Muss ich deutsch sein, um in einer deutschen Schule gute Leistungen zu bringen?

Wenn wir Studenten uns dazu entscheiden, ein Lehramtsstudium anzutreten, bedeutet das, dass wir zwei Fächer studieren und diese dann später mit der einen oder anderen (gelernten) Methode versuchen Kindern beizubringen. Dabei schreibt uns das Bildungsministerium genau vor, wie die Inhalte und deren Übermittlung aussehen. Die Bezeichnung der Unterrichtsfächer gibt darüber oftmals zunächst keinen Hinweis. Wenn ich beispielsweise Geschichte oder Politik unterrichten würde, würde mir beim Betrachten der Lehrinhalte auffallen, dass die Fächerbezeichnungen „Geschichte“ und „Politik“ eigentlich gar nicht angemessen sind. Die Bezeichnungen „Deutsche Geschichte“ oder „Deutsche Politik“ wären wahrscheinlich treffender. Der zu lehrende Inhalt ist nämlich national orientiert, was schlichtweg bedeutet, dass Kinder, die in Deutschland zur Schule gehen, die „deutsche Version“ vieler Unterrichtsfächer gelehrt bekommen. Deutsche Grammatik, deutsche Geschichte, deutsche Politik, deutsche Werte und Normen…Aber nicht nur die Fächer sind national orientiert. Auch der Umgang der Kinder untereinander und mit den Lehrern wird in den Schulen nach deutschen Maßstäben geregelt. Deutsche Maßstäbe sind für mich hierbei jede, die man in allen Schulen in Deutschland wiederfinden kann und die die Schulform in Deutschland von denen anderer Länder unterscheidet.

Für mich und meinen Klassenkameraden waren es beispielsweise selbstverständlich, morgens um 8 Uhr in der Schule zu sein, zu Beginn des Unterrichts aufzustehen, um den Lehrer zu begrüßen, diesen zu jeder Zeit zu siezen und erwartungsgemäß auf Deutsch mit meinen Mitschülern zu reden. Alternative Verhaltensregeln, wie später mit dem Unterricht anzufangen, sich als Begrüßung zu verbeugen, oder gar den Lehrer zu duzen, wie es in anderen Ländern der Fall ist, wurden nie in Erwägung gezogen.

Auch kulturell kann man anhand einiger Aspekte erkennen, dass die Schule sehr viel weiter national orientiert ist als nur fächerbezogen. Die kulturellen Feste anderer Kulturen werden in deutschen Schulen fast nie thematisiert. Feiertage, die nicht Bestandteil der deutschen Kultur sind, werden von der Schule kaum berücksichtigt. Weihnachten, Ostern, Pfingsten, Himmelfahrt… auf all diese religiösen Feste nimmt das Bildungssystem Rücksicht. Die Schüler haben dann Ferien, um die Tage mit der Familie verbringen zu können. Doch religiöse Feste anderer Kulturen werden nicht berücksichtigt, nicht einmal erwähnt. Das islamische Fest „Ramadan“ beispielsweise wird komplett außenvor gelassen, obwohl heutzutage sehr viele Kinder aus einer Kultur kommen, in der dieses religiöse Fest durchaus von Bedeutung ist. Außerdem wird von diesen Schülern erwartet, dass sie sich ohne Weiteres unsere Kultur in der Schule ausleben und an dieser Teil haben.

In meiner Klasse haben wir damals in der Weihnachtszeit oft Klassenfeste veranstaltet, an denen meine Klassenkameraden mit türkischen Wurzeln automatisch teilnahmen, da es eine Aktion im Klassenverbund war. Dass diese Schüler das Weihnachtsfest aber gar nicht feiern, wurde gar nicht beachtet. Es wurde davon ausgegangen, dass diese Schüler das Weihnachtsfest mitfeiern. Andersrum haben wir nie etwas als Klasse unternommen, wenn beispielsweise Ramadan-Zeit war.

Und genau in diesem Kontext wird eine entscheidende Herausforderung allen voran für uns Lehrer deutlich: Der optimale, angemessene Umgang mit Schülern unter Berücksichtigung der Migration als immer wichtiger werdendes Merkmal der Heterogenität in der Schule.

Für mich ergibt sich durch diese Herausforderung die Frage, wie ich als Lehrerin den Aspekt der Migration in meinem Unterricht berücksichtigen kann bzw. muss. Gleichzeitig ist es wichtig, dass ich mir als Lehrerin bewusst mache, was für eine (angemessene?) persönliche Sichtweise ich selber auf Schüler mit Migrationshintergrund habe. Wie kann ich eine Gruppe von Schülern unterrichten, ohne jemanden persönlich oder indirekt deren Kultur auszugrenzen? Wenn ich meinen Unterricht auf Deutsch halte oder halten muss, muss ich davon ausgehen, dass alle in der Klasse ein gewisses Deutschniveau haben, um den Inhalt des Unterrichts verstehen zu können. Aber kann ich das überhaupt voraussetzen? Außerdem sollte man als Lehrerin versuchen, Schülern ohne jegliche Vorurteile gegenüberzustehen und sie auch ohne diese zu bewerten. Vorurteile darüber, ob Kinder aus deutschen Familien bessere Leistungen erbringen als die aus Familien mit Migrationshintergrund, sollten in einer staatlichen Einrichtung wie „die Schule“ nie vorherrschen dürfen. Doch leider tun wir dies oft automatisch durch Konventionen oder auch durch eigene Erfahrungen. Unsere Erfahrung im Umgang mit Menschen aus anderen Kulturen beeinflussen unsere Sichtweise auf sie und unser Verhalten Ihnen gegenüber.

In meiner Schule war es damals (leider) tatsächlich so, dass die meisten Schüler mit Migrationshintergrund auf dem Realschulzweig oder gar auf dem Hauptschulzweig waren. In meiner Klasse gab es auch drei solche Schüler, die (durch ihren Migrationshintergrund?) zu den leistungsschwachen Schülern gehörten. Viele würden vielleicht denken, dass das normal so ist. Aber (nicht nur) als Lehrerin würde ich mich fragen, warum das der Fall ist. Liegt es eventuell daran, dass die Integration dieser Schüler nicht optimal verläuft und sie eigentlich mehr Unterstützung benötigen? Der familiäre Hintergrund ist oft Grund dafür, dass sich Kinder mit Migrationshintergrund nachmittags nach der Schule nicht ausreichend mit dem Unterrichtsstoff beschäftigen können. Wenn beispielsweise beide Elternteile nicht gut Deutsch sprechen können, oder nichts über die deutsche Geschichte wissen, werden sie ihren Kindern eher eingeschränkt helfen können. Kinder werden dann weiterhin Probleme haben, dem Unterricht zu folgen.

 

Um damit später als Lehrerin umgehen zu können, finde ich es wichtig, sich die Schule als eigene Kultur vorzustellen. Es geht in der Schule nicht darum, jede einzelne Kultur wahr zu nehmen, zu akzeptieren und am Ende jede Kultur einzeln gerecht zu werden. Ich denke, es ist viel wichtiger, sich eine eigene „Kultur der Schule“ vorzustellen und die unterschiedlichen Kulturen der einzelnen Schüler als Teile dieser Gesamtkultur zu betrachten. Die Teilkulturen sollten für sich weiterhin bestehen dürfen, aber sich nicht gegenseitig ausgrenzen, sondern vielmehr ergänzen und sich gegenseitig inkludieren. Man sollte sich dem gesamten Umfeld der verschiedenen Kulturen bewusst machen, nicht nur als Lehrerin, und sich selbst mit diesen beschäftigen wollen. Nur dann kann man es eventuell möglich machen, als Lehrerin allen Schülern zumindest unabhängig vom persönlichen kulturellen Hintergrund eine optimale Leistungsförderung bieten zu können. (Natürlich spielt auch immer die persönlichen, mentalen Lernfähigkeiten eines jeden Schülers eine wichtige Rolle darin, ob dieser den Unterricht problemlos folgen und verstehen kann.)

Published in: on 30. April 2020 at 13:53 Comments (1)
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