1. Greiner (2019) formuliert verschiedene Dilemmata, die mit der Forderung nach Inklusion an den Schulen verbunden sind. Nehmen Sie zu dreien Ihrer Wahl Stellung.

Die Dilemmata der inklusiven Bildung stellen die größten Herausforderungen des Handelns der Lehrkräfte in der inklusiven Bildung dar. Besonders signifikant ist dies am sogenannten Kategorisierungsdilemma (Kepser 2021, Folie 8) zu beobachten. Dieses lenkt den Blick auf den Konflikt der widerstreitenden Prinzipien der Klassifizierung und der Individualisierung in der der inklusiven Pädagogik. Für die Lehrkraft einer inklusiven Klasse erscheint es nahezu unmöglich, auf Kategorisierungen, wie etwa medizinische Diagnosen bei seinen SuS zu verzichten. Auf der anderen Seite darf diese erkannte Kategorisierung keinen Eingang in seinen Umgang mit den SuS finden, indem die Lehrkraft ihr Handeln nach der Kategorisierung ausrichtet (vgl. Kepser 2021, Folie 8). Die Lösung dieses Dilemmas könnte ein Stück weit im Bruch mit dem System „Eine-Klasse-Eine-Lehrkraft“ liegen, so wie er bereits an vielen Schulen existiert. Schulbegleiter*innen, aber auch reguläre Lehrkräfte können in strukturierter Teamarbeit in einer Klasse beiden Prinzipien dieses Dilemmas Rechnung tragen.

Wissend um dieses Dilemma erscheint das Umgehen mit einem weiteren Dilemma, dem Autonomiedilemma (Kepser 2021, Folie 9) nun noch komplizierter. Aufbauend auf dem Konzept der Individualität, welche im Zentrum der inklusiven Bildung stehen muss, ergibt sich auch ein verschiedenes Maß an Autonomie und Selbstregulierung bei den SuS. Daher ist das trainieren des autonomen Arbeitens hier eine besondere Herausforderung, SuS unterschiedlich viel Unterstützung auf dem Weg zu dieser Fähigkeit benötigen (vgl. Kepser 2021, Folie 9). Sowohl das Extrem der „vorgekauten“ Unterrichtsstunde, als auch das des knallharten Selbststudiums sind hier also nicht zielführend. Ebenso wenig, wie die Kategorisierung nach selbstständigen und hilfsbedürftigen SuS. Vielmehr kann auch hier das Konzept zusätzlicher unterstützender Lehrkräfte, wie auch ein komplexeres Aufgabensystem, welches verschiedene Stufen von Autonomie abfragt ein Teil der Lösung sein.

Schließlich entsteht hierbei aber noch ein weiteres Dilemma, nämlich das sogenannte Individualförderung-statt-Unterricht-Dilemma (Kepser 2021, Folie 9). Triebe man die bereits angeführten Lösungsansätze der starken Differenzierung nach Voraussetzungen der einzelnen SuS auf die Spitze, so wäre das Resultat wohl kaum noch mit einem herkömmlichen Klassenunterricht, dem Lernen in Gemeinschaft, gleichzusetzen. Eben dieses ist jedoch ebenso Ziel der inklusiven Pädagogik (vgl. Kepser 2021, Folie 9). Aus eigener Erfahrung kann ich bestätigen, dass separate Individualförderung einzelne SuS durchaus vom Klassengefüge entfremden kann, da weniger Zeit im Kollektiv verbracht werden kann. Diese Erscheinungen treten jedoch (zumindest in meinem Fall) vor der Tatsache in den Hintergrund, dass überhaupt durch diese Individualförderung eine Regelbeschulung möglich ist. Wie so oft ist hier das Maß zwischen beiden Extremen entscheidend.

 

  1. Die Vermittlung und Reflexion der deutschen Sprache ist nicht nur Aufgabe des Deutschunterrichts, sondern fächerübergreifendes Unterrichtsprinzip. Wo sehen Sie in Ihrem (ggf. zweiten) Fach Möglichkeiten, um
  1. Vielsprachigkeit als Ressource zu nutzen,

In meinem zukünftigen Unterrichtsfach Musik bietet das Einbinden der Vielfalt von Sprachen und Sprachvarietäten eine große Chance. Genau betrachtet ist Musik in vielen Fällen ein sprachlich bereits nichts sehr homogenes Fach. Mindestens Songs aus dem Jazz/Rock/Pop-Bereich werden in jeder Schule in englischer Sprache gesungen, und internationale Lieder haben längst den Weg in jedes Schulmusikbuch gefunden. Dennoch orientiert sich dies oft nicht am Umgang mit sprachlicher Heterogenität der Klassen und läuft sehr eindimensional auf das Englische bezogen ab. Der Einbezug verschiedener Sprachen und kultureller Hintergründe im Fach Musik kann dazu führen, dass zum etwa spielerisch die Rollen der Lehrenden und Lernenden verändert werden können, indem fremdsprachige Liedtexte erarbeitet werden. Auch der Einbezug sämtlicher Sprachvarietäten kann Gegenstand des Musikunterrichtes sein. Das Spiel mit diastratischen Sprachvarietäten (Roviro 2021, Folie 3) ist vielfach Thema von beispielsweise Musicals oder Genres wie Rap oder Punk. Das Analysieren und eigene Interpretieren solcher Musikrichtungen kann ein Teil deren Reflexion im Bezug auf die eigene Sprache und die Verwendung verschiedener Sprachvarietäten sein.

  1. gendersensibel Unterrichtsgegenstände auszuwählen und Aufgaben zu konstruieren. (ACHTUNG! Ein * genügt dafür nicht!)

Die Kunstmusik und vor Allem die im umgangssprachlichen Sinne klassische Musik war lange Zeit ihrer Geschichte eine männlich besetzte Domäne. Bis auch bis ins 20. Jahrhundert hinein findet man kaum weibliche Komponistinnen oder Dirigentinnen. Daher finden auch maßgeblich männlich besetzte Themen ihren Weg in die Musik, die teilweise bis heute noch unkritisch rezipiert und schlicht nachgespielt wird. Das können beispielsweise stark vereinfachende oder pauschalisierende Darstellungen von weiblichen Personen sein. Der einer stark männlichen dominierten Musikgeschichte lässt sich an sich nicht ändern, aber ein kritischer Umgang mit dem Inhalt ihrer Produkte ist eine Aufgabe eines modernen und gendersensiblen Musikunterrichts.

Verwendete Literatur:

Kesper, M. (2021). RV08 Heterogenität und Inklusion im Deutschunterricht der Sekundarstufen. Präsentation im Rahmen der Ringvorlesung des Moduls BA-UM-HET im SoSe 2021. Universität Bremen.

Roviro, B (2021). RV06 Umgang mit Sprachvarietäten im (Fremd-)Sprachenunterricht: Welches Französisch oder Spanisch soll unterrichtet werden? Präsentation im Rahmen der Ringvorlesung des Moduls BA-UM-HET im SoSe 2021. Universität Bremen.