Die Studier­persön­lich­keit von Studierenden mit der Spinnennetz-Technik stärken

Das Bild zeigt neun Spielsteine aus einem Scrabble-ähnlichen Spiel, die in einem 3x3-Raster angeordnet sind und die Frage „WHO ARE YOU?“ (Wer bist du?) bilden. Die Steine sind aus hellem Holz und die Buchstaben sind schwarz aufgedruckt. Der Hintergrund ist weiß.

von Miriam Kahrs  — Bild: Brett Jordan / Unsplash

Die Spinnennetz-Technik unterstützt Studierende dabei, ihre Studierpersönlichkeit zu entfalten und zu verstehen, indem sie wesentliche persönliche Eigenschaften und Kompetenzen fokussiert, die für ein erfolgreiches Studium und persönliches Wachstum hilfreich sind. Diese Eigenschaften und Kompetenzen sind in fünf Reflexionskategorien zusammengefasst: (1) Offenheit, (2) Zugewandtheit, (3) Haltung, (4) Fokus und (5) Resilienz.

Entwickelt wurde die Technik in Anlehnung an das FIT-Prinzip nach Remo Largo (Remo Largo, 2017) im Rahmen eines Innovationslabs des Bachelorstudiengangs Soziologie, das im Projekt SKILL-UB an der Universität Bremen durchgeführt wurde.

Das Ziel der Technik besteht darin, dass Studierende ihre individuelle Ausprägung in den einzelnen Kategorien einschätzen, um so angeregt individuelle Entwicklungspotenziale zu entdecken und sich Entwicklungsziele zu setzen, die innerhalb eines festgelegten Zeitraums verfolgt werden können. Die Technik kann im Rahmen von Veranstaltungen genutzt werden, beispielsweise in der Studieneingangsphase oder auch zu einem späteren Zeitpunkt im Studium. Sie kann an unterschiedlichen Punkten des Semesters eingesetzt werden: Zu Beginn nutzen die Studierenden die Technik, um ihre Entwicklungspotenziale zu entdecken und sich Entwicklungsziele zu setzen. Zum Ende hin wird die Technik erneut eingesetzt, um Veränderungen in der Kategorienausprägung sichtbar zu machen und zu überprüfen, inwieweit die selbst gesetzten Entwicklungsziele tatsächlich erreicht wurden. 

Die fünf Spinnennetz-Kategorien 

Es wird eine Abbildung gezeigt, die ein Spinnennetz mit fünf Bereichen aufzeigt: Resilienz, Offenheit, Zugewandheit, Haltung und Fokus.
Abbildung: Spinnennetz mit Reflexionskategorien

1. Offenheit (Kreativität und Neugier)
Ich bin Neuem gegenüber aufgeschlossen. Ich stelle gerne Fragen und suche nach Antworten, gerne auch auf ungewöhnlichem Weg. Ich finde rasch Lösungen für alltägliche Fragen und Probleme.

2. Zugewandtheit (Kommunikation und Kooperation)
Ich drücke mich auch bei fachlichen Themen verständlich aus, mündlich und schriftlich. Im gemeinsamen Miteinander mit anderen Personen finde ich schnell meine Rolle und bringe mich gerne ein. 

3. Haltung (Kritisches Denken und Ethik)
Ich achte darauf, meinen Standpunkt zu Themen, die mich interessieren, überlegt zu entwickeln und zu vertreten. In Diskussionen respektiere ich andere Meinungen und kann meine Position gut darstellen. Wichtige Prinzipien eines guten menschlichen Zusammenlebens in Gesellschaft, Umwelt, Wirtschaft etc. sind mir wichtig.

4. Fokus (Motivation und Organisation)
Ich kann (Lern-)Aufgaben gut selbstorganisiert erledigen. Ich kann Ziele definieren und es fällt mir leicht, die dabei erforderlichen Schritte anzugehen und Teilaufgaben planvoll zu bearbeiten. Ich habe ein gutes Zeitgefühl.

5. Resilienz (Selbstwirksamkeit und innere Stärke)
Ich habe eine Vorstellung von dem, was ich längerfristig erreichen möchte. Ich kenne meine Bedürfnisse und Stärken. Ich kann mit Herausforderungen umgehen, indem ich sie aus eigener Kraft angehe und dabei auch Hilfe in Anspruch nehme. Ich kenne meine Belastungsgrenze und finde einen Ausgleich zu stressigen Situationen.

Und so geht’s: 

Schritt 1: Die Studierenden erhalten das „Spinnennetz“-Arbeitsblatt. Auf diesem sind die fünf Kategorien erläutert und es ist ein Spinnennetz mit sieben Ebenen abgebildet (siehe Abbildung 1)“. Ebene 0 steht dafür, dass die Kompetenzen einer Kategorie „nicht ausgeprägt“ sind und Ebene 7 bedeutet eine extreme Ausprägung. 

Schritt 2: Die Studierenden sollen nun individuell für jede Kategorie eine Selbsteinschätzung darüber abgeben, wie gut ihre Kompetenzen jeweils ausgeprägt sind. Dies erfolgt, indem sie die Ebenen je nach Einschätzung ihrer persönlichen Ausprägung markieren. 

Schritt 3: Im Anschluss haben die Studierenden Zeit, ihr Ergebnis zu betrachten und in einer Einzel- oder Gruppenreflexion darüber nachzudenken, in welchen Kategorien sie persönliche Entwicklungspotentiale erkennen und sich ein bis drei Entwicklungsziel(e) zu setzen, die sie bis zu einem festgelegten Datum erreicht haben wollen. 

Schritt 4: Um die Studierenden in ihrem Entwicklungsprozess zu unterstützen, können Sie ihnen Impulsfragen und/oder unterstützende Methoden empfehlen oder solche in Ihrer Lehrveranstaltung einsetzen. Nutzen Sie dazu gerne diese Impulsesammlung  oder die untenstehende Methodensammlung als Anregung. 

Schritt 5: Am Ende des Semesters oder zu einem anderen gewählten Zeitpunkt bearbeiten die Studierenden das „Spinnennetz“-Arbeitsblatt erneut. Anschließend prüfen sie, ob sich im Vergleich zum vormaligen Ausfüllen etwas geändert und inwieweit sie ihre gesetzten Ziele erreicht haben. Das Ergebnis kann in einer Einzel- oder Gruppenarbeit reflektiert werden. 

Warum lohnt sich der Einsatz in der Lehre:

Selbstreflexion: Sie gibt den Studierenden die Möglichkeit, sich selbst kritisch zu reflektieren. Durch die Selbsteinschätzung können sie ein besseres Verständnis für ihre eigenen Stärken und Potenziale entwickeln.
 
Zielsetzung: Indem Studierende ihre Selbsteinschätzung visualisieren, können sie konkrete Entwicklungsziele setzen. Das hilft ihnen, fokussiert und zielgerichtet an ihrer Selbstentwicklung zu arbeiten.
 
Motivation: Das Erkennen von eigenen Potenzialen und das Setzen von persönlichen Zielen kann die Motivation steigern, da Studierende klare Bereiche für Wachstum identifizieren und einen Plan zur Verbesserung ihrer Kompetenzen entwickeln.
 
Fortschrittsmessung: Durch die regelmäßige Anwendung der Technik, beispielsweise zu Beginn und am Ende eines Semesters, können Studierende ihren Fortschritt nachvollziehen, was wertvolle Erfahrungen zur Selbstwirksamkeit mit sich bringt. 
 
Anpassungsfähigkeit: Die Technik kann flexibel zu verschiedenen Zeitpunkten im Studium eingesetzt werden, um Studierende dabei zu unterstützen an persönlichen Entwicklungszielen zu arbeiten. Zudem können die Kategorien bei Bedarf von Lehrenden angepasst werden, so dass andere Reflexionsschwerpunkte gesetzt werden können. 

Methodensammlung

Die Methode 5 x Warum kann dabei helfen, ein tieferes Verständnis für ein Problem zu entwickeln. Entwickelt wurde sie ursprünglich vom japanischen Erfinder und Gründer von Toyota Industries, Tojoda Sakichi. Dabei wird die Frage „Warum?“ bezogen auf ein Problem solange gestellt, bis keine Antworten mehr kommen. Die Methode wird in der Regel in einer Gruppe (idealerweise bis 6 Personen) angewendet, kann aber auch allein durchgeführt werden.

(empfohlene Kategorien: Haltung, Offenheit, Resilienz)

Die 6W-Fragen-Methode ist eine Technik zur strukturierten Informationssammlung und Problemanalyse. Sie kann alleine oder in der Gruppe (idealerweise bis 6 Personen) angewendet werden. Sie besteht darin, durch gezielte Fragen die wesentlichen Aspekte eines Themas oder Problems systematisch zu erfassen. Die 6W stehen für: Wer? Was? Wann? Wo? Warum? Wie? Diese Fragen helfen, komplexe Sachverhalte klar zu erfassen und fundierte Entscheidungen zu treffen.

(empfohlene Kategorie: Offenheit)

Brainwriting ist eine abgewandelte Brainstorming-Methode, die in der Gruppe angewendet werden kann (idealerweise bis zu 6 Personen). Sie eignet sich besonders, um Ideen für Lösungen eines Problems zu sammeln. Im Unterschied zum klassischen Brainstorming werden die Ideen schriftlich in Runden gesammelt. In jeder Runde können neue Ideen entstehen oder bereits notierte weiterentwickelt oder abgewandelt werden. Es entstehen somit viele Ideen in kurzer Zeit. 

(empfohlene Kategorie: Offenheit)

Die Eisenhower-Matrix (auch Eisenhower-Prinzip oder Eisenhower-Methode) dient dazu Aufgaben nach Wichtigkeit und Dringlichkeit zu sortieren und somit zu priorisieren. Die Methode kann in der Gruppe (idealerweise bis 6 Personen), zum Beispiel im Rahmen von Gruppenarbeiten und Projekten oder von Einzelpersonen als Hilfsmittel zur (Selbst-)Organisation, angewendet werden. 

(empfohlene Kategorie: Fokus)

Die Methode „Energietank“ ist ein visuelles Werkzeug zur Selbstreflexion, das dabei hilft, herauszufinden, was im Alltag Kraft spendet, Stress reduziert und zur inneren Ruhe beiträgt. Ein Energietank symbolisiert dabei das individuelle Energielevel. Durch das Erstellen eines eigenen Energietanks wird sichtbar gemacht, welche Aktivitäten, Situationen oder Menschen den Tank in welcher Höhe füllen. Die Darstellung erfolgt in Schichten, die die unterschiedlichen Energiequellen abbilden.

(empfohlene Kategorie: Resilienz)

Die Methode „Gestaltung von Teamarbeit“ dient der Vorbereitung einer inhaltlichen Zusammenarbeit in Gruppen. Studierende tauschen sich darüber aus, welche Stärken und Herausforderungen sie in eine Gruppenarbeit einbringen und was ihnen in der Zusammenarbeit wichtig ist. Das Ziel der Methode ist die Vereinbarung von Leitlinien für die gemeinsame Arbeit.

(empfohlene Kategorie: Zugewandtheit)

Die SMART-Methode dient der effektiven Zielsetzung, indem sie hilft, klare, realistische und erreichbare Ziele zu formulieren. Das Akronym SMART steht für spezifisch, messbar, attraktiv, realistisch und terminiert. Sie kann alleine oder in der Gruppe (idealerweise bis 6 Personen) angewendet werden. Die Methode minimiert Unklarheiten und erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Ziele erfolgreich erreicht werden.

(empfohlene Kategorie: Fokus)

Das Speedmeeting zum Kennenlernen von individuellen Arbeitsweisen im Team soll dabei helfen unterschiedliche Bedürfnisse, Herangehensweisen und Präfenzen von Teammitgliedern sichtbar zu machen. Die Methode sollte idealerweise direkt am Anfang einer Gruppenarbeit durchgeführt werden, so dass die gewonnenen Informationen bei der gemeinsamen Zusammenarbeit und der Verteilung von Aufgaben berücksichtigt werden können. 

(empfohlene Kategorie: Zugewandtheit)

Das Superheld:in-Brainstorming soll dabei helfen, in einem Ideenfindungsprozess gedanklichen Zugriff auf neue Perspektiven zu erhalten; d. h. auf andere Denkmuster zuzugreifen als diezumeist unbewusst bevorzugten. Dazu wird die Frage gestellt:  Was würde „XY“ tun, um das Problem „P“ zu lösen? Die Methode wird in der Gruppe (idealerweise bis 6 Personen) angewendet, kann aber auch allein genutzt werden. Gewählt werden kann zum Beispiel die Perspektive eines Superhelden wie Superman. Es kann aber auch die Perspektive von genialen Persönlichkeiten, persönlichen Vorbildern, Kindheitshelden, erfolgreichen Organisationen oder Unternehmen u. a. gewählt werden. Die Auswahl trifft jeder in der Gruppe für sich individuell.

(empfohlene Kategorie: Offenheit)

Die Methode der Wertehierarchie dient dazu, persönliche Werte zu identifizieren und zu priorisieren. Durch das systematische Abwägen und Vergleichen von Werten wird eine Rangordnung erstellt, die zeigt, welche Werte für eine Person in einem bestimmten Kontext (z. B. Lebensbereich) besonders wichtig sind. Diese Erkenntnisse können helfen, Handlungen (z. B. Entscheidungen) im Einklang mit den eigenen Werten zu treffen und Unstimmigkeiten im Handeln zu vermeiden. Da die Gewichtung der Werte je nach Kontext variieren kann, ist es sinnvoll, für unterschiedliche Kontexte individuelle Wertehierarchien zu erarbeiten.

(empfohlene Kategorie: Haltung)

Weitere Methoden-Inspiration ist auf der Website der Studierwerkstatt der Universität Bremen sortiert nach den folgenden Themen zu finden:

Weiterführende Links und Quellen:

Remo Largo (2017): Das passende Leben. Was unsere Individualität ausmacht und wie wir sie leben können. München: Fischer Verlag.

Erklärvideo der Studierwerkstatt der Universität Bremen „Bedürfnisse und Stärken erkennen – das FIT-Prinzip im Studium“

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