Der Lehrerberuf: viel mehr als nur ein Halbtagsjob mit viel Urlaub

Das für mich persönlich Entscheidende, das ich durch das Verfassen meiner Beiträge gelernt habe, ist, dass kein Lehrer zu keinem Zeitpunkt ein perfekter Lehrer sein kann und es somit niemals einen optimalen Leitfaden für „How to teach right“ geben wird. Migration, Heterogenität, Vorurteile, Kultur, Differenz, Inklusion, Forderungen, Förderung, Erwartungen, Verständnis, Individualität – all diese verschiedenen, komplexen Begriffe tauchen in meinen auf den schulischen Kontext angelegten Beiträgen auf. Dies zeigt, dass die Arbeitsbedingungen und das Arbeitsumfeld einer Lehrkraft ähnlich komplex, schwierig und gleichzeitig interessant sind und alles letztendlich im Thema „Heterogenität in der Schule“ zusammenfließt. Zuvor hatte ich mich noch nie wirklich mit der Heterogenität als Merkmal der Schule beschäftigt. Auch wenn ich sogar persönlich Erfahrungen in einigen dieser Kontexte gesammelt habe, habe ich die Heterogenität nie wirklich als ein so umfangreiches erziehungswissenschaftliches Thema gesehen. – Dabei ist es (mir) wichtig, als angehende Lehrerin ein solches Bewusstsein zu bekommen, insbesondere in drei konkreten Kontexten.

Um als Lehrkraft zu arbeiten, ist das Wichtigste im Prinzip nicht die Fächerwahl, sondern vielmehr, wie der Unterricht gestaltet wird, um  den verschiedenen „Bildungsvoraussetzungen, Identitäten und Lebenshintergründen von Schülern und Schülerinnen“[1] gerecht zu werden, denn „die Frage nach dem Umgang mit Differenzen ist eine, die jeden Unterricht gleichermaßen betrifft.“[2] Die Unterrichtsorganisation und die Reflexion dieser seitens der Lehrkraft ist von großer Wichtigkeit und Bedeutung, denn jeder Schüler bedarf andere Lehrmethoden, um Lehrinhalte zu verstehen. Ich gehe hier, wie vorher schon betont, nicht davon aus, dass die Lehrkraft eine Unterrichtsmethode findet, die auf jeden einzelnen Schüler zutrifft, denn dies ist schlichtweg einfach unmöglich. Ich habe erkannt, dass es mir vielmehr daran liegt, als Lehrkraft den Unterricht vielfältig zu gestalten, damit ich am Ende möglichst jedem eine alternative Unterrichtsmethode bieten kann.

Persönliche Notiz für mich und meinen zukünftigen Spanisch- und Englischunterricht:

  1. Jeder Schüler verfügt über eine individuelle Sprachkompetenz und Sprachlernfähigkeit.
  2. Bedenke, dass wahrscheinlich nicht jeder freiwillig und mit Freude Spanisch/Englisch lernt. Versuche, insbesondere diesen Schülern die Vokabeln auf einer interessanten, spaßigen (aber pädagogisch sinnvollen) Methode nahe zu bringen.
  3. Überlege ggf. Gründe, um die Schüler davon zu überzeugen, dass das Erlernen von Fremdsprachen auch Vorteile haben kann, bspw. für die Zukunft und das spätere Berufsleben

 

Allerdings ist mir auch bewusst geworden, dass für den erfolgreichen Lernprozess nicht nur die Wahl der Lehrmethode durch die Lehrkraft wichtig ist, sondern auch das Thema „Inklusion“ und das damit verbundene individuelle Verhalten der Schüler in Klassengemeinschaften, Gruppenarbeiten etc., denn das Zusammenführen der verschiedenen Kulturen und die Akzeptanz kann durchaus auch wertvoll für den Lernerfolg aller Schüler sein. Die Anerkennung und das Erkennen des anderen kann dazu führen, dass Schüler gegenseitig offener werden, ihre Unterschiede anfangen zu akzeptieren und davon zu profitieren. Ein Schüler/eine Schülerin mit Migrationshintergrund verfügt wahrscheinlich über mehr als nur eine Muttersprache, was vorteilhaft beim Erlernen weiterer Fremdsprachen (in meinem Fremdsprachenunterricht?!)  sein kann und durchaus auch hilfreich für die anderen Mitschüler, denn vielleicht kann dieser Schüler/diese Schülerin einen Lerninhalt besser oder verständlicher erklären und somit einen entscheidenden Beitrag zum gemeinschaftlichen Lernerfolg leisten. Das Bewusstsein der Differenz ist allerdings nicht nur für den Lernprozess an sich wichtig, sondern auch innerhalb der Lernfelder und -themen. Die unterschiedlichen sprachlichen, kulturellen und religiösen Zugehörigkeiten in jeglichem Zusammenhang als vollwertig beachtet und als solche akzeptiert werden. Beispielsweise sollte sich der Religionsunterricht nicht nur auf das Christentum ausrichten. Ein „nach Konfessionen und Religionen [getrennter] Religionsunterricht“[3] ist wenig gewinnbringend, denn dies würde einer Separation gleichkommen. Vielmehr sollten eben diese Religions- und Konfessionsformen in gleichem Maße Teil des Unterrichts sein. Wenn ich später Religion unterrichten würde, würde ich mir folgende Notiz machen:

  1. Jeder Schüler darf seine Religion ausüben, sollte aber im Rahmen des Religionsunterrichts bereit sein, andere Religionen und Glaubensrichtungen kennen zu lernen und zu akzeptieren
  2. Das Bewusstsein anderer Glaubensrichtungen kann durch einen gemeinsamen Religionsunterricht erteilt werden – dient als Mittel, um den Multikulturalismus richtig (besser gesagt: angemessen) verstehen zu können und damit diese verschiedenen kulturellen Lebensformen gleichberechtigt koexistieren können[4]
  3. Überlege ggf. Gründe, um die Schüler davon zu überzeugen, dass das Erlernen von Fremdsprachen auch Vorteile haben kann, bspw. für die Zukunft und das spätere Berufsleben

 

Abschließend möchte ich noch ein weiteren mir sehr wichtigen Aspekt in Bezug zur Differenz der Schüler reflektieren: Männlichkeit und Weiblichkeit im Unterricht. Die Geschlechter spielen in vieler Hinsicht eine bedeutende Rolle im Unterricht und der Gestaltung dessen. In meiner damaligen Schulzeit habe ich oft erlebt, dass Lehrkräfte gewisse Vorurteile über die Lern- und Leistungsfähigkeit von Mädchen und Jungen hatten. Uns Mädchen wurde grundsätzlich eine höhere Fähigkeit zugeschrieben. Auch nahmen meine Lehrer oft grundsätzlich an, dass Mädchen eine schönere Handschrift haben und sauberer arbeiten würden. Mein Zwillingsbruder hat beispielsweise eine sehr saubere Schrift und war grundsätzlich sehr sorgfältig und ordentlich, weshalb einige Mitschüler und auch Lehrer ständig Kommentare wie „Mädchenschrift“ machten. Er stach aus der Masse hervor und das nur, weil allgemein angenommen wird, dass Mädchen sauberer schreiben. Doch warum sollte es nicht auch Mädchen geben, die nicht schönschreiben können oder unordentlich sind? Und warum sollten Jungs unbedingt diejenigen sein, die mehr Computer spielen und weniger lesen als Mädchen?

Gerade in diesem Kontext werde ich mir noch einige Notizen für später machen:

  1. Betrachte die Schüler unabhängig vom Geschlecht und ohne jegliches Vorurteil. Jeder Schüler ist individuell und keineswegs kategorisierbar.
  2. Leistungs- und Lernfähigkeit sowie persönliche Zuneigungen, Interessen und Verhaltensmuster sind unabhängig von Geschlecht und Religion
  3. Die individuellen Bildungsvoraussetzungen (und wahrscheinlich auch die persönlichen Interessen) sowie das Klima innerhalb der Klassengemeinschaft machen den Lernerfolg aus

 

Kenntnis und Akzeptanz der individuellen Differenz der Schüler sind essentiell für ihre Inklusion. Schule bildet als kulturelle Institution einen eigenen Rahmen, der alle und jeden einbeziehen sollte und niemanden ausgrenzen sollte. Die Lehrkräfte spielen dabei als handelnde Akteure eine entscheidende Rolle – und genau diese Rolle als Lehrerin und die damit verbundene Herausforderung bin ich bereit, nach meinem Studium anzunehmen.

[1] Schwohl, Joachim/ Sturm, Tanja (2010): Inklusion als Herausforderung schulischer Entwicklung – Widersprüche und Perspektiven eines erziehungswissenschaftlichen Diskurses. Bielefeld: Transcript. S. 22

[2] Sturm, Tanja (2010): Heterogenität als unterrichtliche Herausforderung, In: Schwohl, Joachim/ Sturm, Tanja (Hrsg.): Inklusion als Herausforderung schulischer Entwicklung – Widersprüche und Perspektiven eines erziehungswissenschaftlichen Diskurses. Bielefeld: Transcript. S.144

[3]Weisse, Wolfgang (2010): Religionsunterricht für alle in einer Schule für alle – Inklusion statt Separation. In: Schwohl, Joachim/ Sturm, Tanja (Hrsg.): Inklusion als Herausforderung schulischer Entwicklung – Widersprüche und Perspektiven eines erziehungswissenschaftlichen Diskurses. Bielefeld: Transcript. S.195

[4] Ebd.

Published in: on 25. Juli 2020 at 7:41 Comments (1)
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