Die Erfindung des Containers zum Gütertransport revolutionierte die gesamte Hafen- und Schifffahrtsbranche und hatte damit einen großen Einfluss auf den weltweiten Handel. Neben der drastischen Reduktion der Kosten brachte die Containerisierung eine Vereinfachung des intermodalen Transports und die bessere Sicherung der Ladung mit sich (Baird 1996: 145). Mittlerweile ist die Transportbox nicht mehr aus dem Kreislauf der In- und Exporte wegzudenken. Blickt man zurück in das Jahr 1966, in dem die ersten Containerschiffe den Weg in die Häfen Europas fanden, zeigt sich, dass mit der Containerisierung die Erfindung weiterer neuer Technologien notwendig waren. Damals wurden die ersten Container noch mit bordeigenem Geschirr geladen und gelöscht. Danach wurden diese auf Trailern abgesetzt und verblieben dort bis zum Weitertransport. Sieben Jahre später ermöglichte die erste Containerbrücke im Neustädter Hafen das rasche und effiziente Laden und Löschen der anliegenden Containerschiffe (Mahlstedt 2014: 204). Roder spricht von einer „[…] neue[n] Ära, die mit der Errichtung der Containerbrücken begann [und] […] sich bei den […] Van Carriern fort[setzte]“ (2014: 197). Bei Letzteren handelt es sich um Portalhubwagen, mithilfe derer es möglich ist, die Container auf den Terminal zu transportieren und zu stapeln (Eurogate o. A.).
Auf einer Länge von fast 5 Kilometern erstreckt sich heute die Hafenanlage des Bremerhavener Containerterminals und verdient sich damit den Titel „längste zusammenhängende Stromkaje der Welt“. Insgesamt 14 Liegeplätze für Großcontainerschiffe stehen zur Verfügung. Der Containerhafen erfüllt als Europas viertgrößter seiner Art eine bedeutende Funktion für den internationalen Handel. (bremenports o. A.) Für Bremerhaven beläuft sich der Containerumschlag für das vergangene Jahr auf etwa 4,8 Millionen TEU. Dieser Wert ist niedriger als die der vorherigen Jahre. Diesbezüglich war 2012 mit einem Umschlag von über 6,1 Millionen TEU das erfolgreichste seit 1970 (Hafenspiegel 2019: 22).
Neben Eurogate ist das 1998 gegründete Unternehmen „North Sea Terminal“ für den Containerumschlag in Bremerhaven verantwortlich. Drei Monate nach der Gründung wurden die ersten eigenen Van Carrier in Betrieb genommen. Inzwischen hat sich die Anzahl um mehr als das 6-fache erhöht und die Flotte besteht gegenwärtig aus 102 dieselbetriebenen 4-Hoch Van Carriern (NTB o. A.). Diese ermöglichen es, Stapel von maximal drei Containern übereinander zu bilden (Eurogate o. A.).
Der 49-jährige Marcus zählt zu einen der über 740 Mitarbeitern von NTB. Seit 2007 ist er dort als Van Carrier Fahrer eingestellt. Freundlicherweise hat er sich bereit erklärt, in einem Interview Fragen zu seinem Arbeitsalltag zu beantworten und damit die Möglichkeit eröffnet, im Rahmen dieses Hafenblogs die Arbeit im Hafen aus der Perspektive eines Mitarbeiters erleben zu können. An dieser Stelle nochmals vielen Dank!
Ursprünglich hat Marcus im Gastronomiegewerbe als Koch gearbeitet. Die guten Verdienstmöglichkeiten seien Anreiz für ihn gewesen sich im Hafen zu bewerben. Bereits im Alter von 32 hat er damals seine erste Bewerbung abgegeben, sei jedoch als zu alt eingestuft worden. Fünf Jahre später wurde er dann zum Bewerbungsverfahren eingeladen. Besondere Vorkenntnisse waren damals nicht nötig, betont er. Lediglich ein Höhentest und ein Reaktionstest mussten im Vorfeld absolviert und bestanden werden. Früher sei dies anders gewesen und der Besitz eines LKW-Führerscheins war Voraussetzung um Großgeräte im Hafen bewegen zu dürfen. Nach erfolgreichem Ableisten der beiden Vortests folgte zunächst eine dreimonatige theoretische Ausbildung zum Hafenfacharbeiter und der Erwerb des Gabelstaplerführerscheins. Das Fahren eines Van Carriers erlernte Marcus dann anschließend im Unternehmen und konnte nach weiteren vier Wochen Ausbildung im normalen Hafenbetrieb integriert werden.
Heutzutage besteht Marcus Arbeitsalltag aus dem Steuern eines Van Carriers in 15 Metern Höhe mit einer Geschwindigkeit von 23 km/h. Er ist auf der Wasserseite des Terminals beschäftigt und ist für das Be- und Entladen der Containerschiffe verantwortlich. Die Koordination erfolgt per Bildschirm im Van Carrier. Zusätzlich ist er in den Positionen des Einweisers, Signalmannes oder Laschers tätig. Des Weiteren hat er die Zusatzqualifikation des Navis Operators erworben.
„360 Tage im Jahr und 24 Stunden am Tag ist der Hafen offen“ erklärt Marcus, dabei gibt es nur fünf Ruhetage, an denen kein Betrieb stattfindet. Es wird nach einem 3-Schicht-System gearbeitet, das heißt: Frühschicht von 6-14 Uhr, Spätschicht von 14-22 Uhr und die Nachtschicht von 22-6 Uhr. Am Wochenende und Feiertagen gibt es hingegen nur 12 Stunden-Schichten. Die Mitarbeiter sind in verschiedene Gänge eingeteilt, wobei jedem feste Aufgabenbereiche zugeteilt sind. Marcus Gang besteht aus 13 Männern, wobei jeweils zehn von ihnen pro Schicht eingesetzt werden.
„Schichtdienst ist persönlichkeitsabhängig“ berichtet Marcus. Ihm fällt vor allem die Frühschicht schwer, da er dann nicht genug Schlaf bekommt. Andere hätten größere Probleme mit den Nachtschichten. Insbesondere die Umstellung zwischen den Schichten gestaltet sich als schwierig. „Man darf nicht vergessen, wir arbeiten da mit Großgerätschaften, wir haben keine 500 Gramm Gewichte, sondern wir haben mit mehreren Tonnen zu tun“, führt er fort. Daher habe man auch eine große Verantwortung und man müsse immer konzentriert bleiben. Marcus ist erleichtert, dass die längsten Fahrtzeiten sich auf 4 Stunden belaufen, allerdings können auch diese anstrengend werden.
In Bezug auf die Gefahr im Job erwidert er „Unfälle passieren, das passiert auch regelmäßig. Da kann sich keiner von Freisprechen. Schlimm wird es halt nur, wenn du im Containerbrückenbereich fährst, wo auch Menschen rumlaufen“. Er selbst hat in seinen 13 Jahren bei NTB zwei Todesfälle miterlebt. Der Schock saß durch diese Ereignisse tief bei ihm und er reflektierte daraufhin auch sich selbst und sein Verhalten. „Wenn du mit dem Van Carrier umkippst, bist du tot. Wenn ein Ausleger von einer Brücke abbricht, bist du tot. Wenn dich ein Container erwischt, bist du tot.“ Im Alltag würde man diese Tatsache verdrängen und hoffen, dass alles gut geht. Eben diese Gefahr ist auch ein Grund, warum die Arbeit im Hafen angemessen entlohnt wird.
Dennoch bringt der Job für Marcus auch viele positive Aspekte mit sich. Der Schichtplan würde ihm Planungssicherheit geben. Des Weiteren macht ihm die Arbeit Spaß, der Umgang mit den Kollegen sei entspannt und locker. Er ist stolz auf seine Arbeit. “Quasi halten wir ja auch die Wirtschaft am Laufen“ fügt er hinzu. Zudem sind die Sonnenunter- und Aufgänge für Marcus jedes Mal ein großes Highlight, da ihm der Blick über den Hafen und das Wasser eine einzigartige Aussicht bietet.
Die Zukunft der Jobs im Hafen sieht Marcus durchaus kritisch. Die Automatisierung des VC-Betriebs, wie in einem Hafenterminal in Hamburg bereits umgesetzt, prognostiziert Marcus auch für Bremerhaven. „Ich glaube die Generation die jetzt noch Großgeräte im Hafen fährt, wird die Letzte sein. Maschinen kosten kein Geld und können auch 24 Stunden am Tag fahren“, erklärt er. Zwar müssten die Maschinen gewartet, gesteuert und kontrolliert werden, jedoch wird diese Arbeit dann wohl auch anders entlohnt werden. Momentan würde der Mensch allerdings noch schneller und besser als die Maschinen fahren. In den nächsten Jahren ist dennoch zu erwarten, dass die Entwicklung voranschreitet und die Automatisierung jeden Hafen erreichen wird.
Quellenverzeichnis:
- Baird, Alfred (1996): Containerization and the decline of the upstream urban port in Europe. Mari-time Policy & Management, 23:2, 145-156.
- Bremenports (o. A.): https://bremenports.de/hafen/bremerhaven/
- Eurogate (o. A.): http://www1.eurogate.de/
- Hafenspiegel 2019: https://bremenports.de/wp-content/uploads/2017/03/2019_Hafenspiegel_.pdf
- Mahlstedt, Fredy (2014): Alle Entwicklungen sollten auch sozial abgesichert sein. In: Roder, Hartmut/Schwerdtfeger, Hartmut (Hrsg.), Die Zukunft der bremischen Häfen, Bremen: Rasch-Verlag, 200-207
- NTB (o. A.): https://www.ntb.eu/de/
- Roder, Hartmut (2014): Mann der ersten Stunde. Von der „Klappertechnik“ zur Elektronik. In: Roder, Hartmut/Schwerdtfeger, Hartmut (Hrsg.), Die Zukunft der bremischen Häfen, Bremen: Rasch-Verlag, 195-200
Vielen Dank für diesen spannenden Einblick mit Hilfe eines weiteren Interviews. Im Rahmen des Hafenseminars wurde einige Menschen interviewt, die im Hafen oder auf hoher See arbeiten (mache auch für einen Podcast). Durch solche narrative Interviews bekommen wirklich einen sehr guten Einblick in die alltägliche Hafenarbeit.
Wie haben Sie das Interview selbst empfunden? Was hat gut geklappt und was eher nicht? Ist das Gespräch so gelaufen, wie Sie es erwartet hatten? Wie kam der Kontakt zustande? Haben Sie das Interview aufgenommen oder sich Notitzen gemacht?
Marcus ist mein Vater! Daher war die Kontaktaufnahme denkbar einfach. Anfangs war es anfangs etwas komisch ihn zu befragen, da ich im Vorfeld natürlich schon einiges über seine Arbeit wusste. Ich hatte das Glück, dass er ein sehr dankbarer Interviewpartner war und von sich aus bereits viel erzählt hat. Das Gespräch habe ich aufgenommen. Ich habe bereits im Rahmen von anderen Forschungsarbeiten gemerkt, dass ich mich so am besten auf mein Gegenüber konzentrieren kann. Anschließend habe ich das Gespräch transkribiert. Ich fand es erfrischend und abwechslungsreich das Ergebnis zum ersten Mal sprachlich freier präsentieren zu können!
Ja, ich kann mir gut vorstellen, dass es nicht ganz einfach ist, eigene Verwandte zu interviewen. Ich habe zudem selbst auch die Erfahrung gemacht, dass das Aufnehmen eines Interviews viel angenehmer ist, da man im Gespräch viel weniger mitschreiben muss und sich so besser auf sein Gegenüber konzentrieren kann.