Streiks der Hafenarbeiter weltweit gab es schon vielzählige, angefangen mit dem Streik der Kohleträgerinnen und Seeleute 1768 in London, woher auch der Name kommt. Damals wollten die Seeleute herausfinden, auf welchem Schiff man die beste Heuer (Lohn) bekommen kann und fanden heraus, dass es enorme Unterschiede in der Bezahlung zwischen den einzelnen Schiffsbesitzern und Kapitänen gab. Daraufhin haben sie die „Segel gestrichen“ („striking“), das heißt, sie haben die Toppsegel der Schiffe entfernt, um diese bewegungsunfähig zu machen. Sie wollten die Angleichung der Löhne und unterließen daher ihre Arbeit und streikten (Feenan 2020).In der Lerneinheit 9 wurde auch schon kurz auf die Namensgebung eingegangen.
Seit dieser Zeit kam es immer wieder zu Arbeitsniederlegungen in den Häfen, um die zum Teil katastrophalen Arbeitsbedingungen für die Arbeitnehmer zu verbessern. Die Häfen von Hamburg und Bremen waren schon von jeher Konkurrenten, jedoch wenn es um die Arbeiter ging, immer miteinander verbunden. Nach dem 2. Weltkrieg kam es immer wider zu kleineren Streiks entweder in den Hamburger Häfen oder in den Bremer Häfen, wobei sich meistens die Arbeiter der Häfen miteinander verbrüderten und unterstützten. 1951 bis 1955 kam es zu kleineren Streiks, welche die Arbeiter jedoch meist verloren, wobei 1953 ein Sechswöchiger Streik dazu führte, dass die Arbeiter zwar gewonnen hatten, jedoch durch viele Abstriche des geforderten indirekt doch verloren hatten. Erreicht wurden damals unter anderem die Durchbrechung des geforderten Lohnstropps, eine Lohnerhöhung von 5 Pfennigen „und die noch in der vierten Streikwoche aufgestellte 80 Prozent Klausel der Unternehmer wurde aus dem vereinbarten Lohnabkommen herausgenommen“ (Postel 2005: 170). Im Gegensatz dazu wurde unter anderem der Tarifvertrag auf 15 Monate Laufzeit festgelegt und die Arbeiterschaft musste einsehen, dass die Gewerkschaft „in Ihrem Sinne neben den Lohn- auch die Arbeitsbedingungen ändern würde“ (Postel 2005: 170). Die letzten großen Tarifverhandlungen inklusive Streik war 1977/1978, welchen ich im nachfolgenden Text aufgreifen möchte, da diese nicht nur für die Häfen den zukünftigen Maßstab setzte, sondern auch für die anderen Branchen, welche über Gewerkschaften vertreten worden sind. Zu den verschiedenen Berufen in den Häfen kann man sich auch noch einmal in dem Blogeintrag von Paul Pogmann und Jonas Brinkmann informieren.
Anfangen möchte ich mit der Sozialen Lage der Hafenarbeiter zwischen 1970 und 1977 sowie der Lage der Hafenwirtschaft in diesen Jahren als Grundlage zur Vorbereitung der Lohnbewegungen in den Häfen und den Verlauf des Streiks und den Tarifverhandlungen.
Die Jahre 1970 bis 1977
In den Jahren von 1970 bis 1977 sanken die Hafenarbeiterzahlen in Bremen um 18,7%, wobei die Jahresleistung in t jedoch pro Hafenarbeiter um 21,9% im gleichen Zeitraum stieg. 1977 gab es circa 26.000 Hafenarbeiter in der Bundesrepublik Deutschland die sahen, dass in diesem Zeitraum die Gewinne und Investitionen der Unternehmer stiegen, die Arbeitsplätze jedoch abgebaut wurden, die Arbeitshetze stieg und dadurch die Unfallgefährdung nicht vermindert. Durch die Industrialisierung des Hafenumschlags verringerte sich zwar die körperliche Arbeit doch die Arbeitsbelastung stieg. Anfang 1970 lag der Ecklohn eines Hafenarbeiters bei rund 5,55 DM und stieg bis 1977 auf 9,99 DM. Das Problem dabei war jedoch, dass fast die Hälfte der Lohnsteigerung für die Lebenserhaltungskosten, die in diesen Jahren ebenfalls stiegen, draufgingen (Pickshaus/Witich 1978: 13/14). Die Situation in der Hafenwirtschaft trug ebenfalls zu der Lohnbewegung von 1977/78 bei. Die Häfen hatten in den 70er Jahren eine sehr gute Branchenkonjunktur. „Die Pro-Kopf-Einnahmen der Hafenunternehmen liegen in Hamburg und Bremen weit über denen der Resthäfen, da in diesen beiden Häfen der größte Teil des Stückgutumschlages getätigt wird, bei dem die „Wertschöpfung“ pro Tonne rund 15mal so hoch ist, wie z.B. bei einer Tonne Mineralöl“ (Pickshaus/Witich 1978: 14). Jedoch gab es eine gewaltige „Diskrepanz zwischen dem Anwachsen der Arbeitsproduktivität und der Gewinnentwicklung einerseits und Beschäftigungs- und Lohnentwicklung andererseits“ (Pickshaus/Witich 1978: 14). Diese Diskrepanz und die gute Branchenkonjunktur waren wichtige Faktoren, die zu dem Warnstreik der Hafenarbeiter in Hamburg und Bremen Ende 1977 beziehungsweise Anfang 1978 führten. Die Vorbereitungen zu den Lohnverhandlungen begannen Ende August 1977. „Der geschäftsführende Hauptvorstand der ÖTV [Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr] unterbreitete den Hafenarbeitern am 28.August 1977 einen „Diskussionsvorschlag“, der eine Anhebung der Stundenlöhne um 8,5 Prozent vorsah“ (Pickshaus/Witich 1978: 15). Die Forderungen der Arbeiter waren in Hamburg und Bremen außer der 7 bis 12 prozentigen Lohnerhöhung mitunter eine Festbetragsforderung von 200 DM bis 220 DM und eine Abschaffung der Niedriglohngruppen I & II. Daraufhin beschloss die Bundestarifkommission beschloss am 29.10.1977 eine Lohn- & Gehaltserhöhung von 9%, Schichtzuschläge von 15- 30%, eine Verbesserung im Eingruppierungsvertrag sowie eine tarifliche Absicherung für hochqualifizierte Berufe. Durch die gute Branchenkonjunktur in den Häfen waren die Rahmenbedingungen für diese Art von Arbeitskampf sehr günstig.
Der Verlauf des Streiks
Ende 1977 kam es zu inoffiziellen Vorverhandlungen zwischen dem Zentralverband deutscher Seehafenbetriebe e.V., der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA) und der ÖTV. Der ÖTV wurden inoffiziell 3,5 bis 4 Prozent Lohnerhöhung angeboten, wobei die ÖTV, ebenfalls inoffiziell drohte, die Verhandlungen abzubrechen. „Nach sieben freien Verhandlungsrunden, die am 29. Dezember 1977 scheiterten, lag ein Angebot von 4,8 Prozent vor“ (Pickshaus/Witich 1978: 15). Daraufhin gab es zwei Schlichtungsrunden, in denen ein Einigungsvorschlag ausgearbeitet wurde, indem je nach Lohngruppe eine Erhöhung von 5 bis 5,8 Prozent vorgesehen war. Der Hauptvorstand der ÖTV erklärte am 16. Januar 1978 den Einigungsvorschlag als völlig unzureichend (Pickshaus/Witich 1978: 15). Kurz darauf folgte der erste Aufruf der ÖTV zur ersten Urabstimmung am 19. & 20. Januar 1978, bei der die Arbeiter abstimmten sollten, ob diese in den Streik treten wollen, um ihre Forderungen durchzusetzen. Dafür wurden in Hamburg und Bremen 25 Busse als rollende Abstimmungskabinen eingesetzt, welche später als Streik- und Agitationslokale benutzt wurden. Dabei stimmten 97,12% mit JA und lediglich 2,75% mit Nein. Daraufhin wurde die zentrale Arbeitskampfleitung nach Hamburg verlegt. Mit diesem Ergebnis versuchte die ÖTV noch einen weiteren Einigungsversuch, welcher jedoch am 24. Januar 1978 scheiterte. Somit traten „am 25.1.1978 für die bundesdeutsche Öffentlichkeit überraschend 16.000 Hafenarbeiter in Bremen, Bremerhaven, Hamburg, Kiel und Lübeck in den Streik“ (Geffken 2015: 93).
In Bremen organisierten sich die Hafenunternehmer ebenfalls, indem der Hafenbetriebsverein einen Streikausschuss bildete. Die zu jedem Streik gehörenden Streikbruchaktivitäten beschränkten sich Hauptsächlich auf den Hamburger Hafen. Die „Unterwanderung der Notdienste, Einsatz nichtstreikender Angestellter, Fremdfirmen, hafenfremde Arbeiter aus Speditionen und arbeitslosen Randgruppen wurden mit Doppelentlohnung gelockt“ (Pickshaus/Witich 1978: 16). Die Streikbruchversuche hatten jedoch nach kurzer Zeit keine Bedeutung mehr inne, da die Streikposten regelmäßig mit Essen und Trinken versorgt wurden und somit die Streikfront an allen 7 Seehäfen geschlossen blieb. Jedoch blieb es nicht nur bei Streikbruchaktivitäten der Unternehmer. Sie versuchten durch Propaganda die Verhandlungen zu sabotieren, indem sie sagten, dass die Arbeit in den Häfen schnellstmöglich wieder aufgenommen werden müsse, da Hafenkunden sich in dieser Zeit Häfen in anderen Ländern suchen würden und die Wirtschaft in den Deutschen Häfen dadurch zu leiden hätte, da diese Kunden nicht mehr zurückkommen würden. Die ÖTV reagierte mit Internationaler Verbundenheit darauf. „Die ITF (Internationale Transportarbeiter Föderation, mit Sitz in London) forderte erfolgreich die nationalen Hafenarbeitergewerkschaften in Holland, Belgien, England und Skandinavien auf, keine Schiffe anzufassen, die für deutsche Seehäfen bestimmt waren“ (Pickshaus/Witich 1978: 17). Die Arbeit der ÖTV für die Solidarität der arbeitenden Bevölkerung für die Hafenarbeiter blieb jedoch durchgehend unzureichend.
Am 28. Januar 1978 wurde ein Kompromissvorschlag von 7% ab Februar 1978 den Beteiligten des Streiks vorgelegt, nachdem sich der 1. Bürgermeister von Hamburg sich in die Tarifverhandlungen als „Vermittler“ einmischte. Die Bundestarifkommission sowie die Funktionärsversammlung stimmten dem Kompromissvorschlag zu, wobei die Funktionärsversammlung lediglich die Form des Streikabschlusses kritisierte. Am 30. Januar sollte die 2. Urabstimmung folgen, sodass am 31. Januar 1978 die Arbeit wieder aufgenommen werden konnte. Die Gewerkschaftsführung hatte aber nicht registriert, dass die Erwartungen der Arbeiter schneller gestiegen sind, als erwartet und dass es, trotz ohne langfristige Mobilisierung, eine erstaunlich hohe Kampfbereitschaft unter den Arbeitern gab, sodass diese in der 2. Urabstimmung mit 55,8% Nein-Stimmten den Kompromissvorschlag ablehnten (Pickshaus/Witich 1978: 17). Der Hauptvorstand der ÖTV jedoch versuchte den Arbeitern klar zu machen, dass längere Tarifverhandlung zu keinem wesentlich besseren Ergebnis führen würden und somit holten die Arbeiter lediglich noch einen Zuschuss von 115 DM für den Januar raus. Die 3. Urabstimmung kam schlussendlich zu dem Ergebnis, dass 75,7% für die Annahme des neuen Tarifvertrags stimmten und 24% dagegen waren. Da die 75%-Grenze jedoch erreicht war, wurde der neue Vertrag angenommen. Am 2.Februar 1978 wurde der Streik beendet.
Literatur
- Feenan, Dermot (2020): Die Geburt des Streiks. In: Jacobin Magazin. Online: https://jacobin.de/artikel/streik-arbeitskampf-erster-mai/ (Abgerufen am 20. Juli 2020)
- Geschichte der Arbeiterbewegung Bremerhavens. IG Metall. Internetseite. https://www.igmetall-weser-elbe.de/bilder-interessantes/news/geschichte-der-arbeiterbewegung-bremerhavens-2092 (Abgerufen am 20. Juni 2020)
- Geffken, Rolf (2015): Arbeit und Arbeitskampf im Hafen. Zur Geschichte der Hafenarbeit und der Hafengewerkschaft. Bremen: Edition Falkenberg.
- Gräfing, Birte (2009): Vom Stauhaken zum Container. Hafenarbeit im Wandel. Kellner Verlag.
- Pickshaus, Klaus/ Witich Roßmann (1978): Soziale Bewegung. Analyse und Dokumentation des IMSF. Nachrichten-reihe 13. Streik und Aussperrung ´78. Hafen – Druck – Metall. Frankfurt/Main: Nachrichten-Verlags-GmbH.
- Postel, Andree (2005): Der Bremer Werftarbeiterstreik 1953. Arbeiter zwischen Klassenkampf und Antikommunismus. In: Kuckuck, Peter (Hrsg.) (2005): Die AG Weser in der Nachkriegszeit (1945-1953). Bremen: Edition Temmen, S. 170-213.
Danke für den interessanten und detaillierten Beitrag! Welche mittel- und langfristigen Auswirkungen hatte der Streik eigentlich in Bremen? Gab es danach noch große Streiks in den Bremsichen Häfen?
Wie könnte man die Hafenstreiks eigentlich jenseits der Sekundärliteratur beforschen? Welche Daten gibt es? Welche könnte man wie erheben?