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Abschlussreflektion

Die Heterogenität von Schüler*innen und deren Bedeutung für Schule und Unterricht ist ein Thema, mit dem ich erst zu Beginn des Studium überhaupt in Berührung gekommen bin. Diese Ringvorlesung hat mir ein Verständnis davon vermittelt, wie wichtig und wie allgegenwärtig das Thema in Schule ist und auch welche Herausforderungen es für uns zukünftige Lehrer*innen birgt.

Die Heterogenitätskategorie Gender wurde in mehreren Vorlesungen thematisiert und ging meist damit einher, dass stereotypische Vorstellungen zu einer Verringerung von Schulerfolg von Schüler*innen führen können. Sehr deutlich ist das u.a. in der Vorlesung von Frau Hollerweger geworden, in der es um die Schwierigkeiten von Jungen beim Erwerb der Lesekompetenz ging. Dass eine durch weiblichen Vorbilder geprägte Lesepraxis dazu führt, dass das Lesen als weiblich wahrgenommen wird und bei Jungen dazu führen kann, dass sie ihre eigene Lesekompetenz nicht nur geringer einschätzen sondern in Tests sogar schlechter abschnitten (vgl. Muntoni, 2019), hat mich doch sehr nachdenklich gemacht. Dieses Phänomen, das laut Frau Hollerweger Psychologen als „Bedrohung durch Stereotype“ nennen, macht deutlich wie vielfältig die Faktoren sind, die einen Einfluss auf das Lernen haben. Da ich Deutsch studiere, wird der gendersensible Literaturunterricht ein Thema sein, in dass ich mich in meiner praktischen Zukunft intensiver einarbeiten möchte. Auch in der Vorlesung von Frau Murmann wird die Genderdimension zum Thema gemacht. Hier möchte ich als konträres Beispiel zur Lesesozialisation die Selbstwahrnehmung von Mädchen in Bezug auf ihre technische Kompetenz aufgreifen. Es wird darauf hingewiesen, dass bereits bei Grundschulkindern durchaus stereotypische Rollenbilder bestehen und dass der Sachunterricht, dieses Fach studieren ich nicht, laut des Perspektivrahmens Sachunterricht von 2013 die Aufgabe hat: „(…) Schülerinnen und Schüler darin zu unterstützen, ihre (…)

Technische Umwelt sachbezogen zu verstehen, (…) zu erschließen und sich darin zu orientieren, mitzuwirken und zu handeln.“ (Perspektivrahmen, 2013) So wie bei der Lesekompetenzvermittlung an Jungen im Deutschunterricht hat der Sachunterricht die Aufgabe gendersensibel Kompetenzförderung u.a. in den Bereichen Naturwissenschaft und Technik zu vermitteln und die Selbstwirksamkeitserwartung zu fördern (vgl. Franz, 2008).

Ein weiteres Thema, dass ich sehr wichtig finde, ist die Mehrsprachigkeit und der Umgang damit in Schule. „[T]he bilingual is NOT the sum of two complete or incomplete monolinguals“ (Grosjean 1989: 3). Das bedeutet nach Frau Professor Daase, dass es keine doppelte Einsprachigkeit gibt, sondern dass die Sprachen eines Menschen zusammen ein individuelles sprachliches Repertoire bilden. Und genau so sollte Sprache in der Schule verstanden werden. Glücklicherweise gibt es an immer mehr Schulen auch die Möglichkeit des Unterrichts in einer anderen Erstsprache als Deutsch, weil man davon ausgeht, der konzeptionelle Erstspracherwerb hilfreich für den Erwerb einer weiteren Sprache ist. An zwei unterschiedlichen Schulen, habe ich zwei vollkommen gegensätzliche Umgänge mit einer anderen Erstsprache als Deutsch erlebt. Das Negativbeispiel ereignete sich während der Organisation einer Projektwoche über die Kontinente, in der unterschiedliche Sprachen vorgestellt werden sollten. Als ein Schüler voller Stolz „Arabisch“ vorschlug, weil das die Sprache seiner Eltern ist, hat die Lehrerin das abgelehnt. Ihrer Kollegin hat sie dann hinter vorgehaltener Hand dazu gesagt: „Genau, Arabisch das hätte er wohl gerne, wir nehmen Französisch.“ Dieses Beispiel zeigt, dass Sprachen einen unterschiedlichen Wert haben bzw. so wahrgenommen werden. In diesem Fall hat die Lehrerin die Französische Sprache höherwertig eingestuft hat als die Arabische Sprache. Glücklicherweise hat sie das dem Kind gegenüber nicht so deutlich gemacht, dennoch eine tolle Chance verpasst, das Kind positiv zu bestärken und es in seinem Wunsch zu unterstützen, damit das Kind die Erstsprache der Eltern positiv besetzen kann was sich wiederum positiv auf sein Selbstwertgefühl hätte auswirken können. Dies geschieht sicherlich nicht, wenn die Vorschläge einfach abgeschmettert werden. An meiner Praktikumsschule war es komplett anders, hier wird beispielsweise Türkischunterricht angeboten, um die Kinder mit türkischen Wurzeln in ihrer Sprachentwicklung adäquat zu fördern und ihnen damit ebenfalls einen stabilen Zweitspracherwerb im Deutschen zu ermöglichen.

 

Meines Erachtens haben stereotypische Vorstellungen über Schüler*innen in Schule immer noch einen starken Einfluss auf das Handeln von Lehrer*innen, denn auch im Orientierungspraktikum kam deutlich heraus, dass diese typisch-Mädchen/ typisch Jungen-Vorstellungen und die damit einhergehende Beurteilung von Handeln der Schüler*innen häufig zu beobachten ist. Damit ist beispielsweise gemeint, wenn Jungen im Stuhlkreis miteinander sprechen, dann wird es häufig sofort als eine Störung des Gesprächskreises deklariert und es werden sofort Sanktionen angedroht, während das Sprechen unter Mädchen häufig als „tuscheln“ bewertet und erst mehrmals ermahnt wird bevor Konsequenzen folgen. Das negativste Beispiel ist mir im Gespräch mit einer pädagogischen Mitarbeiterin begegnet, in dem sie über einen Jungen mit länger als schulterlangen Haaren urteilte, dass er die langen Haare nur tragen würde, weil er sich damit wichtig machen möchte und dass es unmöglich sei für einen Jungen so lange Haare zu tragen. Diesen Jungen hatte sie schon länger als „Störenfried“ ausgemacht und dieses „nicht genderkonforme Aussehen“ verstärkte ihr Urteil über diesen Schüler nur noch.

Ansonsten habe ich den Umgang mit Heterogenität in der Schule so erlebt, dass sie im Grunde nicht als Gewinn, sondern als Belastung von Lehrer*innen wahrgenommen wird, da eine differenzierte Unterrichtsvorbereitung eines höheren Aufwands bedarf. Diese Differenzierung ist wiederum nur Mittel zum Zweck die unterschiedlichen Grundvoraussetzungen der Schüler*innen auszugleichen, um sie schlussendlich so nahe wie Möglich an den Regelstand zu führen, was m.E. wiederum nur das Ziel verfolgt, eine homogene Schülerschaft herzustellen. Der Heterogenitätsgedanke macht nach meinem Verständnis in erster Linie dann Sinn, wenn die Unterschiede der Schüler*innen wahrgenommen und wertgeschätzt werden, so dass jeder einzelne Schüler, jede einzelne Schülerin die eigenen Stärken wahrnehmen kann, um daran zu wachsen. Aber das kann nur funktionieren, wenn man Schule auch diesen Spielraum zugesteht. In unserem Grundschulsystem, in dem nach dem ersten Halbjahr in Klasse 4 die Selektion für die weiterführenden Schulen ansteht, befindet sich zwangsläufig die defizitorientierte Wahrnehmung von Schülerleistungen im Fokus, was m.E. wenig mit Wertschätzung zu tun hat und für die psychologische Entwicklung der Kinder durchaus problematisch sein kann.

 

Sicherlich gibt es auch nach dieser Veranstaltung noch viele unbeantwortete Fragen, wie die Umsetzung all dessen als einzelne Lehrkraft mit ca. 24 Kindern. Wie nimmt man Heterogenität und die daraus resultierenden Bedürfnisse der Schüler*innen im Schulalltag adäquat wahr? Welche Diagnoseverfahren gibt es? Und vor allem, wie kann Förderung in einem Schulsystem dargestellt werden, das (zumindest nach den Erfahrungen aus dem Orientierungspraktikum) von Zeit- und Ressourcenknappheit geprägt ist, von Ansprüchen der Eltern und den Bedürfnissen der Schüler*innen, die häufig gar nicht auf Schule ausgerichtet sind? Ganz zu schweigen von den Ansprüchen der Kolleg*innen und der Schulleitung.

Dennoch waren die Einblicke in die verschiedenen Heterogenitätsdimensionen für mich sehr hilfreich und werden einen großen Einfluss auf meine weiteren Erfahrungen in der Praxis in Schule haben.

Ein weiteres Thema zu dem ich mehr erfahren möchte, ist der Bereich der Inklusion. Wenn man inklusive Pädagogik nicht studiert, ist der Input zu diesem Thema sehr gering.

 

Literatur:

Franz, Ute 2008: Lehrer- und Unterrichtsvariablen im naturwissenschaftlichen Sachunterricht. Eine empirische Studie zum Wissenserwerb und zur Interessenentwicklung in der 3. Jahrgangsstufe. Bad Heilbrunn: Klinkhardt.

Grosjean, Francois (1997): The Bilingual Individual. In: Interpreting2, 163‐187.

Muntoni, Francesca & Retelsdorf, J. (2019). At their children’s expense: How parents’ gender stereotypes affect 
their children’s reading outcomes. Learning & Instruction, 60, 95-103.

Perspektivrahmen Sachunterricht, 2013

 

 

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Mehrsprachigkeit als Ausgangspunkt und Ziel schulischer Bildung

 

  1. In der Lehrer*innenkonferenz diskutieren Sie die Empfehlungen für die jeweilige weiterführende Schule der einzelnen Schüler*innen. Für einen Schüler, der vor zwei Jahren nach Deutschland und nach einiger Zeit in der Vorklasse in Ihre Klasse gekommen ist, soll – lediglich aufgrund seiner Deutschkenntnisse – von einer Empfehlung für das Gymnasium abgesehen werden. Nehmen Sie auf Basis der Inhalte der Vorlesung Stellung dazu.

Diese Entscheidung hat m.E. zwei Seiten. Natürlich hat die Sprachkompetenz eines Kindes erst mal nichts mit seiner Lernfähigkeit zu tun. D.h. es gibt keinen Grund einem Kind, dass der deutschen Sprache (noch) nicht mächtig ist, ansonsten aber alle Kompetenzen mitbringt, den Zugang zum Gymnasium zu verweigern.

Im Zweiten Schritt muss man sich allerdings schon die Frage stellen, ob man einem Kind damit einen Gefallen tut, weil natürlich die schulische Belastung immens steigt, wenn man die Unterrichtssprache nur unzulänglich beherrscht. Das Tempo im Gymnasium ist in der Regel so angelegt, dass die Schülerinnen und Schüler bereits gut ausgelastet sind, wenn sie der deutschen Sprache mächtig sind und dem oben beschriebenen Kind bereits 3-4 Jahre Bildungssprache der Grundschule voraus haben. Der Leistungsaufwand, den eine Kind unter den oben genannten Voraussetzung erbringen muss, ist immens. Bei meinen eigenen Töchtern habe ich sowohl in der 5. Als auch in der 8. Klasse erlebt, dass jeweils ein Kind vom Gymnasium auf die Oberschule gewechselt ist, weil der Aufwand zu hoch war.

Im Sinne des Kindes muss man diese Entscheidung gut abwägen und vor allem auch auf vorhanden zusätzliche Sprachförderungsprogramme schauen, die es evtl. gibt. M.E. reicht es nicht ein Kind mit Flüchtlingserfahrung auf Gymnasium zu schicken und dann „abzuwarten wie es sich so macht“, sondern es bedarf einer engmaschigen Betreuung und einer intensiven Unterstützung im Deutschen.

  1. Welche Erfahrungen mit Mehrsprachigkeit – in der hier verstandenen breiten Sicht – in Schule und Unterricht (selbst als Schüler*in und/oder Praxiserfahrungen) haben Sie bislang gemacht? Diskutieren Sie die Erfahrungen vor dem Hintergrund dieser Vorlesung

In der Grundschule, in der ich mein Orientierungspraktikum gemacht habe, gab es zahlreiche Kinder, die eine weitere Sprache gesprochen haben, es in ihren Kompetenzen jedoch keine gravierenden Unterschiede zu ihren monolingualen deutschen MitschülerInnen gab. Leider hatte ich in der Klasse noch nicht den Fokus auf Mehrsprachigkeit und habe die SchülerInnen diesbezüglich nicht befragt, aber ich vermute, dass sie alle mindestens seit dem Kindergarten Deutsch gelernt haben oder einen deutschsprachigen Elternteil haben und Deutsch auch Erstsprache war.

Drei Kinder mit einem Flüchtlingshintergrund waren ebenfalls in der Klasse, die waren jedoch den Vormittag über im Deutschkurs und wenn sie in der Klasse waren, wurden sie mit einer Förderkraft separat unterrichtet, so dass es für mich nicht deutlich geworden ist, inwiefern der Umgang mit ihren Herkunftssprachen war.

 

  1. Was möchten Sie nach dem Besuch dieser Vorlesung bei Ihrer zukünftigen Unterrichtsgestaltung beachten? Welches Wissen und welche Fähigkeiten fehlen Ihnen dafür noch?

Auf jeden Fall möchte ich offen sein für Mehrsprachigkeit meiner zukünftigen Schülerinnen und Schüler und diese wertschätzen. Und genauso wie eine Lernbeeinträchtigung es fordert, möchte ich auch berücksichtigen wenn Kinder mit Deutsch als Zweitsprache in die Schule kommen.

Die Beispiele aus der Vorlesung über die Kinder mit einem Flüchtlingshintergrund, die über Sprachen hinweg kommuniziert haben und sich andere Sprachen erschlossen haben, aufgrund ihrer Sprachvorkenntnisse finde es äußerst interessant. Auf diesem Gebiet würde ich mich gern einlesen.

  1. Wie muss Schule unserer mehrsprachigen Gesellschaft gestaltet sein. Welche Rahmenbedingungen müssen gegeben sein, damit Sie die Mehrsprachigkeit Ihrer Schüler*innen einbeziehen und einen registersensiblen Fachunterricht gestalten können?

Sicherlich müssten mehr Mittel in separate Sprachkurse fließen, um die Erstsprachen von Mehrsprachigen Kindern zu fördern, um dadurch auch das Erlernen der Zweitsprache Deutsch stärker zu fördern („time on Task-Hypothese“, Hopf, Esser).

Mehrsprachigkeit in der Schule sollte m.E. als Ressource verstanden werden und mehr Wertschätzung erfahren, statt das Sprechen der Erstsprache zu unterdrücken oder gar zu verbieten. Solche Regeln leisten der Negierung einer Erstsprache Vorschub und führen dazu, dass das Selbstbewusstsein der Kinder darunter leidet. Man könnte sogar soweit gehen, dass das zu Identitätskonflikten führen kann, wenn die Familiensprache in der Schule unterdrückt wird.

Auf der anderen Seite wäre die Wertschätzung einer anderen Erstsprache als dem Deutschen eine tolle Möglichkeit das Selbstbewusstsein von Kindern zu stärken, wenn man ihre Mehrsprachigkeit auch positiv als Ressource betrachtet, auch wenn sie dadurch in der Sprache Deutsch im Gegensatz zu ihren Altersgenossen evtl. noch Lücken aufweisen. Hierbei sollte ebenfalls sehr darauf geachtet werden Unterschiede zwischen verschiedenen Sprachen zu machen. Allgemein genießen Sprachen wie Französisch oder Englisch ein hohes Ansehen, während Türkisch oder Kurdisch nicht so hoch angesehen werden. Solche Ansichten findet man leider auch in Schule wieder.

 

Außerdem müsste man den Kindern, die Deutsch als Zweitsprache lernen, generell mehr Zeit einräumen, so wie man es mit leistungsschwächeren Kindern macht, was natürlich leichter gesagt als in der Praxis umsetzbar ist.

Ein wirklicher Fortschritt wäre es wenn Schülerinnen und Schüler ihre Erstsprache auch verwenden dürften, um sich Wissen anzueignen, sprich wenn man vielleicht ein Deutsches Wort nicht parat hat, einfach auch das entsprechende Wort einer anderen Sprache verwenden dürfen. Auch das sich Kinder in einer anderen Sprache gegenseitig unterstützen dürfen, wenn es Verständnisprobleme gibt.

Wenn man einmal einen Perspektivwechsel vornimmt und sich selbst oder die eigenen Kinder in einem anderen Land vorstellt und wie wertvoll wir es empfinden würden, wenn wir die Möglichkeit bekämen unsere Sprache in den Lernprozess einbeziehen zu dürfen, um eine andere Sprache zu lernen. Allein die Sicherheit, die einem die eigene Sprache gibt, lässt uns viel selbstbewusster eine neue Sprache lernen.

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Integrierte Frühförderung von Sprache und Mathematik

  1. Inwiefern lässt sich das vorgestellte Förderkonzept für die Kita auf den schulischen Kontext übertragen? Wo rechnen Sie mit Problemen und wie könnten Sie diesen begegnen?

Ich würde sogar soweit gehen, dass ein solches Förderkonzept in der Grundschule nicht nur eventuell durchführbar wäre, sondern dass es flächendeckend in die Grundschule gehört. Sicherlich versuchen die Lehrerinnen und Lehrer mit einem großen Angebot an Spielen und Büchern, die es sicherlich in jeder Schule und in jedem Klassenraum gibt, eine solche Förderung anzubieten, dennoch ist ein wichtiger Aspekt an diesem Projekt die Aufklärungsarbeit in Bezug auf die Eltern. Ich bin überzeugt, dass sich sehr viele Eltern über ihre Beteiligung an der schulischen Entwicklung und am Schulerfolg mitnichten bewusst sind. Dazu kommt ein eventueller Mangel an Hilfsmitteln, denn gerade Spiele und Bücher sind mitunter sehr teuer und können dementsprechend bei sozial benachteiligten Familien nicht an erster Stelle stehen. Insofern halte ich das Enter-Programm für ein gut durchdachtes Konzept, da es nicht nur auf Aufklärung und Partizipation der Eltern sondern auch Bereitstellung von Materialien setzt. Aufgrund der demographischen Entwicklung ist prognostizierbar, dass es zukünftig eine weiter ansteigende Anzahl von Kindern in  Grundschulen geben wird, deren Muttersprache nicht Deutsch ist.

Probleme könnten sich möglicherweise durch den zusätzlichen Zeitaufwand ergeben der mit  solch einem Projekt einherginge. Im Kindergarten ist das eher unproblematisch, in der Grundschule ist allerdings ein Stundenplan vorgegeben, der die Umsetzung einschränkt. Auch die Partizipation der Eltern ist wahrscheinlich eher eine Herausforderung, die nicht ganz leicht zu realisieren sein dürfte. Aber wenn man diese Mühen nicht scheut, könnte ich mir durchaus vorstellen, dass das Projekt einen signifikanten Einfluss auf den Schulerfolg einiger Kinder haben kann.

  1. Konkretisieren Sie die verschiedenen Funktionen der Sprache jeweils an einem konkreten Beispiel in einem Ihrer Unterrichtsfächer.

Kommunikative Funktion von Sprache dient dem Aufbau und der Erweiterung des Wortschatzes. Wenn Kinder sprachlich interagieren, dann lernen sie sukzessive die Konzeption einer Sprache, was wiederum Grundlage für das Erlernen der Schriftsprache ist. D.h. je mehr Anregungen in Form von Sprachanlässen geschaffen werden, desto eher können die kommunikativen Fähigkeiten ausgebaut werden, die wiederum Grundlage für den Ausbau kognitiver Fähigkeiten darstellen.

Die expressive Funktionen von Sprache findet man im Deutschunterricht beispielsweise, wenn es darum geht von Ereignissen zu berichten, wie Wochenend- oder Ferienerlebnissen. Hierbei berichten die Schülerinnen und Schüler über etwas das nur sie erlebt haben, was aber wiederum in einer Art und Weise erzählt werden muss, dass es auch die anderen Schülerinnen und Schüler verstehen und nachvollziehen können. Dies kann in der Alltagssprache geschehen, wenn es mündlich vorgetragen wird. Durch das Selbsterzählen aber auch das Zuhören werden die sprachlichen Fähigkeiten trainiert und erweitert.

Kognitive Funktion der Sprache

Sprache und Kognitive Prozesse beeinflussen sich gegenseitig. Daraus resultiert wiederum, dass die sprachlichen Kompetenzen nicht nur Grundlage für fachliches Lernen sind, sondern ebenfalls in dessen Rahmen gefördert werden müssen. Beispielsweise im Mathematikunterricht spielt die Sprache eine entscheidende Rolle. Aufgaben werden in der Regel nicht ohne schriftliche Erläuterungen gestellt. Darüber hinaus nehmen Sachaufgaben einen großen Raum im Mathematikunterricht ein. D.h. Erfolg im Mathematikunterricht hängt entscheidend von der Sprachkompetenz, vor allem von der (sinnentnehmenden) Lesekompetenz ab.

  1. Formulieren Sie zwei Beobachtungsfragen zum Thema Sprachförderung im fachlichen Kontext für kommende Praktika.

Additive vs. Integrative Sprachförderung- welche Form führt zu größerem Schulerfolg oder ist das individuell unterschiedlich?

Ist der Lernerfolg von Kindern mit Deutsch als Zweitsprache größer, wenn sie zusätzlich Sprachunterricht in ihrer Erstsprache bekommen?

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Kognitive Heterogenität

  • Erläutern Sie den Einfluss von Intelligenz und Vorwissen auf den Lernerfolg. In welchem Verhältnis stehen diese beiden Heterogenitätsdimensionen? Und was muss man tun, um ihren jeweiligen Einfluss empirisch zu untersuchen?

Die beiden Heterogenitätsdimensionen Intelligenz und Vorwissen haben beide einen Einfluss auf den Lernerfolg, wie das Beispiel mit der Fußballgeschichte deutlich zeigt. Wenn man davon ausgeht, das komplexe Erfahrungsumwelten die Intelligenz ausbilden, dann gilt das neben Familie, Nachbarschaft, Peer group auch für den Kontext Schule. Die Rahmenbedingung für die Intelligenzentwicklung ist somit durch den Schulbesuch bereits gegeben. Zusätzlich Faktoren die bei Kindern variieren, sind die Mitwirkung des Kindes an der eigenen Intelligenzentwicklung durch die Reaktionen, die sie bei ihrer Umwelt auslösen und der Wahl der Umgebung. Hinzu kommen die genetischen Merkmale, die ein Kind mitbringt und ebenfalls das Vorwissen, dass je nach sozialen und ökonomischen Merkmalen des Elternhauses stark variieren kann.

Zum Verhältnis dieser beiden Heterogenitätsfaktoren ist zu sagen, dass nach dem Beispiel mit der Fußballaufgabe das Vorwissen einen entscheidenden Faktor darstellt. Denn wenn ein Kind, dass sonst eher schwache Leistungen zeigt, durch die Wahl eines Themas für das er sich interessiert und an das er inhaltlich anknüpfen kann mit einem Mal eine sehr gute Leistung zeigt, dann bedeutet das m.E., dass die Motivation einen entscheidenden Beitrag zum Lernerfolg beiträgt. Was durch die schlechtere Leistung einer sonst Leistungsstarken Schülerin nur bestätigt wird. Da sie das Thema nicht angesprochen hat und sie keinen Bezug dazu hat, ist es zu einem ihrer sonstigen Leistungen abfallenden Ergebnis gekommen.

  • (Wie) sind Sie bisher mit dem (heterogenen) Vorwissen Ihrer SuS umgegangen? Und: Welche (evtl. negativen) Erfahrungen haben Sie schon mit mangelnder Kenntnis oder falschen Annahmen über den (Vor‐)Wissensstand Ihrer SuS gemacht?

Während meines Orientierungspraktikums habe ich einen kleinen Einblick davon bekommen wie man mit der Heterogenität von Kindern umzugehen hat. So wurden beispielsweise im Fach Mathematik Aufgabenstellungen auf drei unterschiedlichen Niveaustufen erstellt. Differenzierungsmerkmale waren hier: die vorgegebene Zeit, Anzahl der Aufgaben und Einschränkung des Zahlenraums.

Im Fach Deutsch wurde ebenfalls Differenziert, jedoch fand die Differenzierung hier eher darin statt, dass Förderkinder aus dem Regelunterricht herausgenommen wurden und in Kleingruppen oder allein mit mir oder einer „Förderlehrerin“ vereinfachte Übungen durchgeführt haben. Meines Erachtens trat in diesen Fällen nicht die Problematik der Unterforderung auf, sondern der Bedarf der Schüler*innen wurde realistisch eingeschätzt und die Maßnahmen haben Wirkung erzielt.

  • Einige Befunde der heutigen Sitzung waren für Sie möglicherweise überraschend. Oder Sie sehen einige der Forschungsergebnisse kritisch in Bezug auf Schule und Unterricht. Welche Forschungsfragen ergeben sich daraus (z.B. für Ihr nächstes Praktikum)? Und wie können Sie diese Fragen beantworten?

Die Beantwortung der ersten Frage legt natürlich schon den Schluss nahe, dass die Themen, auf die sich das Unterrichtsmaterial bezieht einen entscheidenden Einfluss auf den Lernerfolg von Schüler*innen haben.

Dem entsprechend wäre eine Fragestellung: Lässt sich der Lernerfolg von Schüler*innen verbessern, wenn man sie selbst die Themen z.B. eines Aufsatzes wählen lässt?

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Heterogenitätskategorie Gender

Erläutern Sie das in der Vorlesung thematisierte Spannungsfeld zwischen Inszenierung und Zuschreibung in Bezug auf Genderdynamiken und -pädagogik in der Schule.. Nehmen Sie dafür Bezug auf die in der Vorlesung genannten theoretischen Ansätze.

Kinder kommen mit bestimmten Rollenvorstellungen in die Schule, die sie von Zuhause, aus der Kita und/oder aus der Gesellschaft (Freunde, nachbarliches Umfeld, Medienkonsum) mitbringen. Diese Rollenzuschreibungen (Jungs sind stark, weniger emotional, weniger fleißig und weniger ordentlich, während Mädchen sozial kompetent, angepasst, fleißig sind…)

Diese Rollenbilder werden unterbewusst durch die Erziehung unterstützt, indem man Mädchen länger emotionale Aufmerksamkeit schenkt und ihnen häufig einen kleineren Aktionsradius gewährt, sie vorsichtiger sein müssen und man mit ihnen vorsichtiger ist, weil sie sich z.B. verletzen könnten.

Jungen lässt man schneller von der „emotionalen Leine“, weil man ihnen als Eltern oft zuschreibt, dass sie die emotionale Zuwendung nicht in dem Maß brauchen und wollen wie Mädchen. Es ist eher erwünscht, dass sie abenteuerlustig sind, auf Bäume klettern und wilder sind etc., weil Jungen eben so sind. Tatsächlich sind es aber nicht die Kinder, die diese Vorstellungen einfordern, weil es ihrer Natur entspricht, sondern sie entwickeln sich so, weil das Umfeld ihnen diese Vorstellungen zuschreibt.

In Bezug auf Schule sehen diese Rollenzuschreibungen leider häufig so aus, dass Mädchen die fleißigen, ordentlichen, ruhigen, vernünftigen sind, während Jungen häufiger stören, unordentlicher sind und ihre schulischen Leistungen hinter denen der Mädchen anstehen, obwohl es faktisch gar nicht so ist und vor allem nicht so sein muss.

Hier greift die gendersensible Pädagogik, indem sie in der Schule nicht das Mädchen oder den Jungen, sondern das Individuum sieht und sich an den Ressourcen und nicht an den Defiziten der Kinder orientiert. Schule sollte nicht die Vorstellungen von Rosa und Blau, starkes und schwaches Geschlecht reproduzieren, sondern im Gegenteil verdeutlichen, dass allen Menschen alle Emotionen zustehen und dass in Bezug auf Unterricht Mathematik und Naturwissenschaften für Mädchen genauso so interessant sein können und Jungen natürlich auch gut lesen können. Jedes Kind hat seine eigenen Stärken und Schwächen und die gilt es herauszufinden und zu fördern und zu fordern.

 

Reflektieren Sie ihre bisherigen Praxiserfahrungen aus der eigenen Schulzeit und ersten Praktika zum schulischen „Genderplay“, möglichst unter Bezugnahme auf mindestens ein anderes Heterogenitätsfeld der Ringvorlesung, wie Sprache, soziokultureller Background, Leistung, Inklusion.

Im Vergleich zu meiner eigenen Schulzeit (Einschulung 1984), in der ich beispielsweise als fußballinteressiertes und-spielendes Mädchen eine ziemliche Außenseiterin war und sich Leistungsstärke auf das Gros der Mädchen, aber nur auf einen Bruchteil der Jungen bezog, hat sich im Vergleich zu den Kindern, die ich im Orientierungspraktikum kennen gelernt habe vieles verändert. Zwar haben die Jungen immer noch gerauft, gestört und sich aufgespielt, aber die meisten Mädchen standen ihnen in nichts nach. Und natürlich waren die Mädchen im Schriftbild eher ordentlich und die Mehrzahl war im Unterricht aufmerksam, aber diese Zuschreibungen hat man genauso bei den Jungen der Klasse gefunden. Insgesamt hatte ich den Eindruck, dass sich die Verhaltensweisen der Kinder eher angeglichen haben.

Von Seiten der Lehrkräfte wird auch versucht auf das Individuum zu schauen, und Formulierungen wie: „welche zwei starken Jungen können mir beim tragen helfen“, die in meiner Schulzeit selbstverständlich waren, sind mir im Praktikum nicht mehr begegnet. Da wo das Geschlecht allerdings eine Rolle spielt und das ist meines Wissens an beinahe jeder Grundschule so, ist bei der Sitzordnung. Hier scheint sich der positive Effekt der Junge/Mädchen-Paarbildung durchgesetzt zu haben.

 

Formulieren Sie eine Beobachtungsaufgabe für kommende Praktika zum Thema „gendersensible Pädagogik“, auch hier möglichst unter Bezugnahme auf mindestens ein anderes Heterogenitätsfeld der Ringvorlesung, wie Sprache, soziokultureller Background, Leistung,

Inklusion, um deutlich zu machen, dass die Kategorie Gender nicht für sich steht, sondern andere Dimensionen von Heterogenität oftmals wesentlich mit beeinflusst.

Ohne eine ausgereifte Forschungsfrage formulieren zu können, würde ich die Beobachtungsaufgabe sehr interessant finden, wie Lehrkräfte mit dem Spannungsfeld von Rollenvorstellungen geflüchteter Kinder bzw. Kindern aus traditionell geprägten Elternhäusern mit einem Migrationshintergrund und dem Erziehungsauftrag den Kindern die Gleichberechtigung von Mann und Frau in unserer Gesellschaft zu vermitteln.

Diese Frage resultiert ebenfalls aus den Praktikumserfahrungen in einer dritten Klasse. Dort gab es drei Flüchtlingskinder, zwei Jungen und ein Mädchen, mit denen ich regelmäßig Übungen außerhalb des Klassenverbands gemacht habe. Sehr schnell wurde deutlich, dass alle Kinder bereits ein sehr verfestigtes Rollenverständnis verinnerlicht hatten, dass bei dem Mädchen dazu führte, dass sie wenig oder gar keine Zeit für die Schulaufgaben und Übungen Zuhause aufwenden durfte, weil sie im Haushalt helfen musste und dementsprechend z.B. Diktate ungeübt schreiben musste, was bei den Jungen nicht so war.

Auch war für die Jungen selbstverständlich, dass sie z.B. Antworten vor dem Mädchen geben durften. Da ist über die Vermittlung des eigentlichen Stoffes hinaus noch viel zusätzliche Arbeit bzgl. politischer und gesellschaftlicher Bildung zu leisten, die nicht zu unterschätzen ist.

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Heterogenität im naturwissenschaftlichen Unterricht

Im Rahmen eines Projekttages dürfen die Schüler*innen der 3b
wählen, ob sie lieber Naturgegenstände sammeln und damit ein Wald-Mandala gestalten oder aber in Bäumen aufgehängte Nistkästen abhängen und reparieren möchten. Sandra interessiert sich mehr für die Nistkästenaufgabe, wählt aber wie die meisten anderen Mädchen der Klasse das Mandala-Vorhaben. Finden Sie mögliche Erklärungen für diese Entscheidung vor dem Hintergrund der „grundlegenden psychologischen Bedürfnisse“ nach Deci und Ryan (1993).

Nach Deci und Ryan zählen zu den Bedürfnissen, die das Interesse bestimmen, neben dem Kompetenzerleben und der Autonomie auch die soziale Eingebundenheit, was nach Maltzahn bedeutet, dass das in seiner Umgebung akzeptiert und anerkannt sein möchte. Da nun in dem Klassenbeispiel darauf hingewiesen wurde, dass die meisten Mädchen sich für das Mandalabasteln entschieden haben, kann man davon ausgehen, dass dieser Aspekt für die Schülerin Sandra den größten Ausschlag für ihre Wahl gegeben hat. So war es ihr wichtiger, dass sie sich für das gleiche Projekt entscheidet wie die meisten anderen Mädchen, als das Kompetenzerleben, dass sie vielleicht erlebt hätte, wenn sie sich für das andere Projekt entschieden hätte.

Welche didaktischen Entscheidungen konterkarieren in dieser
Situation (paradoxer Weise?) für den Großteil der 3b die Förderung vielfältiger Interessen?

– Die freie Wahl

– Die offene Wahl, die evtl. eine vorherige Diskussion zw. SchülerInnen zugelassen und damit möglich gemacht hat, dass sich die Kinder gegen ihre eigenen Interessen entscheiden.

– Keine vorherige Gesprächsaufnahme, in der man den Kindern hätte raten können, auch einmal etwas auszuprobieren, was sie sich eigentlich nicht zutrauen.

Eine Kollegin berichtet im Lehrer*innenzimmer, dass sie im
Werkunterricht bei Partnerarbeiten meist Junge/Mädchen kombiniert, um Kompetenzunterschiede auszugleichen. Kommentieren Sie diesen Ansatz mit Blick auf verschiedene denkbare Ausprägungen technikbezogener Selbstkonzepte der Schülerinnen und Schüler.

Auch die Kombi Junge/Mädchen kann zu einer Bündelung von Kompetenzen oder Nichtkompetenzen führen. Nicht jeder Junge ist Kompetent und Interessiert an Technik und nicht jedes Mädchen ist es nicht.

Denkbar wäre vielleicht auch noch, dass das die alten Rollenmuster verstärkt: ein Mädchen braucht die Unterstützung eines Jungen wenn es um Technik geht und für die Jungen ebenfalls die latente Erwartungshaltung, ich muss dem Mädchen jetzt helfen, es geht um Technik. Für Jungen, die nicht technikaffin sind, kann das einen Erwartungsdruck darstellen.

Sie möchten eine Bachelorarbeit zu gendersensiblem Sachunterricht schreiben. Formulieren Sie eine mögliche Forschungsfrage hierzu und erläutern Sie, inwiefern Unterrichtsbeobachtungen oder Befragungen von Schüler*innen bzw. Lehrer*innen für Ihre Bearbeitung der Forschungsfrage hilfreich sein könnten.

Mögliche Forschungsfrage: Kann ein sprachsensibler und gendersensibler Sachunterricht tatsächlich das naturwissenschaftliche Interesse von Mädchen in der Grundschule grundlegend beeinflussen?

Hier könnte man Vergleichsstudien machen, während eine Gruppe Standardaufgabenstellungen bearbeitet, kann man diese für eine zweite Gruppe sprach- und gendersensibel aufbereiten, um Anhand der Ergebnisse einen Einfluss der Sprache nachzuweisen oder eben nicht. Im Nachgespräch mit den SchülerInnen besteht die Möglichkeit zu ergründen, warum welche Aufgabenstellungen zu welchen Ergebnissen geführt haben. Die Lehrerinnen sind hier natürlich besonders wichtig, da sie die SchülerInnen kennen und gewisse Entscheidungen gut einschätzen und beurteilen können.

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Gendersensibler Literaturunterricht

Erörtern Sie die zentrale Bedeutung der Lektüreauswahl im Kontext der Ansatzpunkte (Vermittler*innen, Rezipient*innen, Kompetenzziele, Lerngegenstände) eines gendersensiblen Literaturunterrichts!

Der Lektüreauswahl kommt im gendersensiblen Unterricht eine besondere Bedeutung zu. Eine vorwiegend weiblich geprägte Lesesozialisation kann zur Wahrnehmung des Lesens als „weibliche Kulturpraxis“ führen, was der Realität von Jungen in Kitas und Grundschulen häufig entspricht. Frauen prägen häufig aber nicht nur die Lesesozialisation sondern auch die Lektüreauswahl. Wissenschaftlich bewiesen ist, dass Jungen sich bevorzugt mit anderen Themen beschäftigen als Mädchen. D.h. um ihr Interesse am Lesen zu wecken sollten die Themen der angebotenen Bücher auf alle Kinder abgestimmt werden. Da die VermittlerInnen eine wichtige Rolle bzgl. der Lesesozialisation spielen, wäre es im Umkehrschluss vor allem für Jungen von großer Bedeutung, lesende und vorlesen Väter oder Großväter zu haben und darüber hinaus mehr männliche Lesevorbilder in Kitas und Grundschulen, die dann auch Einfluss auf die Literaturauswahl nehmen sollten.

Eine mögliche Folge einer weiblich geprägten Lesesozialisation wird in der Literatur als „Betrogen durch Stereotype“ bezeichnet. Das bedeutet, dass Jungen, die das Lesen als weiblich wahrnehmen, auch davon ausgehen, dass Mädchen besser lesen also lesekompetenter sind. Diese Einschätzung wiederum führt dazu, dass sie ihre eigene Lesekompetenz geringer einschätzen und die gezeigte Leistung dieser Einstellung entspricht.

Welche Erfahrungen haben Sie bislang mit den einzelnen Ansatzpunkten gendersensiblen Literaturunterrichts gemacht?

Während meines Orientierungspraktikum im zweiten Semester, meine erste praktischen Erfahrung in der Schule, ist mir die Auswahl der Pausenlektüre in den beiden Klassen die ich begleitet habe (eine dritte und eine vierte Klasse) durchaus aufgefallen, da es sich jeweils um Literatur handelte, die ich als „Genderneutral“ bezeichnen würde. In der einen Klasse waren das die Ella-Bücher und in der dritten Klasse mir unbekannte Bücher mit futuristischen Inhalten (Außerirdische, die auf der Erde bei einem Schüler unterkommen, woraus sich ein lustiges Versteckspiel entwickelt, weil er nicht entdeckt werden darf). In beiden Klassen erschien mir die Lektüreauswahl sehr gezielt zu sein, so dass sie beide Geschlechter gleichermaßen anspricht.

Aus den Erfahrungen die ich in den beiden Klassen gemacht habe, kann ich nicht bestätigen, dass die Jungen in der Lesekompetenz den Mädchen unterlegen waren. Das Verhältnis von Mädchen und Jungen die gern, viel und gut gelesen haben, war m.E. ausgewogen. Allerdings bestätigen kann ich, dass Jungen häufig Sachbücher präferieren.

Welches Potential bieten implizite vs. explizite Genderkonstruktionen für die Auseinandersetzung mit Genderdimensionen?

Beide Genderkonstruktionen eignen sich dazu, vorherrschende Klischees zu durchbrechen bzw. ihnen vorzubeugen.

Entwickeln Sie je 1-2 Forschungsfragen, die Sie beim Einsatz der vorgestellten Beispiele im Unterricht besonders interessieren würden!

Bei der Behandlung des Buches: „Adrian hat gar kein Pferd“ würde ich der Fragestellung nachgehen wollen, welche Verhaltensweisen der Protagonisten die Kinder als „Typisch mädchenhaft“ und welche als „typisch jungenhaft“ bezeichnen würden, um dann im Anschluss diese Typischen Merkmale zu besprechen und dann zu schauen auf welche Kinder in der Klasse die Merkmale zutreffen. Meine Hypothese ist, dass man die meisten Verhaltensweisen eines Geschlecht auch häufig beim anderen Geschlecht entdecken wird, so dass man die Einstellung des „typischen“ etwas aufbrechen kann.

Bei der Besprechung des Buches: „Alles rosa“ würde mich die Frage interessieren, ob die Kinder die Komplexität des Buches erfassen und differenzieren können, welche Genderordnung es im Buch gibt und wie sich diese Genderordnung in unserer Gesellschaft darstellt. Dahinter steht die Frage, ob sich die Kinder der Genderordnung unserer Gesellschaft tatsächlich schon derart bewusst sind, um dieses Buch begreifen zu können.

Wie ließe sich den verbreiteten Annahmen, Jungen seien Lesemuffel und Mädchen seien Leseratten in der Praxis entgegenwirken (optional)?

Wichtig wäre im ersten Schritt sicherlich die ständige Repetition dieser Aussage zu durchbrechen, um dem Effekt des self-fulfilling prophecy zu unterbinden.

Weitergehend wäre natürlich die Umsetzung dessen zu empfehlen, was in der Beantwortung der vorangegangen Fragen bereits dargelegt wurde:

  • Generell männliche Lesevorbilder (lesende Väter, lesende Erzieher, männliche Lesepaten in der Grundschule etc.) aktivieren, die die Wahrnehmung, dass Lesen eine weibliche Beschäftigung ist, zu durchbrechen.
  • Eine Lektüreauswahl, die auch den Interessen der Jungen entgegen kommt. Hier wäre es m.E. sinnvoll die Interessen der Kinder tatsächlich zu erheben und nicht davon auszugehen, dass den Jungen schon die blauen Bücher mit den typischen Jungenthemen gefallen werden. Laut des Einführungskurses zur Literaturdidaktik von Fr. Hollerweger gibt es auch einige Themen die „Geschlechtsunabhängig“ Interesse der Kinder wecken, wie z.B. Detektiv- oder Krimigeschichten.
  • Auch Fortbildungen für pädagogisches Fachpersonal in Bezug auf gendersensible Literaturauswahl wäre sicherlich hilfreich.
  • Die Beschränkung auf reine Leselektüre zugunsten eines Medienverbundes durchbrechen, um einerseits Jungen, aber vor allem allgemein die Kinder zu erreichen, die sich in der reinen Buchrezeption nicht wohl fühlen, aus welchen vielfältigen Gründen auch immer.

Abschließend möchte ich hinzufügen, dass ich mich mit diesen Kategorien schwer tue, Mädchen sind Leseratten und Jungen Lesemuffel. Wobei ich die Richtigkeit dieser Aussage in keinem Fall in Zweifel ziehe, möchte ich, unabhängig vom Geschlecht, die Leseprobleme EINES KINDES wahrnehmen und im einzelnen schauen, welchen Bedarf DAS KIND hat und mit welchen Maßnahmen man möglichen Problemen in der Lesekompetenz und Literaturkompetenz begegnen kann. Ich möchte das Individuum betrachten und nicht den Jungen mit dem für Jungen typischen Problem: Leseschwierigkeiten.

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