Umgang und Kampf mit und gegen den Antisemitismus in der Schule

Welche Berührungspunkte hatten Sie bereits mit dem Thema Antisemitismus? Beschreiben Sie wichtig entscheidende Situationen und wie sie diese vor dem Hintergrund dieser Vorlesung bewerten würden.

 

Ich habe mich schon einige Male in Situationen wiedergefunden, in denen Antisemitismus eine große Rolle gespielt hat. Mein ältester Kindheitsfreund ist Jude. Mit ihm habe ich verschiedene Situationen erlebt, in denen der Antisemitismus mal schwerwiegender war und einandern Mal war es ‚nur‘ ein antisemitischer Witz in der Fußballumkleidekabine oder eine unterschwellige Referenz auf antisemitische Sterotype, wie die angebliche Finanzaktivität und -affinität jüdisch gläubiger Menschen. Tatsächlich sind wir schon auf offener Straße angefeindet worden, als wir zusammen unterwegs waren. Meine Erfahrungen beziehen sich hierbei allerdings nur auf verbale Gewalt wie Bedrohungen oder Beschimpfungen. Ich weiß allerdings, von der Familie meines Freundes, dass sie auch schon physisch angegriffen wurden, weil sie offen jüdische Kleidung am helllichten Tage in der Stadt oder in öffentlichen Verkehrsmitteln getragen haben. Vor dem Hintergrund dieser Vorlesung verurteile ich die Vorkommnisse selbstverständlich. Schon die Tatsache, dass an der Uni eine Vorlesung über Antisemitismus existiert, zeigt, wie wichtig das Thema ist und wie präsent Antisemitismus auch heutzutage ist. Ich weiß von meinem Freund, dass er persönlichen die ewigen Auseinandersetzungen, Rechtfertigungen und Bagatellisierungen antisemitischer Straftaten und den Hass leid ist, aber andererseits ist er Meinung, dass jede*r für die Freiheit und die Menschenwürde von allen eintreten sollte und muss. Angesichts vieler aktueller politisch und gesellschaftlicher Entwicklungen denke ich, dass er recht hat. Der Kampf gegen Antisemitismus ist vielleicht in nächster Zeit nicht zu gewinnen, allerdings zeigt uns vor allem die antisemitisch motivierte Gewalt, dass der Kampf klar und fatal zu verlieren ist. Wer seine Stimme nicht erhebt, kalkuliert eben damit, dass es Antisemiten ohne Widerspruch und Gegenwehr tun.

 

2. Welche Fragen haben sich durch den Vortrag ergeben? In welchen Bereichen fühlen Sie sich noch unzureichend informiert oder vorbereitet, um sich mit Antisemitismus in der Schule als Lehrkraft zu beschäftigen?

 

Für mich hat sich direkt die Frage, wie ich persönlich meine extreme Abneigung gegenüber Antisemitismus und meine persönlichen Wertvorstellungen diesbezüglich mit der beruflichen Professionalität der Lehrkraft verträglich verbinden soll. Wie oben erwähnt, bin ich selbst durch Menschen, die mir sehr wichtig sind, von Antisemitismus betroffen beziehungsweise in Kontakt mit der Thematik gekommen, sodass ich mich in den Widerspruch wiederfinde nicht neutral auf diesem Themengebiet zu sein, es aber auch nicht zu wollen und zu können. Im Zuge der Vorlesung habe ich mich sofort gefragt, wie ich einem antisemitischen Vorfall in der Schule begegnen sollte ohne mich dabei persönlich angegriffen zu fühlen oder persönlich andersherum zu werden.
Dazu würde ich gerne nähere Informationen, Methoden und Strategien zum Umgang mit beispielsweise einem Fall von antisemitischen Aussagen innerhalb einer Klassengemeinschaft, die sich explizit und nicht explizit auf eine*n Schüler*in beziehen, erhalten.

Des Weiteren würde ich gerne mehr Informationen erhalten, wie ich mich als Lehrkraft argumentativ gegen antisemitische Parolstrategien, wie zum Beispiel die Täter-Opfer-Umkehr nach Stender bezogen auf die Viktimisierung der Wir-Gruppe zur Wehr setzten kann (vgl. Stender 2010, S. 13-15 ). Eine Schulung zu diesem Themenbereich wäre meiner Meinung nach sehr sinnvoll.

 

Beschäftigen Sie sich mit folgendem Szenario: Ein Elternteil spricht sie persönlich als Lehrkraft darauf an, dass ein Schüler Ihrer Klasse von verbalen antisemitischen Angriffen betroffen war. Überlegen Sie, wie ein konstruktiver Umgang mit dieser Situation aussehen könnte.

 

Wäre ich der Lehrer dieser Klasse, würde ich es für das wichtigste halten, die Situation, also die antisemitischen Angriffe und Vorkommnisse lückenlos aufzuklären. Aufklärung ist hierbei das relevante Wort. Ich denke, es wäre sinnig, wenn ich mich mit meinen Schüler*innen über das Judentum, seine Geschichte, den Antisemitismus und seine Geschichte unterhalten würde. Die intensive Auseinandersetzung mit dem Thema ist unabdingbar im Falle von verbalen Angriffen. Meiner Einschätzung nach gibt es einige, vor allem junge Menschen, die antisemitische Stereotype und Vorurteile reproduzieren ohne selbst wirklich antisemitisch zu sein, weil sie sich nicht wirklich intensiv mit dem, was sie sagen, auseinandersetzen. Die eigene kritische Reflektion ist für mich ein Schlüsselelement zur Bekämpfung von Antisemitismus. Das andere Schlüsselelement ist der persönliche Kontakt mit Menschen jüdischen Glaubens. Antisemiten verfolgen meiner Erfahrung nach oft die Taktik, Jüdinnen und Juden durch Mythen und schreckliche Schauergeschichten zu entmenschlichen, sodass das von ihnen erklärte absolut Böse kein Gesicht hat. Ich denke, dass es effektiv ist, genau an diesem Punkt anzusetzen und dem Antisemitismus mit ,jüdischen‘ Gesichtern entgegenzukommen, bis Zweifler oder Antisemiten erkennen müssen, dass Menschen jüdischen Glaubens nicht von außen oder durch ihre Handlung und ihr Verhalten zu erkennen sind. Deswegen denke ich, dass ich meinen Kindheitsfreund Samuel in die Klasse mitnehmen würde und er sich all den Fragen der Schüler*innen stellen würde, um dem Antisemitismus ein Gesicht entgegen zu halten.

Ich denke, dass dieser Ansatz mit Antisemitismus in der Schule umzugehen konstruktiv-progressiv ist, weil so di Vorfälle nicht relativiert, sondern als aktuell relevantes Problem behandelt werden (vgl. Folie 17).

 

 

Literatur:

Foliensatz der 13. Ringvorlesung Umgang mit Heterogenität in der Schule (GO)

Stender, Wolfram: Konstellationen des Ansemitismus. Zur Einleitung, in: Stender, Wolfram; Follert, Guido; Özdogan, Mihri: Konstellationen des Antisemitismus. Antisemitismusforschung und sozialpädagogische Praxis, Wiesbaden 2010.

 

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