ist dieser Aspekt insofern wichtig, als etwa Ungleichheit durch normative Vorstellungen von Homogenität in heterogenen Gruppen entstehen kann und durch standardisierte Curricula oder die Selektion von Kindern in verschiedene Schulformen nicht nur strukturierend im Hinblick auf das Ermöglichen von „Massenbeschulung“ (vgl. Hummrich 2016, S. 41) wirkt, sondern auch Vielfalt beschränken kann (vgl. Hummrich 2016, S. 40). Durch eine Aufteilung der Kinder werden also gesellschaftliche Vorstellungen von Homogenität reproduziert; so entsteht fast schon zwangsläufig eine Abspaltung von Menschen, die von „der Norm“ in bestimmten Kriterien abweichen (vgl. Hummrich 2016, S. 41). Dabei ist eine Diskrepanz zwischen dem Ideal der Chancengleichheit und der sozial-gesellschaftlichen Realität ungleicher Bildungsvoraussetzungen zu erkennen.

    1.1) Ein zweiter, ebenso zentraler Aspekt ist die „bewusste pädagogische Intervention“ (vgl. Helsper 2011, S. 108; RV01, Folie 12), um eine Gruppenbildung zu forcieren, die sich durch ein „Wir-Gefühl“ auszeichnet, bestehende Idealvorstellungen aufweicht und so als Gegenstrategie zu unbewussten Normen der Homogenisierung wirkt. Ziel dieser Intervention ist die Relativierung der sozialen Differenzen. Die Aufgabe der Lehrkräfte ist somit das gezielte Entgegenwirken von diskriminierenden oder ausschließenden Dynamiken und die inklusive Unterrichtsgestaltung, die Unterschiede nicht nur toleriert, sondern auch alle Kinder integriert.

    Helsper (2011) beschreibt diese Arbeit im Spannungsfeld zwischen widersprüchlichen Anforderungen und professioneller Urteilsfähigkeit als „pädagogische Professionalität“(vgl. Helsper 2011, S.275). Lehrkräfte sind also mit Differenzen und Vielfalt konfrontiert und müssen gleichzeitig Ordnung herstellen und mit Widersprüchen umgehen. Die bewusste Intervention ist demnach kein einmaliger Akt, sondern vielmehr eine kontinuierliche Aufgabe, die eine kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Haltung, den Bedürfnissen der Lernenden und bestehenden Idealvorstellungen erfordert.

    „Professionalität lässt sich demnach in und über die pädagogischen Beziehungen, über die Genese, Konsistenz, Kontinuität und Ausgestaltung der pädagogischen Interaktionen zwischen Professionellen und Kindern […] dokumentieren“ (Helsper 2011, S. 108)

     

    2.0) Den Aspekt der pädagogische Intervention konnte ich auch in meinem Praktikum bereits beobachten. In der Grundschule meines letzten Praktikums wurde beispielsweise durch das Abschaffen der Klassenstruktur für die ersten Wochen nach der Einschulung eine Art Großgruppe mit allen Kindern der ersten Klasse geformt, in der sich die Kinder, unabhängig von bestimmten Differenzen, kennenlernen konnten. In dieser Zeit fand kein direkter Unterricht statt, sondern es wurde Wert auf die Stärkung des Gemeinschaftsgefühls gelegt, dies geschah durch gemeinsame Spiel, gemeinsame Betreuungszeiten und das Aufheben von Barrieren zwischen den unterschiedlichen Räumen. Das Ziel dieser Phase ist es allen Kindern die Möglichkeit zu geben sich als Teil der Gemeinschaft der 1. Klasse zu fühlen. Auch wenn einige Kinder zunächst niemanden kannten, konnten sie sich durch die pädagogischen Maßnahmen mühelos in die Gruppe einfinden. Dieses Konzept wird auch nach der Einteilung der Kinder in Klassen durch beispielsweise gemeinsamen Sportunterricht oder gemeinsame Ausflüge fortgeführt, so entsteht ein Klassenübergreifendes Gemeinschaftsgefühl der Kinder in dem Differenzen keine Rolle spielen.

    Meine Schulzeit war stark von gezielten pädagogischen Interventionen geprägt. Dabei wurden Schülerinnen und Schüler von den Lehrkräften bewusst in leistungsstärkere und leistungsschwächere Gruppen eingeteilt, woraufhin der Unterricht entsprechend differenziert gestaltet wurde. Kinder mit geringerer Leistungsfähigkeit arbeiteten in Einzel- oder Kleingruppen auf den Fluren an gesonderten Aufgaben, während der übrigen Klasse ein vertiefter, differenzierter Unterricht im Klassenraum angeboten wurde. Auf diese Weise entstand eine bewusst herbeigeführte „Zwei-Klassen-Gesellschaft“ innerhalb der Lerngruppe.

    Obwohl sich diese Trennung – soweit ich mich erinnere – nicht unmittelbar auf das soziale Miteinander in der Klasse auswirkte, hatte sie dennoch spürbare Folgen auf die fachliche Entwicklung. Leistungsschwächere Kinder wurden thematisch zunehmend abgehängt, was langfristig zu einer weiteren Verschärfung der ohnehin bestehenden Leistungsunterschiede führte.

     

    3.0) Beobachtungsaufgabe:

    Achten Sie im Unterrichtsalltag und im schulischen Miteinander  auf Situationen in denen Unterschiede zwischen den Schüler*innen betont oder revidiert werden. Achten Sie auch, auf Situationen in denen Vielfalt adressiert wird und notieren Sie, auf welche Weise diese angesprochen werden (z. B. sprachlich, organisatorisch, Didaktisch) und inwiefern dabei differenzierende Tendenzen zu erkennen sind. Welche Normativen Vorstellungen von „Normalität“ liegen den jeweiligen Situationen zugrunde.

     

    Hummrich, M. (2016) Homogenisierung und Heterogenität. Die erziehungswissenschaftliche Bedeutung eines Spannungsverhältnisses. In: Tertium comparationis 22.  Münster, New York: Waxmann Verlag GmbH. S. 39-58

    Helsper, W. (2011) Pädagogische Professionalität. In: Zeitschrift für Pädagogik (S. 104- 121). Weinheim: Beltz.

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