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RV11 // Prof. Dr. Florian Schmidt-Borcherding // Die kognitiven Dimensionen von Lernerfolg: Intelligenz vs. Vorwissen

  1. Erläutern Sie den Einfluss von Intelligenz und Vorwissen auf den Lernerfolg. In welchem Verhältnis stehen diese beiden Heterogenitätsdimensionen? Was muss man tun, um ihren jeweiligen Einfluss empirisch zu untersuchen? Und was bedeuten die Befunde für Schule und Unterricht?

Die beiden Dimension Intelligenz und Vorwissen sind nicht ganz unabhängig voneinander zu betrachten, denn sie stehen immerhin in Beziehung zueinander. Allgemein kann man aber laut Langfeldt davon ausgehen, dass sie beide Einfluss auf den Lernerfolg haben können (Langfeldt, 2006, S. 39-41). Jedoch ist hier das Alter der Stichprobe entscheidend. Es ist offenbar zu beobachten, dass mit fortschreitendem Alter von SuS die Intelligenz weniger mit schulischem Lernerfolg korreliert, als das Vorwissen, welches immer als Basis für neu zu erwerbendes Wissen dienen kann (vgl. Langfeldt, 2006, S. 40). Im Grundschulalter ist jedoch eine höhere Intelligenz der SuS eher für den Lernerfolg verantwortlich. Trotzdem ist es wichtig, daneben einige Schwierigkeiten zu erwähnen. Den Lernerfolg als reine Dichotomie von Vorwissen und Intelligenz zu betrachten, ist wenig sinnvoll, wenn man anderen Faktoren wie dem Selbstkonzept und Lernmotivation keine Beachtung schenkt (vgl. Langfeldt, 2006, S. 41). Daneben ist es wichtig, sich darüber im Klaren zu sein, nach welcher Definition von „Intelligenz“ und „Vorwissen“ man arbeitet und wie man diese strukturiert. Beispielsweise kann es Sinn ergeben, den Begriff in verschiedene fachspezifische Anforderungen aufzuschlüsseln, um abweichende Korrelation mit dem Lernerfolg in verschiedenen Fachgebieten zu identifizieren (vgl. Langfeldt, 2006, S. 37).

Konkret auf die Arbeit der Schule bezogen kann dies also bedeuten, dass die Schule selbst einen höheren Einfluss auf den Lernerfolg der SuS haben kann, als deren „vererbte“ Intelligenz. In nächster Konsequenz muss die Arbeit im Unterricht nun danach streben, Unterschiede im Vorwissen möglichst zu minimieren und Fehlannahmen zu identifizieren und zu korrigieren (Langfeldt, 2006, S. 41).

 

  1. Einige Befunde der heutigen Sitzung waren für Sie möglicherweise überraschend. Oder Sie sehen einige der Forschungsergebnisse kritisch in Bezug auf Schule und Unterricht. Welche (Forschungs-)Fragen ergeben sich daraus (z.B. für Ihr nächstes Praktikum)? Und wie können Sie diese Fragen beantworten?

Zu einem gewissen Maße hat mich die Unterteilung in „prozedurales“ und „deklaratives“ Wissen (Langfeldt, 2006, S. 40) irritiert, da nach meinem Verständnis das Prozedurale Wissen eine Teilmenge der „fluiden Intelligenz“ (Langfeldt, 2006, S. 32) ausmachen kann. Dies würde wiederum bedeuten, dass die Begriffe „Vorwissen“ und „Intelligenz“ nicht genau voneinander zu trennen sind und diese Tatsache das Korrelationsverhältnis im Bezug auf den Lernerfolg verschieben könnte. Eine Mögliche Untersuchung hinsichtlich der Frage, inwieweit das prozedurale Wissen mit der fluiden Intelligenz Zusammenhängt, könnte wie folgt aussehen: Eine Gruppe von SuS soll sich mit einem gänzlich unbekannten Thema vertraut machen, bei dem angenommen werden kann, dass kein Vorwissen vorhanden ist. Dazu wird nicht nur ein Grundstock an Vorwissen, sondern auch eine konkrete Strategie zur Aneignung von zusätzlichem Wissen und zu Bewältigung einer nachstehenden Aufgabe formuliert. Das Ergebnis eines abschließenden Leistungstestes könnte man nun mit den Ergebnissen eines zusätzlichen Intelligenztests abgleichen. Selbstverständlich sollte dieser Test mit verschiedenen Fachspezifischen Anforderungen durchgeführt werden.

 

  1. Am Ende des Vortrags wurden zwei verschiedene Adaptionsmodelle (Weinert, 1997; Leutner, 1992) dargestellt. Finden Sie zu jeder der in den Modellen genannten Reaktionsmöglichkeiten bzw. Adaptionsformen Praxisbeispiele.

Zunächst sind die verschiedenen Adaptionsmodelle von Weinert (Schmidt-Borcharding, 2021, F. 30) zu betrachten, welche sich alle ganzheitlich auf das Konzept Unterricht, bzw. Beschulung stützen. Das passive Adaptionsmodell ist genau betrachtet kein Modell der Adaption, sondern vielmehr der Ignoranz, denn es beschreibt das Arbeiten ohne Rücksicht auf Lernunterschiede, also einem Unterricht auf einem universellen Niveau.

Weiterhin beschreibt das substitutive Modell statt einer Angleichung des Unterrichts an die SuS eine invertierte Adaption (vgl. Schmidt-Borcharding, 2021, F. 30). Die SuS sollen durch homogenisierende Zusammenfassungen in Gruppen verschiedener Niveaus an den Unterricht angepasst werden. Das kann geschehen durch verschiedene Schulformen, die bestimmten Niveaus zugeordnet werden. Es gibt allerdings auch Beschulungsmodelle im Ausland, welche innerhalb einer Schule Unterschiedliche Leistungsniveaus von SuS zu Klassen zusammenfassen.

Die nächste Stufe, das aktive Adaptionsmodell, kehrt diese Anpassung um (vgl. Schmidt-Borcharding, 2021, F. 30). Hier steht im Mittelpunkt, dass der Unterricht einer Leistungsheterogenen Klasse auch auf die verschiedenen Leistungsniveaus ausgerichtet sein muss. Dies ist ein Konzept, welches in Gesamt- beziehungsweise Oberschulen beobachtet werden kann. So kann zum Beispiel mit verschiedenen Aufgabenniveaus gearbeitet werden, welchen die Schüler zugeordnet sind. Auch eine Formulierung eines unterschiedlichen Lernziels ist möglich.

Schließlich ist die letzte Stufe des Modells nach Weinert das proaktive Adaptionsmodell, welches den Leitgedanken des aktiven Modells noch erweitert (vgl. Schmidt-Borcharding, 2021, F. 30). Diese Erweiterung kann sich darin niederschlagen, dass nicht nach Leistungsniveaus, sondern den Bedürfnissen einzelner SuS gearbeitet wird und er Unterricht diesen Bedürfnissen durch unterschiedliche Fördermethoden gerecht wird. Vermutlich sind aber verschiedene Faktoren entscheidend, um dieses Modell umsetzen zu können. Als eine Voraussetzung sehe ich beispielsweise die Lerngruppengröße an, da in kleineren Lerngruppen diesem Modell vermutlich deutlich besser Rechnung getragen werden kann.

 

 

Verwendete Literatur:

Langfeldt, H.-P. (2006). Psychologie für die Schule (1. Aufl.). Beltz, PVU.

Schmidt-Borcharding, F. (2021). RV11 Die kognitiven Dimensionen von Lernerfolg: Intelligenz vs. Vorwissen Präsentation im Rahmen der Ringvorlesung des Moduls BA-UM-HET im SoSe 2021. Universität Bremen.

1 Kommentar

  1. Ralph Reinema

    Moin Moritz,

    zunächst möchte ich mich für deinen interessanten Blogbeitrag bedanken! Eingangs sei angemerkt, dass du hinsichtlich der äußeren Form deines Beitrages einen sehr guten Job gemacht hast, sowohl hinsichtliche der Rechtschreibung/Grammatik, als auch der generellen Formulierung deiner Thesen.

    In der ersten Teilaufgabe beschreibst du korrekterweise, dass das Vorwissen und die Intelligenz nur schwerlich voneinander abzugrenzen seien, würden sie doch stets in Beziehung zueinander stehen. Gemäß Langfeld (2006) erörterst du ferner, dass das Vorwissen die Intelligenz im zunehmenden Alter der SuS als ausschlaggebenden Faktor des Lernerfolges ablöst. Wichtig ist es meiner Meinung nach in diesem Kontext darauf hinzuweisen, dass bei der Intelligenz zwischen der „fluiden“ und der „kristallinen“ unterschieden wird (vgl. Langenfeldt, 2006, S. 32ff.). Erstere beschreibt das „angeborene Fähigkeitspotenzial“ einer Person, während letztere erst „unter Kultureinflüssen“ herausgebildet wird und Bereiche wie die Sprache und das berufliche Fachwissen beinhaltet. Ähnlich verhält es sich auch mit dem Vorwissen, lässt sich dieses doch in das „deklarative“ und „prozedurale“ Wissen unterteilen. Während sich das „deklarative“ Wissen einer Person auf das Faktenwissen bezieht, zeichnet sich das „prozedurale“ Wissen durch das Wissen „über das, wie etwas geht“ aus (vgl. Langenfeldt, 2006. S. 40ff).

    Hinsichtlich deiner abschließender Analyse, dass Schulen möglichst danach streben sollten, Lücken im Vorwissen zu minimieren, stimme ich dir zu und möchte darauf aufbauend ergänzen, dass es zudem unerlässlich ist, bereits bestehende (und vermutlich niemals zu vermeidende) Lücken im Vorwissen durch unterschiedliche Konzepte und Methoden zu kompensieren und minimieren. Im Endeffekt ist dies dann ein weiterer Unterpunkt der anzunehmenden Heterogenität im Klassenzimmer.

    In der zweiten Teilaufgabe gehst du darauf ein, dass die Definitionen des „prozeduralen“ Wissens und der „fluiden“ Intelligenz eine gewisse Schnittmenge aufweisen, welches wiederum Einfluss auf das Korrelationsverhältnis im Bezug auf den Lernerfolg habe. Das nachfolgend von dir erbrachte Beispiel empfinde ich als interessant hinsichtlich der potenziellen Ergebnisse, stellt sich mir doch sofort die Frage, inwieweit sich diese unterscheiden würden, falls bspw. Hochbegabte unter den teilnehmenden SuS wären.

    Mich persönlich haben am meisten die Ergebnisse der Untersuchungen von Schneider, Körkel & Weinert (1989) (vgl. Vorlesungsfolie 22 ff.) überrascht, hätte ich doch eher angenommen, dass Kinder mit hohem IQ und wenig Vorwissen ähnlich gut abschneiden würden wie Kinder mit niedrigem IQ und viel Vorwissen. Daraus konnte ich für mich die Erkenntnis ableiten, dass es im späteren „Lehrerleben“ sinnvoll sein kann, den Unterricht unter Berücksichtigung des Vorwissens der Schüler gestalten, auch wenn mir bewusst ist, dass es vermutlich niemals möglich sein wird, dies stets zur Gänze zu ermöglichen, alleine im Anbetracht des zusätzlichen Zeitaufwandes.

    In der dritten und letzten Teilaufgabe beschreibst du korrekt die vier Reaktionsformen nach Weinert (1997), einhergehend mit treffenden Praxisbeispielen. Mit Blick auf die Aufgabenstellung möchte ich hier jedoch noch auf die Adaptionsmodelle nach Leutner (1992) verweisen, welche sich neben der Förderung der Leistungsstarken und der Kompensation der Schwächen ebenfalls die Berücksichtigung der Präferenzen der SchülerInnen als Ziel gesetzt haben. Ersteres könnte bspw. durch individuell auf die jeweiligen leistungsstarken SuS zugeschnittenen Aufgabenstellungen erfolgen, welche unterstützend dazu beitragen, das vollständige Lernpotenzial dieser SuS auszureizen. Leistungsschwächere SuS wiederum könnten mithilfe eines Grundstocks kontextualisierender Hilfswerkzeuge (z.B zusätzliche Tipps oder Definitionen) bei der Bearbeitung von Aufgaben unterstützt werden. Die Präferenzen der SuS wiederum werden am deutlichsten sichtbar durch simple Nachfrage der LuL sowie einer ergänzenden Analyse der jeweiligen Lerntypen. So wäre es in diesem Sinne denkbar, dass die SuS alle die gleiche Aufgabenstellung erhalten, jedoch zur Erlangung des Ziel auf verschiedene Methoden, entsprechend ihrer Präferenz, zurückgreifen könnten.

    Alles in allem ein guter Beitrag, mit dem es Spaß gemacht hat sich auseinanderzusetzen!

    Liebe Grüße
    Ralph

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