1. Grundsätzlich ist unter „nationaler Orientierung des Bildungssystems“ die inhaltliche und sprachliche Ausrichtung eines Bildungsapparats auf das Land, in dem er angewendet wird, zu verstehen. Um diese einschlägige Schultheorie zu verdeutlichen, ist es sinnvoll, einen Blick auf die Bildungspläne zu werfen, an denen sich die Unterrichtsinhalte orientieren. Es zeigt sich deutlich, dass sich diese sowohl im Geschichts- als auch im Wirtschafts- und Politikunterricht schwerpunktmäßig auf nationaler Ebene bewegen. Aus meiner eigenen schulischen Erfahrung ist mir allerdings der Religionsunterricht als ein Fach in Erinnerung, das sich teilweise Themenbereichen geöffnet hat, die deutlich über den nationalen Kontext hinausgehen. Trotzdem zeigen die gängigen Bildungspläne eine deutliche Priorisierung national orientierter Unterrichtsgegenstände, durch die folglich Werte und Wissen vermittelt werden, die sich durch die Generationen ziehen und somit zum Erhalt der nationalstaatlich verfassten Gesellschaft (Fend 2009, S. 49) beitragen. Dem Aspekt der Migration wird hierbei keine maßgebliche Rolle zugeschrieben.

 

  1. Aus dem öffentlichen Diskurs geht hervor, dass die zunehmende Migration die zuvor erläuterte, nationale Ausrichtung des Bildungssystems ins Wanken bringt und Anpassungen des Schulsystems an die Realität fordert. Die Vorlesung hat allerdings gezeigt, dass sich die Umsetzung  der Inklusion zugewanderter SuS in der Praxis für Schulen schwierig gestaltet. Nach wie vor werden vorwiegend selektive Sondermaßnahmen genutzt, um einerseits eine Eingliederung der zugewanderten Schüler zu ermöglichen und andererseits eine Kollision mit den bestehenden Strukturen zu vermeiden. Ziel dieser Exklusion ist es, die zeitliche sowie auch die räumliche Kontinuität des Bildungssystems nicht zu stören und somit das Weiterbestehen der nationalstaatlich verfassten Gesellschaft zu wahren. Die  Vorlesung hat aber auch gezeigt, dass ein Paradigmenwechsel seit 1996 in Gang gesetzt wurde, dessen Ziel es ist und mehr Vielfalt der Kulturen, Traditionen und Religionen anzuerkennen und im schulischen Rahmen umzusetzen. Die Vorlesung hat verdeutlicht, welche Relevanz dieser Thematik obliegt und dass Migration ein Phänomen ist, mit dem man sich als Lehrer kontinuierlich beschäftigen muss, um positiv zu der Inklusion von zugewanderten SuS und/oder SuS mit Migrationshintergrund beizutragen und neben der Herausforderung, die dieser Anspruch stellt, nicht die Chance, die in ihm liegt, aus den Augen zu verlieren.

 

  1. Das angeführte Beispiel verdeutlicht die Problematik von ‚DoingCulture‘ sehr deutlich und zeigt die Erwartungshaltung der Lehrerin gegenüber den Mädchen mit Migrationshintergrund. Sie reduziert Betül und ihre ausländischen Klassenkameradinnen beinahe auf ihre Annahme, dass es aufgrund ihrer Herkunft ein Muss wäre, zu erwähnen, dass Betül mit dem Gedankengut konform geht, das einige Türken teilen. So zeigt sich ganz klar die Stereotypisierung, die die Deutschlehrerin hier vornimmt, ohne zu berücksichtigen, dass Betül genauso wie viele andere türkischstämmige Zuwanderer, die in Deutschland geboren sind, nicht verpflichtet ist automatisch so zu denken, wie es der Meinung der Lehrerin nach angesichts Betüls Herkunftslandes angemessen wäre.

Tatsächlich waren ich, selber Kind mit Migrationshintergrund und meine vier weiteren Mitschüler, die unterschiedlichste Migrationshintergründe hatten, oftmals mit dem konfrontiert was als ‚DoingCulture‘ beschrieben wird. Früh schon hieß es „Und, wie ist das denn bei euch zuhause?“, „Ist es nicht problematisch für deinen Vater, wenn du einen Freund hast?“ oder „Wie? Das stört deine Eltern nicht?“ und „Deine Eltern lassen dich kein Kopftuch tragen?“

Jeder ertappt sich, meiner Meinung nach sicherlich mindestens ein Mal dabei, wie er selbst ‚DoingCulture‘  betreibt, ohne irgendwelche bösen Absichten oder irgendeine besondere Intention zu verfolgen. Es ist ein normaler Prozess, der oft abläuft, ohne dass man es bemerkt, einfach – weil man intuitiv – bestimmte Werte, Ansichten und Konventionen mit einer Kultur verbindet. Dabei sollte jedoch immer Rücksicht darauf genommen werde, dass nicht jede Person das vertritt, wofür ihr Herkunftsland steht, was auch grundsätzlich nicht hinterfragt oder in Frage gestellt werden sollte.