Staatskonzern Bremer Vulkan

Als um 12.05 Uhr am 15. August 1997 die Arbeit auf dem Werftgelände des Bremer Vulkans niedergelegt wurde, bedeutete das nicht nur das Aus für einen der renommiertesten Schiffproduzenten, welcher die Arbeits- und Heimatstätte vieler „Vulkanesen“ war, zugleich bestimmte es auch das Ende der Schiffsbauära an der Unterweser. Diverse Straßennamen und die Überreste von Bahnschienen erinnern noch heute an die einst rege Schiffbautätigkeit im Bremer Norden. Tausende, viele davon angeworben und zugewandert, ließen sich im Umfeld der Werft nieder und lebten direkt oder indirekt vom Schiffsbau. Über viele Generationen hinweg war der Vulkan einer der wichtigsten Arbeitgeber im Bremer Norden und die Abhängigkeit der Vegesacker*innen von ihm war omnipräsent. Umso verheerender war der Untergang der Werft nicht nur für die „Vulkanesen“, sondern für die ganze Region (Behling/Thiel 1997: 5).
Die Geschichte des Vulkans startet mit einem Schiffbaubetrieb von Johann Lange, der sich 1805 auf einem gepachteten Gelände der Lesummündung selbständig machte und zunächst hölzerne Schiffe fertigte. Nach Johann Langes Tod stieg der Betrieb 1844 in den Eisenschiffbau ein. 1887 holten die Langschen Erben einen Schiffbauingenieur als Betriebsleiter an die Unterweser, dem der Aufbau eines Großbetriebs vorschwebte. Die begrenzte Kapazität auf dem Werftgelände führte 1885 dazu, dass man die in finanzielle Schwierigkeiten geratene benachbarte Bremer Schiffbaugesellschaft aufkaufte und den Produktionsstandort vergrößerte. Das Wahrzeichen der Werft, die sich bis zum ersten Weltkrieg mit Handelsschiffbau befasste, war der 1900 am Bollwerk aufgestellte und für die damalige Zeit riesige, elektrisch betriebene Hammerkran geworden. Im zweiten Weltkrieg produzierten die Nord Bremer*innen Schiffe für die Kriegsmarine. Das Ende des Kriegs bedeutete auch für die Großwerft eine Unterbrechung im Schiffbau, von einer Demontage wurde man jedoch verschont. Nach der Wiederaufnahme bestimmten Frachtschiffe bis 1966 die Produktion der Werft, danach stieg der Betrieb wieder in den Bau von Marineschiffen ein (Thiel 2009: 7).

Behling/Thiel 1997: 77

Seit Beginn der 80er Jahre war nicht nur Bremen, sondern auch die anderen norddeutschen Bundesländer stark von den Folgen einer sich verschärfenden Strukturkrise der Schiffbauindustrie betroffen. Die global wirkenden Ursachen dieser Krise waren die zunehmende Konkurrenz der ostasiatischen Werften, welche durch staatliche Unterstützung und Überkapazitäten den Marktpreis – erheblich unter den tatsächlichen kosten der deutschen Werften – bestimmten. Deutschland reagierte auf den internationalen Wettbewerb einerseits zwar mit Reeder- und Werftenhilfe, welche von den Küstenländern als zu gering kritisiert wurde, trat jedoch gleichseitig für eine Verringerung der Subventionen ein und unterstützte daher auch die Agenda der Europäischen Gemeinschaft (Schummer 1996: 49).

Für Bremen, Bremerhaven und insbesondere die nördlichen Stadtbezirke war die Werftenkriese von existenzieller Bedrohung, zumal sie in eine Phase ohnehin schwieriger Wirtschaftsentwicklung der Region fiel. Die Werften und deren Zulieferungsbetriebe spielten nicht nur eine wirtschaftliche Rolle als Arbeitgeber, sondern waren auch politisch und gesellschaftlich traditionell von großer Relevanz. Die Betriebe und ihre Belegschaften waren einflussreich in den Organisationen der Arbeiterbewegung und in der Sozialdemokratischen Partei. Dass in Bremen einmal keine Schiffe mehr produziert werden können, war für Politik und Gesellschaft nicht vorstellbar.

Behling/Thiel 1997: 62

Die Weftenkrise hatte jedoch die Schließung der zum Krupp-Konzern gehörenden AG- „Weser“- Werft zum Jahresende 1983 zur Folge. Diese Schließung führte zur politischen Erschütterung im Land Bremen, welche sich inhaltlich weniger gegen den Krupp-Konzern als gegen den Senat und die allein regierenden Sozialdemokraten richtete. Die politischen Erfahrungen, welche aus dieser Situation gewonnen wurden, haben die Werftpolitik in Bremen seither geprägt – um jeden Preis sollte vermieden werden, dass sich eine solch dramatische Situation wiederholte. Die Folge war eine Subventionspolitik des Senats für den Bremer Schiffbau, um möglichst viele Arbeitsplätze zu erhalten. 1984 formulierte der damalige Senatsdirektor Dr. Hennemann – um die wirtschaftlich angeschlagenen Werften zu stabilisieren – die strategische Gründung eines Werftenverbundes unter der Führung des Bremer Vulkans. Unterstellt wurden dieser Dachgesellschaft die Lloydwerft Bremerhaven, die Schichau Unterweser AG und die Seebeck-Werft. Der Werftenverbund war auch ein Zusammenschluss zwischen dem Bremer Vulkan und dem sozialdemokratisch regierten Bremen. Weit über die gewöhnlichen Funktionen eines Großaktionärs hinaus hat der Senat in jener Zeit faktisch eine unternehmerische Verantwortung für die Werften übernommen und Einfluss auf wichtige Entscheidungen der Werft genommen. Um den politischen Einfluss weiter auszubauen und die Werft in stabile wirtschaftliche Lage zu manövrieren, wechselte Dr. Hennemann in den Vorstand des Bremer Vulkans (Kuhn 1998: 326).

Zwischen den Jahren 1988 und 1993 vollzog der Bremer Vulkan unter der Führung von Dr. Hennemann einen Wandel vom Schiffbauverbund zum maritimen Technologie-Konzern. Grundlage der enormen Expansion war das hauptsächlich vom Land Bremen finanzierte Strukturkonzept von 1988, um finanzielle Engpässe sowie den Kapazitäts- und Beschäftigungsabbau im Schiffgewerbe zu kompensieren. Am Ende der Ausweitung stand ein Konzern von knapp hundert Unternehmen unterschiedlichster Art und Größe unter dem Dach des Vulkans. 1993 gipfelte die Expansion in dem Erwerb von Werften in Wismar und Stralsund aus der Verwaltung der Treuhandanstalt. Die erfolgreichen Bemühungen des Vulkans bei der Privatisierung der Werften in den neuen Bundesländern in erheblichem Ausmaß und zu günstigen Konditionen zum Zuge zu kommen basierte auf den strategischen Überlegungen, der Konkurrenz keinen Vortritt zu lassen. Die Ostwerften waren den Bremer Werften technologisch und im Produktionsniveau weit voraus. Die bremischen Werften und die Werftpolitik mussten alles daransetzen, einen ähnlichen Sprung in der Produktivität zu erreichen. Im Bürgerschaftswahljahr Anfang 1995 übersandte Dr. Hennemann dem Präsidenten des Senats ein erneutes Konzept, welches höhere Investitionen zur Modernisierung des Schiffsbaues forderte. Für die Erfüllung seiner Bedingungen bot Dr. Hennemann eine Arbeitsplatzgarantie bis 1998 an. Zur einer Zahlung des Landes Bremen an den Bremer Vulkan in Höhe von 200 Mio. DM kam es, zu einer notwendigen und umfangreichen Modernisierung der Werft jedoch nicht (Kuhn 1998: 335).

Behling/Thiel 1997: 77

Im Sommer 1995 geriet der Bremer Vulkan in eine tiefe Krise, die auch durch die umfangreiche finanzielle Hilfe des Senats nicht aufgehalten werden konnte, sondern sich innerhalb eines Jahres kontinuierlich weiterentwickelte. Die großen Geschäftsbereiche des Konzerns waren Verlustbringer. Über dem maroden Fundament des Konzerns aber lag seit Jahren die glänzende Oberfläche einer guten Liquidität aus Kapitalerhöhungen durch Staatssubventionen und Ostwerften-Beihilfe. Der Vorstand des Vulkans erklärte Ende Juni 1995 vor den Aktionären, die Lage sei glänzend und weigerte sich selbst, die eindeutigen Hinweise auf eine nahende Liquiditätskrise anzuerkennen. Der Senat war in dieser letzten Phase des Vulkans so erpressbar, jede Ankündigung eines drohenden Konkurses führte zu einer weiteren Zahlung des Landes (Kiesel 1997: 117).

Ende 1995 wurde dem Senat klar, dass die wirtschaftlichen Schwierigkeiten nicht nur vorübergehende Liquiditätsengpässe waren, sondern, dass ein Milliardenbetrag fehlte. Die Sozialdemokraten hatten bis zum Schluss alles darangesetzt, die Wahrheit nicht selbst aussprechen zu müssen, dass der Bremer Vulkan schon lange vor dem Aus stand. Für die Landespolitik hatte der Erhalt von möglichst vielen Arbeitsplätzen in der Werftindustrie absolute Priorität, im Ergebnis wurde für über 1,5 Mrd. DM Arbeit staatlich „gekauft“. Die Angst vor den politischen Konsequenzen bestimmte das Handeln des sozialdemokratisch geführten Senats – eine objektive Perspektive auf die Liquiditätsverhältnisse des Bremer Vulkans war nicht mehr gegeben – die Aufrechterhaltung der Arbeitsplätze durch die staatliche Subventionspolitik diente lediglich dazu, den politischen Rückhalt nicht zu verlieren. Der verlustbringende Bremer Vulkan hatte Ende des 20 Jahrhunderts nie eine Chance, zu einem wirtschaftlich stabilen maritimen Technologie-Konzern zu wachsen.

Literatur:

  • Behling, Helmut/ Thiel, Reinhold (1997): Bremer Vulkan. Ende einer Ära. Bremen-Aumund: Hauschild.
  • Kiesel, Wolfgang (1997): Bremer Vulkan Aufstieg und Fall. 200 Jahre Schiffbaugeschichte. Delmenhorst: KSZB Verlag.
  • Kuhn; Hermann (1998): Bericht des Untersuchungsausschusses „Bremer Vulkan“. Bremen: Bremische Bürgerschaft. Abrufbar unter: https://www.bremische-buergerschaft.de/uploads/media/uabremervulkan.pdf (Zugriff: 25.05.2020)
  • Schumrr, Carl Heinz (1996): Werftpolitik in Bremen nach 1945. Bremen: KUA.
  • Thiel, Reinhold (2009): Die Geschichte des Bremer Vulkan 1805-1997, Band 3. Bremen: Hauschil

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