In der beschriebenen Unterrichtssituation macht die Lehrkraft im Prinzip alles falsch, was man falsch machen kann. Sie denkt in Schubladen und ordnet ihre Schüler offensichtlich nach Aussehen in Denkkategorien ein. Dann scheint ferner ein gedanklicher Austausch zum Schulstoff im vorangegangenen Unterricht auch nicht stattgefunden zu haben, denn anders kann man folglich die (verärgerte) Reaktion der Lehrkraft nicht erklären. Die Erwartungen an die Schüler wurden aus ihrer Sicht nicht erfüllt. Somit ist hier klar festzustellen, dass die Kommunikation gestört ist und man die Lektüre bzw. das zu behandelnde Thema nur einseitig betrachtet hat. Eine offene Diskussion und ein Gedankenaustausch hat dann sehr wahrscheinlich nicht stattgefunden.
Dem berichtenden Mädchen wird ein Denkmuster übergestülpt, welches sie gar nicht vertritt bzw. vertreten kann, da sie sich selbst gar nicht als Türkin sieht geschweige denn sich dort ihr Zuhause befindet. Pädagogische Leitideen der Lehrkraft sehe ich bei diesem Fallbeispiel nicht, ethnische Zuordnungen aufgrund von Äußerlichkeiten zählen mit Sicherheit nicht dazu.
Im heutigen Schulalltag existiert in Bezug auf die Schüler keine Homogenität mehr, je urbaner die Umgebung, umso unterschiedlicher sind auch die Schüler. Deshalb ist es als Lehrkraft wichtig, auf diese Unterschiede einzugehen und diese auch zu nutzen, denn Synergieeffekte durch unterschiedliche Sichtweisen können durchaus bereichernd für den Unterricht sein. Jedoch davon auszugehen, dass jemand eine bestimmte Meinung vertreten MUSS aufgrund seiner Herkunft, ist der komplett falsche Weg.
Als Lehrkraft ist es einer der wichtigsten Punkte, sich darüber im Klaren zu sein, welche gedanklichen Wege die Schüler beschreiten und gleichzeitig selbst zu reflektieren, ob man dies beurteilt, zur Kenntnis nimmt oder sogar befürwortet. Die eigene Meinung der Lehrkraft steht jedoch an zweiter Stelle, oberste Priorität hat das offene Gespräch im Schülerplenum zu jedem beliebigen Thema.