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Genderkompetenzen im Literaturunterricht RV03

  1. Erörtern Sie die zentrale Bedeutung der Lektüreauswahl im Kontext der Ansatzpunkte (Vermittler*innen, Rezipient*innen, Kompetenzziele, Lerngegenstände) eines gendersensiblen Literaturunterrichts.

Für die Gestaltung eines gendersensiblen Literaturunterrichts ist die Auswahl einer Unterrichtslektüre, vor dem Hintergrund das Gender eine Heterogenitätsdimension darstellt besonders signifikant. Die Lehrkraft als Vermittler*in hat einen bedeutsamen Einfluss auf die Lesesozialisation sowie Lesemotivation aller Schülerinnen und Schüler. Um beide Geschlechter  gleichermaßen anzusprechen, muss eine Vielfalt an Lesevorbildern vorhanden sein, die sowohl weiblich als auch männlich geprägt sind. Auf diese Weise können durch Identifikationsangebote für Mädchen und Jungen den Geschlechterklischees wie „Lesen ist weiblich“ schrittweise entgegengewirkt werden. Des Weiteren müssen Interessengebiete der SuS erfragt werden, um thematische Präferenzen beider Geschlechter zu ermitteln und zu berücksichtigen. Während sich die Mädchen von Beziehungs-, Tier- und Liebesgeschichten faszinieren lassen, interessieren sich die Jungen für Spannung, Action, Abenteuer und Kampf (Quelle: Garbe 2018). Diese beispielhaften Präferenzen dienen lediglich zur Orientierung und sollten nicht pauschalisiert werden. Viel wichtiger ist es Wünsche zu erfragen und eine gemeinsame Entscheidung bzgl. der Klassenlektüre zu treffen. Zudem sollten unterschiedliche Textsorten im Unterricht behandelt werden, um die Lesekompetenzen aller SuS zu fördern. Dass die Jungen gerne informierende Texte lesen während die Mädchen zu literarischen Texten neigen, muss in Erwägung gezogen werden (Quelle: IGLU 2016). Außerdem ist es wichtig, dass in den ausgewählten Lektüren weibliche sowie männliche Protagonisten auftreten, die der Genderordnung nicht entsprechen, um durch genderabweichendes Verhalten bisherige Rollenmuster von Kindern in Frage zu stellen. Durch die Auseinandersetzung mit Lektüren, die explizit oder implizit Genderkonstruktionen behandeln können vorherige starre Rollenmuster aufgebrochen und erweitert werden.
Neben der Lesekompetenz muss auch die literarische Kompetenz gefördert werden. Um die Lese- und literarische Kompetenz gleichzeitig zu begünstigen kann man diese medienübergreifend miteinander verbinden, in dem Teile der Geschichte gelesen und gehört oder gesehen werden. Darüber hinaus ist es wichtig, verschiedene Aufgabenformate wie analytisch-produktiv und offen- geschlossen anzubieten, damit alle Kinder Zugänge finden und individuell arbeiten können.

  1. Welche Erfahrungen haben Sie bislang mit den einzelnen Ansatzpunkten gendersensiblen Literaturunterrichts gemacht?

In meinem POE IP wurde im Deutschunterricht die Lektüre „Ben liebt Anna“ gelesen. Die Arbeit mit dieser Lektüre hat am wenigsten den Schülern der Klasse Spaß gemacht. Die Mädchen haben im Vergleich zu den Jungen deutlich besser und fleißiger gearbeitet. Die meisten Schüler haben eher ungewollt und nach mehrfacher Aufforderung mitgemacht. Das Desinteresse und die Unlust der Jungen war nicht zu übersehen. Als sich ein Schüler geweigert hat, am Unterrichtsgeschehen teilzunehmen habe ich ihn nach dem Grund gefragt. Dieser Schüler entgegnete mir, dass das Buch für Mädchen sei und für die Jungen total langweilig ist. Diese Situation aus meinem Praktikum weist nachdrücklich darauf hin, bei der Lektüreauswahl die Lesepräferenzen beider Geschlechter zu beachten, um alle Kinder zu erreichen. 

  1. Welches Potential bieten implizite vs. explizite Genderkonstruktionen für die Auseinandersetzung mit Genderdimensionen? Entwickeln Sie je 1-2 Forschungsfragen, die Sie beim Einsatz der vorgestellten Beispiele im Unterricht besonders interessieren würden!

Bei der expliziten Genderkonstruktion werden Geschlechterrollen direkt thematisiert gff. in Frage gestellt. Ein gutes Beispiel dafür stellt das Buch: „Alles rosa“. Durch das Aufzeigen von Geschlechterklischees und bestimmter Attribute wird die Auseinandersetzung mit Geschlechterrollen bewirkt. Daher interessiert mich: „Inwiefern kann ein stereotypisches Bild von Weiblichkeit und Männlichkeit durch die explizite Genderkonstruktion einer Lektüre verändert bzw. erweitert werden?“. Bezüglich der implitiziten Genderkonstruktion würde ich gerne untersuchen „Welche Attribute nehmen die SuS innerhalb einer impliziten Genderkonstruktion wie in dem Buch „Adrian hat gar kein Pferd“ wahr?“.

  1. Wie ließe sich den verbreiteten Annahmen, Jungen seien Lesemuffel und Mädchen seien Leseratten in der Praxis entgegenwirken (optional)?

In der Praxis ist es wichtig, männliche Instanzen in die Lesesozialisation der Kinder zu integrieren. Dafür können männliche Lehrkräfte, Väter, Onkel, Brüder regelmäßig die Klasse besuchen, unterschiedliche Buchgenres vorstellen und Ausschnitte aus denen vorlesen. Auf diese Weise können Kinder mit besonderen und vielfältigen Leseinteressen Zugang finden oder erst ihre Interessen entdecken. Ferner ist zu bedenken, dass sich die Lesemotivation in die intrinsische und extrinsiche Lesemotivation unterteilen lässt. Unter der intrinsischen Lesemotivation ist das stellvertretende Erleben der Gesichte, Neugier auf ein Thema und die Wichtigkeit beim Lesen gut zu sein, zu verstehen. Im Bezug auf die intrinsiche Lesemotivation zeigen die Mädchen einen Vorsprung  gegenüber Jungen. Bei der extrinsichen Lesemotivation dagegen geht es um das Lesen wegen Anerkennung, das Lesen für gute Noten und Wettbewerbe mit Peers. In der Lesemotivationsskala Wettbewerbe haben die Jungen einen deutlichen Vorsprung. Schlussfolgern lässt sich, dass die Jungen deutlich mehr Bereitschaft zeigen zu lesen, wenn es sich um Wettbewerbe und Rangordnungen handelt. Vor dem Hintergrund wäre das Etablieren von Lesewettbewerben im Rahmen der Schule oder in Zusammenarbeit mit anderen Schulen ein guter Ansatzpunkt.