Abschlussreflexion

22. Juli 2020

Umgang mit Heterogenität – Abschlussreflexion

Die Eindrücke, die ich im Laufe dieses Semesters in der Veranstaltung Umgang mit Heterogenität erlangen konnte, waren sehr vielseitiger Natur. Teilweise konnte ich an Vorwissen anknüpfen, andere Erkenntnisse haben mir ein neues Betrachtungsspektrum eröffnet und mich zum Nachdenken angeregt.

Die theoretischen Erkenntnisse, die ich aus den Ringvorlesungen mitgenommen habe, sind zum einen die verschiedenen Dilemmata, die mit der Forderung nach Inklusion an den Schulen verbunden sind und in der Ringvorlesung acht in Anlehnung an Greiner (2019) aufgegriffen wurden.

So problematisiert das Differenzstärkungsdilemma die Maßnahmen, die an inklusive Schulen ergriffen werden, um eine Balance zwischen den verschiedenen Förderbedarfen einzelner SuS zu schaffen. So erhalten SuS unter Berücksichtigung ihres individuellen Leistungspotentials unterschiedliche Aufgabenformate  oder mehr Zeit zur Bearbeitung von Aufgaben. Durch solche durchaus sinnvollen Differenzierungsmaßnahmen, die der individuellen Förderung Einzelner dienen, wird jedoch gleichzeitig die Heterogenität innerhalb der Klasse unterstützt und eine Art Vergleichsdifferenz unter den Schüler entsteht, die mit Abwertungs- oder Beschämungsgefühlen einhergehen kann. Dieses theoretische Dilemma anzuerkennen und einen konstruktiven Umgang damit in der Praxis zu finden, sehe ich als insgesamt als generelle erziehungswissenschaftliche Herausforderung an. Dies zeigt sich auch in dem von mir studierten Fach Englisch zeigt. Im Wechsel von der Grundschule zur weiterführenden Schule spiegelt sich dieses Dilemma besonders deutlich: SuS mit unterschiedlicher Vorbildung was beispielsweise den Umfang des Vokabelrepertoires angeht, treffen in der weiterführenden Schule aufeinander und die Lehrkraft ist konfrontiert mit heterogenen Leistungspotentialen und -ständen. Auch unabhängig vom Fach Englisch begegnet uns im Unterrichtsalltag beispielsweise im Sportunterricht auf ganz unterschiedliche Art und Weise das Differenzstärkungsdilemma. Hier geht es weniger um Wissensstände sondern eher um das soziale Miteinander, welches bei SuS aufgrund ihres häuslichen Umfeldes, des Einflusses der Eltern oder ihrer individuellen Sozialisation unterschiedlich ausgebildet ist.

Eine weitere theoretische Erkenntnis ist die der nationalen Orientierung des Bildungssystems und die damit verbundene Priorisierung nationaler Unterrichtsinhalte in den Bildungsplänen (Fend, 2009, S.49). Dies wird beispielsweise im Fach Deutsch deutlich, was der Blick für die Wahl von Unterrichtslektüren belegt. Oftmals geht es primär um Autoren, Normen und Inhalte die sich an typischen nationalen Kontexten orientieren. Anders gestaltet sich diese Priorisierung im Fach Religion, das durchaus internationale Weltanschauungen und Kulturen beleuchtet. Auch hier zeigt sich die generelle erziehungswissenschaftliche Herausforderung, die durch die kulturelle Vielfalt den Unterrichtsalltag beeinflusst und gestaltet.

 

Umgang mit Heterogenität zeigt sich im Schulalltag beispielsweise im Rahmen der Genderdynamik. Inszenierung und Zuschreibung sind hierbei zwei Komponenten, zwischen denen oft ein Spannungsfeld entsteht. Während sich die Inszenierung auf die interaktive Selbstdarstellung einer Person bezieht und auf unterschiedlichste Arten nach Außen getragen werden kann, meint die Zuschreibung das, was oft – bewusst oder unbewusst – durch andere und häufig auch im Vorfeld mit einer Person oder einem Geschlecht verbunden oder assoziiert wird. In diesem Zusammenhang treten in Bezug auf Genderdynamik und -pädagogik oft eben genau solche Zuschreibungen auf: So sind es oftmals  Jungs, die mit männlicher Sozialinkompetenz (Kaiser, 195) verbunden werden, während Mädchen tendenziell eher Eigenschaften wie Ruhe, Aufmerksamkeit und Disziplin (Stalmann, 54) zugeordnet werden. An dieser Stelle ist es wichtig anzumerken, dass nicht nur SuS einer solchen Zuschreibung ausgesetzt sind sondern auch Lehrer*innen werden häufig in Hinblick auf ihr Geschlecht stereotypisiert werden.

 

Die erziehungswissenschaftlichen Fragestellungen, die mich bisher besonders angesprochen haben und mich auch in Hinblick auf den weiteren Verlauf meines Studiums interessieren beziehen sich zum einen auf den Umgang mit multikultureller Vielfalt. Zum anderen spricht mich vor allem die Genderdynamik und die Möglichkeiten, die der Raum Schule bietet, um sie konstruktiv in den Unterrichtsalltag zu integrieren.

Ich hätte mir gewünscht, dass während des Seminars mehr auf die Handlungsmöglichkeiten seitens der Lehrkraft eingegangen wird. Auch wenn das immer situationsabhängig und  auch eine subjektive Angelegenheit ist, hätte ich es hilfreich gefunden solche möglichen Szenarien zu diskutieren.