2017 wurde die alte Kelloggs Fabrik geschlossen und erstmals keine Frühstücksflocken mehr hergestellt. Die Historie der Fabrik geht weit zurück, bis in die 1960er Jahre. Ab 1963 wird in Bremen das Produktionswerk, mit eigener Hafenanlage und Bahnhof, gebaut. Schon Mitte des Jahres 1964 laufen die ersten Frühstücksflocken vom Band. Zu dieser Zeit betrug die Belegschaft gerade einmal 20 MitarbeiterInnen. Doch in den folge Jahren sollte die Produktion rasant zunehmen und das Produktionsgelände wächst gleichermaßen mit. Dies lag hauptsächlich daran, dass deutsche Cornflakes vom Markt vertrieben wurden und die amerikanischen sehr populär waren. 1977 wird die ehemalige Reismühle der Reis und Handels AG von Kelloggs übernommen und in eine sechs Etagen hohe Produktionshalle umgebaut. Silos für die riesigen Mengen Mais aus Südamerika kommen bald hinzu.
In den 1980er Jahren kauft Kelloggs auch das Krupp-Atlas-Gelände an der Weser auf, um die Produktion weiter ausbauen zu können. Ende des 20. Jahrhunderts werden von Bremen aus Cornflakes in 50 Länder der Welt exportiert. Bis zu 200 Millionen Packungen werden jährlich in der Hansestadt produziert. Bis in die 2000er Jahre wird das Kelloggs Areal immer weiter ausgebaut und es hat eine wichtige Rolle in der Bremer Wirtschaft inne. Doch 2005 wird, in Folge eines Führungswechsels, die Produktion auch in Spanien und England vorangetrieben. Innerhalb von vier Jahren werden fast die Hälfte der Stellen gestrichen und nur noch 300 Mitarbeiter arbeiten im Bremer Werk. 2016 endet die Kelloggs Produktion in Bremen dann vollständig, weil die Anlagen nicht mehr ausgelastet sind. Das Werkt mit seinen noch 200 Mitarbeitern wird geschlossen und das Gelände steht plötzlich leer. Damit es nicht zu einer Industriebrache wird, soll es zu einem Wohnquartier umgewandelt werden. Der sogenannten Überseeinsel (Klooß, 2018).
Bei der Überseeinsel handelt es sich um einen neuen Stadtteil Bremens, der auf dem Gebiet des ehemalige Kellogg Areal entstehen wird. Gelegen ist er zwischen dem Europahafen und der Weser, im Stadtteil Walle und ist mit seinen 150 Hektar eines der größten Stadtentwicklungsprojekte Europas. Als geographische Verbindung zwischen Innenstadt und Europahafen dienen die Kelloggs-Höfe, welche das Tor zur Überseeinsel darstellen. 2018 kaufte der Windparkprojektierer WPD das Areal von der Kellogg Manufacturing. Immer eng eingebunden sind das Bau- und Wirtschaftsressort der Stadt, in die neu gegründeten Überseeinsel GmbH. Mitte 2019 war der alte Weserbahnhof der Fabrik abgerissen, wodurch etwa 45.000 Quadratmeter baufertig geworden sind. Das Projektunternehmen geht von Gesamtinvestitionen in Höhe von bis zu 800 Millionen Euro auf dem Gebiet der Überseeinsel bis 2029 aus (Beneke, 2019).
Geplant sind hier nun zahlreiches neues Wohn- und Bürogebäude sowie großflächige Grünstreifen, die den Wohnungsmangel in der Innenstadt eindämmen sollen. Somit soll hier ein Quartier geschaffen werden, in dem Wohnen, Arbeiten, Bildung und Freizeit nebeneinander existiert. Anders als in den meisten Neubaugebieten, soll laut WPD nicht nur hochpreisiges Wohnen entstehen, sondern auch kostengünstigeres, wie etwa für uns Studenten. Dies wird wohl auch auf die bis zu dreihundert Wohneinheiten, in einer der ersten Neubauten, direkt am Wasser, zutreffen, welche nur rund 23 Quadratmeter haben sollen. Sie richten sich gezielt an Auszubildenen und Studierende, hauptsächlich aus den umliegenden Firmen. Die Häuser sollen wohl in Containerbauweise errichtet werden, mit vorgefertigten Bauteilen und als Holzbau (Meier&Aderholz, 2020). Des Weiteren soll es am Ende 25 Prozent Sozialwohnungen geben, die ebenfalls für weniger gut betuchte Bewohner gedacht sind. Natürlich sind daneben aber auch zahlreiche große Lofts, mit durchschnittlich je 100 Quadratmetern geplant, die für die wohlhabenden Oberschicht gebaut sind. Auch das klassische Bremer Reihenhaus soll in einer weiterentwickelten Form Platz auf der Überseeinsel finden. Damit wird auf der Überseeinsel wahrscheinlich eine sehr abwechslungsreiche Außenfassade mit vertikalen Unterbrechungen entstehen (Olbermann, 2019).
Die Nähe zur Weser macht das Quartier nicht nur sehr attraktiv, sondern soll es auch mit nachhaltiger Energie aus Wasser und Windkraftwerken versorgen. Dieses möglichst CO2 neutrale Energiekonzept, soll die Überseeinsel mit Strom, Wärme und Kälte versorgen. Dafür wird zum einen das Wasser der Weser, aber auch die Sonnenenergie genutzt (BioConsult, 2020). Zusätzlich werden die im Umkreis von Bremen befindlichen Windkraftanlagen angezapft. Um den Anteil von Strom aus erneuerbaren Energiequellen möglichst hoch zu halten, braucht es modernste Speichertechnologien, da sie nicht immer dann erzeugt wird, wenn der Bedarf da ist. Derzeit werden Machbarkeitsstudien durchgeführt, um eine ideale Effizienz zu ermöglichen (Beneke, 2019).
Auch der Autoverkehr soll größtenteils und wenn möglich komplett, aus dem Viertel verbannt werden. Fahrradfahrer und Fußgänger sollen unbedingt Vorrang gegenüber den Autos haben. Um dies zu ermöglichen, werden klassische Autostraßen gar nicht erst erbaut. Damit die Anreise mit dem PKW eine Alternative bleibt, werden zentrale Tiefgaragen gebaut, in denen geparkt werden kann. Von da aus soll die Mobilität durch Fahrradverleihstationen und E-Shuttles gewährleistet sein. Die Infrastruktur ist extra darauf ausgerichtet, die letzten Meter ohne Auto zu bewältigen. Weil die PKWs wegfallen, bleibt mehr Platz für Grünflächen und Hafenpromenaden, aber auch für Freizeitangebote aller Art. Bremen bekommt zusätzlich über einen Kilometer begehbares Weserufer zurück. Perspektivisch sollen Brücken für den Fuß- und Radverkehr, die Überseeinsel mit der Überseestadt und Woltermershausen verbinden. Sollten diese Brücken erstmal nicht verwirklich werden, ist eine Fährverbindung im Gespräch, da ein Hafenanleger bereits besteht (Olbermann, 2019).
Trotz einer zukunftsorientierten Architektur, soll die Industrie Geschichte des Ortes nicht in Vergessenheit geraten. Deswegen sollen charakteristische Gebäude wie das Silo und das Reislager bewahrt werden, um eine industrielle Atmosphäre zu erhalten. Das Silo wird zum Beispiel seit Anfang des Jahres in ein Hotel mit Restaurant und 120 Zimmern umgebaut und muss deswegen nicht abgerissen werden. In dem ehemaligen Reislager soll eine Lebensmitteleinzelhandels Hotspot entstehen, inklusive eigenem Wochenmarkt. Einige der alten Verwaltungsgebäude von Kelloggs werden beispielsweise in eine Ganztages-Grundschule umgewandelt, die bereits Ende 2020 öffnet (Meier&Aderholz, 2020). Ein anderer Teil der Fabrik, Gebäude 25, soll im Erdgeschoss Platz für Lebensmittelhandwerk bieten. Allgemein sollen möglichst viele innovative Start-ups angesiedelt werden, die sich gegenseitig befruchten. In den oberen Etagen der meisten Gebäude wird Wohnraum geschaffen. Jener Erhalt der alten Gemäuer spart Unmengen von Energie, die ein Abriss mit sich bringen würde und entspricht deswegen den Aspekten der Nachhaltigkeit, welche immer wieder Erwähnung finden (Meisner, 2019).
Auch wenn die Bauarbeiten schon dieses Jahr beginnen, werden sie rund zehn Jahre andauern. Erst dann kann analysiert werden, ob die ambitionierten Pläne der WPD Früchte tragen und ein florierendes, sowie nachhaltiges Viertel entstehen kann, in dem Wohnen, Arbeiten und Freizeit nebeneinander stattfindet. Es bleibt zu befürchten, dass die WPD aufgrund ihrer immensen Investitionen vermehrt hochpreisige Wohnungen schaffen wird. Diese werfen deutlich höhere Erträge ab als etwa Einzimmerwohnungen für Studenten oder Sozialwohnungen. Ob so die Überseeinsel einen großen Anteil an, der von der Bremer Regierung versprochenen, Lockerung des Wohnungsmarktes hat, kann deswegen angezweifelt werden. Denn es braucht nicht nur Wohnungen für die finanzkräftige Oberschicht im Bremer Raum.
Literatur:
- Beneke, Maren (2019): Kellogg-Areal: Eine Idee nimmt Gestallt an (Online) https://www.weser-kurier.de/bremen/bremen-stadt_artikel,-kelloggareal-eine-idee-nimmt-gestalt-an-_arid,1798383.html 1
- BioConsult (2020): Projekte (Online) https://www.bioconsult.de/ 1
- Klooß, Kristian (2018): Aufstieg und Fall des Kellogg-Werks in Bremen (Online) https://www.butenunbinnen.de/nachrichten/politik/kellogg-werk-bremen-geschichte-100.html 3
- Meisner, Tobias (2019): Flakes Eventfabrik (Online) https://www.team-meisner.de/eventagentur/flakes-eventfabrik/ 4
- Meier, Klaus & Aderholz, Johannes (2020): Überseeinsel, Über uns (Online) https://www.ueberseeinsel.de/ueber-uns/ 3
- Olbermann, Hermann (2019): Kellog-Gelände: „Häuser in Containerbauweise“ (Online) https://weserreport.de/2019/07/bremen-bremen/panorama/kellogg-gelaende-haeuser-in-containerbauweise/ 6
Abbildungsquellen:
- Abbildung 1: Klooß, Kristian (2018): Aufstieg und Fall des Kellogg-Werks in Bremen (Online) https://www.butenunbinnen.de/nachrichten/politik/kellogg-werk-bremen-geschichte-100.html 3
- Abbildung 2: Meier, Klaus & Aderholz, Johannes (2020): Mit Vielfalt zur Einheit: Die Quartiere der Überseeinsel (Online) https://www.ueberseeinsel.de/ueber-uns/ 3
Ich glaube schon, dass Wohnanlagen für Studierende ein ziemlich lukratives Geschäft sind, da man viel mehr kleine Einheiten vermieten kann und die Mieten kontinuierlich steigen. Man kann das gut daran ablesen, dass viele internationale Investoren in diesem Segment aktiv sind und überall neue Dorms gebaut werden (auch auf dem Campus).
Da haben Sie sicherlich recht mit. Wenn etwa drei Studenten-Wohnungen den gleichen Mietpreis, oder sogar einen höheren wie eine große Dreizimmerwohnung erreichen, geht die Rechnung auf. Was ich mich aber frage ist, wie hoch die Mieten für diese kleinen Wohnungen sein werden und ob sie, gerade jene mit Weserblick, überhaupt für uns erschwinglich sein werden.
Was sind denn eigentlich die Gemeinsamkeiten und Unterschiede bei der Entwicklung von Überseestadt und Überseeinsel?
Ich denke, dass es viele Gemeinsamkeiten gibt, da in beiden Fällen ein ehemaliges Industriegelände des Hafens, in hochwertige Wohnkomplexe umgebaut wird, um mehr qualitativen Wohnraum zu schaffen.
Bei der Überseeinsel scheint mir der Prozess aber ein bisschen besser geplant zu sein, da schon im Voraus über Infrastrukturelle Maßnahmen nachgedacht wird, die eine gute Anbindung zur Stadt(Zentrum) ermöglichen. Auch wird sich hier in meinen Augen vermehrt auf die Freizeit-und Versorgungseinrichtung konzentriert, dir in der Überseestadt erst nach und nach errichtet wurden und bis heute noch nicht ausreichend vorhanden sind.