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Abschlussreflexion

1. Benennen Sie die für Sie zentralsten (mindestens zwei verschiedene) theoretischen Erkenntnisse, die Sie aus den Vorträgen der Ringvorlesung für sich als besonders prägnant mitgenommen haben. Nehmen Sie dabei konkret Bezug auf:

a. Die unterschiedlichen, fachdidaktischen Aspekte und übertragen Sie diese in der Ringvorlesung gewonnenen Erkenntnisse auf die Didaktiken der von Ihnen studierten Fächer. Beziehen Sie sich hierbei auch auf didaktische Erkenntnisse eines Faches, was Sie nicht selbst studieren.

b. Generelle erziehungswissenschaftliche Erkenntnisse zu Schule und Unterricht

Insgesamt habe ich durch die Beiträge der Ringvorlesung einen umfangreichen Einblick in die Vielfältigkeit und Relevanz von Heterogenität erhalten. Zuvor war mir nicht bewusst, wie wichtig und herausfordernd der richtige Umgang mit Heterogenität als Lehrperson sein kann. Daher konnte ich viele neue Erkenntnisse in den Bereichen Schule und Unterricht mitnehmen. Dazu gehört auch die Bedeutung des Begriffs Heterogenität, der mir erst durch die Vorlesung deutlich geworden ist. Der erste Vortrag hat uns zunächst gezeigt, was Heterogenität überhaupt meint. Im schulischen Bereich kann der Begriff auf Grundlage des Textes von Walgenbach in vier Dimensionen unterteilt werden. Zum einen legt die Organisation des Schulsystems Homogenität fest, indem beispielsweise Lehrer*innen die Schüler*innen nach einem einheitlichen Curriculum unterrichten sollen. Wiederum besteht diese Schülerschaft nicht aus einer solchen Homogenität. Sie ist im Gegenteil durch heterogene Schüler*innen mit individuellen Eigenschaften, wie Geschlecht, Religion oder auch Migration, gekennzeichnet (vgl. Walgenbach 2017: 36f.). Zu dem stellt sich die Frage, wie man mit dieser Heterogenität didaktisch sinnvoll umgeht beziehungsweise von welchen Methoden dies beachtet wird. Nach Walgenbach müssen diese Unterschiede von der Lehrperson didaktisch sowie pädagogisch berücksichtigt werden (vgl. ebd.: 51). Dadurch wurde mir bewusst, dass die heterogene Schülerschaft die Lehrperson immer wieder vor verschiedenen Herausforderungen stellt. Zum anderen ist die Heterogenität auch eine soziale Konstruktion, die sich aus der Gesellschaft herleiten lässt und in der Schule rekonstruiert wird. Ferner kann Heterogenität laut Walgenbach daher auch als ein Produkt sozialer Ungleichheit verstanden werden (vgl. ebd.: 29). Diese Dimension wird ebenfalls durch die Studie von Gerkmann und Rose aus der vierten Sitzung verstärkt, die die Entstehung und Reproduktion dieser Unterschiede im Unterricht thematisiert (Gerkmann/Rose 2015). Letzteres kann sich Heterogenität im schulischen Kontext nach Walgenbach auch als Chance, Herausforderung oder als Belastung auszeichnen (vgl. ebd.: 26ff.). Dies wird meiner Meinung nach exemplarisch in den Fremdsprachen veranschaulicht, wie beispielsweise Englisch oder Spanisch. Meines Erachtens kann der Fremdsprachenunterricht als Chance angesehen werden, der die Möglichkeit bietet, die Heterogenität mit einzubeziehen. Dies wurde ebenfalls in dem Vortrag der dritten Sitzung und dem darin aufgeführten Modell zur interkulturellen kommunikativen Kompetenz (Byram 1997) dargestellt. Demnach sollen Lehrer*innen sprachliche Kompetenzen und Wissen (saivor) vermitteln sowie darüber hinaus auch interkulturelle kommunikative Kompetenzen schaffen. Daher glaube ich, dass der Fremdsprachenunterricht eine große Bandbreite an verschiedenen fremden Kulturen aufzeigen und somit auch die Vielfalt der interkulturellen Schüler*innen mit einbinden kann.

In Bezug auf meine Studienfächer ist mir besonders der Beitrag zur Migrationsgesellschaft und die Reaktion von der Schule prägend in Erinnerung geblieben. Dabei spielt die nationale Orientierung des Bildungssystems eine wichtige Rolle. Es wurde mir aufgezeigt, dass das Bildungssystem prinzipiell stark an national relevante Inhalte orientiert ist und migrationsgesellschaftliche Fakten in der Schulpraxis oft außer Acht gelassen werden (vgl. Fend 2009: 49). Besonders in meinem Studienfach Deutsch entstehen schnell solche nationalen Orientierungen. Beispielsweise besitzen nicht alle Schüler*innen die gleichen Voraussetzungen in der Sprachbarriere. Dennoch werden diese Grundkenntnisse im Bildungssystem vorausgesetzt und sollen im Deutschunterricht geleistet werden. Aufgrund dessen erhält die migrationsgesellschaftliche Normalität in einem solchen Schulsystem kaum eine Chance. Deshalb ist es besonders wichtig, auf diese Sprachdefizite einzugehen und bei nicht-deutschsprachigen Familien keine differenzierten Handlungen vorzunehmen, um somit zu den Schüler*innen und zu den Eltern eine Bindung aufbauen zu können (vgl. Karakaşoglu/Mecheril 2019). Auch in meinem weiteren Studienfach Politik trägt die Migrationsgesellschaft eine hohe Bedeutung. Ebenfalls ist es äußerst relevant, dass man als Lehrkraft die eigenen didaktischen Mittel und Unterrichtsmaterialen kritisch reflektiert und diese so auswählt, dass sie den Umgang mit Migration berücksichtigen (vgl. Karakaşoglu/Mecheril 2019). Demzufolge sollte der Politikunterricht nicht nur auf das deutsche Regierungssystem ausgerichtet werden, sondern breitflächig auf internationale Themen ausgeweitet werden, wie beispielsweise Nah-Ost-Konflikte oder auch auf die EU-Politik.

 

2. Welche Faktoren zum schulischen Umgang mit Heterogenität (z.B. Unterrichtsformen, Schulformen, schulstrukturelle Fragen, schulkulturelle Aspekte, Lehrer*innenhandeln), die Sie in der Vorlesung kennengelernt haben, prägen im Rückblick auf Ihre eigenen Praxiserfahrungen (eigene Schulzeit, Berichte aus der Praxis, ggf. auch schon eigene Praxiserfahrungen) den Schulalltag besonders stark  und warum?

Rückblickend auf meine eigenen Praxiserfahrungen bin ich der Meinung, dass die Inklusion ein wesentlicher Bestandteil in der Schulpraxis ist. Zwar bin ich in meiner eigenen Schulzeit leider nur wenig mit der Thematik in Kontakt getreten, jedoch konnte ich durch mein freiwilliges soziales Jahr an einem Gymnasium einige Erfahrungen sammeln. Der Vortrag aus der sechsten Sitzung zeigte mir, dass sich das Risiko einer „inkludierenden Exklusion“ noch stark im Schulalltag auszeichnet (vgl. Stichweh und Windolf 2009). Nach der Grafik von der KMK aus 2018 hat sich zwar die Inklusion im Schulsystem deutlich verbessert, jedoch sind die Anpassungen an sonderpädagogische Förderbedarfe deutlich verbesserungswürdig (KMK 2020). Solche inklusiven Fördermaßnahmen habe ich ebenfalls in meinem Praxisjahr erlebt. So war beispielsweise die Schule mit mehreren Differenzierungsräumen oder auch mit einem schuleigenen Förderunterricht ausgestattet. Demnach gehörte es regelmäßig zu meinen Aufgaben, mit Kindern verschiedener Herkunftsländer und heterogener Leistungsfähigkeit in differenzierten Einzel- und Kleingruppen zu arbeiten. Hinzukommend habe ich täglich mit Lehrer*innen und Sozialpädagog*innen zusammengearbeitet, wobei ich sie methodisch sowie didaktisch im Unterricht unterstützt habe. Aus meiner eigenen Schulzeit kenne ich solche Fördermaßnahmen auf diese präsente Art und Weise nicht. Die Schulen, die ich besuchte, waren beispielsweise nicht mit Differenzierungsräumen oder Sonderpädagog*innen ausgestattet. Ebenfalls habe ich durch meine Arbeit in den Sprachanfängerklassen gelernt, wie wichtig heutzutage die Inklusion von Schüler*innen mit einem Migrationshintergrund ist. So wurden beispielsweise an dieser Schule die einzelnen Schüler*innen dieser Klasse bei einer guten sprachlichen Entwicklung in die Regelklassen integriert. Dabei habe ich sie weiterhin begleitet und sie bei der neuen Herausforderung unterstützt.

Rückblickend ist mir ebenfalls durch den Vortrag zur Vielsprachigkeit und Gender als Herausforderung bewusst geworden, wie präsent der Umgang mit Schüler*innen im Schulalltag ist, die Deutsch als Zweitsprache erlernen. Dabei ist mir besonders das Konzept der Sprachaufmerksamkeit (Language awareness) im Gedächtnis geblieben. Während meines Praxisjahres hatte ich die Möglichkeit, parallel zum Unterricht für Kleingruppen Aktivitäten zur Sprachförderungen sowie eine Lese-Rechtschreibförderung anzubieten. Im Nachhinein denke ich, dass mir dieses Konzept den Einstieg noch mehr erleichtert hätte und ich hätte mich damit noch individueller auf die Fähigkeiten der einzelnen Schüler und den jeweiligen Migrationshintergrund einstellen können. Zusätzlich bin ich der Meinung, dass sich die Schüler*innen ebenfalls an diesem Konzept erfreut hätten und man bei ihnen schneller Lernerfolge erzielen hätte können.

 

3. Zu welchen zwei erziehungswissenschaftlichen Fragestellungen, die Sie in der Vorlesung kennengelernt haben, würden Sie gerne mehr erfahren im weiteren Studium im Bezug auf das Modulthema UMHET? Welche haben Sie vermisst? Bitte begründen Sie ihre Wahl.

Grundlegend finde ich es wichtig und richtig, dass wir uns als angehende Lehrkräfte mit den facettenreichen Dimensionen von Heterogenität beschäftigen. Doch gerne würde ich mich intensiver mit der gendersensiblen Sprache sowie mit dem Sprechen über Migration beziehungsweise Migrationsgesellschaft auseinandersetzen wollen. Ich finde es besonders spannend zu sehen, wie wir Menschen unsere Sprache verwenden. Oftmals bemerke ich selber an meinem sprachlichen Ausdruck, dass ich unbewusst bestimmte Begriffe verwende, die auf andere stereotypisierend wirken oder sogar rassistisch gedeutet werden können. Aufgrund eines Workshops zu diesem Thema habe ich bereits begonnen darauf zu achten, wie man unbewusst die Sprache oder auch Ausdrücke verwendet. Ich denke, dass es noch zu wenig Schulen gibt, die Rassismus in die Tiefe thematisieren oder migrationsgesellschaftliche Themen miteinbeziehen. Dabei ist gerade dies eine Sache der Erziehung und der Bildung. Daher muss man sich besonders als Lehrkraft die Bedeutung und die Anwendung bestimmter Begriffe wie „Migrant“ oder „Menschen mit Migrationshintergrund“ bewusst werden (vgl. Karakaşoglu/Mecheril 2019).

Des Weiteren glaube ich, dass der Aspekt der gendersensiblen Sprache ein essenzieller Bestandteil der heutigen Gesellschaft ist. Diesen erlebe ich wiederum nur selten außerhalb der Universität und kannte dies aus meiner eigenen Schulzeit zuvor überhaupt nicht. Aber auch hierbei ist es von hoher Relevanz, dass Lehrpersonen mit dieser Art der Sprache bewusst umgehen. Daher denke ich, dass es notwendig ist, dass auch die Heterogenitätskategorie ‚Gender‘ weiter intensiv thematisiert wird.                                Aus diesem Grund empfinde ich eine selbstkritische Reflexion sowie eine weitere Vertiefung hinsichtlich der Sprache von großer Bedeutung, da die Sprache das wesentliche Kommunikationsmittel zwischen Lehrkraft und Schüler*innen ist.

 

Literaturverweis:

Fend, Helmut (2009), Neue Theorie der Schule. 2., durchgesehene Aufl., VS-Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden.

Gerkmann, Anna und Rose, Nadine (2015), Differenzierung unter Schüler_innen im reformorientierten Sekundarschulunterricht, Zeitschrift für Qualitative Forschung 16 (2), S. 191-210.

Karakaşoglu, Yasemin und Mecheril, Paul. (2019), Pädagogisches Können. Grundsätzliche Überlegungen zu Lehrer*innenbildung in der Migrationsgesellschaft, In: Doreen Cerny und Manfred Oberlechner (Hrsg.), Das Professionsfeld Schule in der Migrationsgesellschaft. Budrich, Opladen, S.17-32.

Kultusministerkonferenz (2020), Sonderpädagogische Förderung in Schulen 2009 bis 2018.

Stichweh, Rudolf und Windolf, Paul (2009), Inklusion und Exklusion: Analysen zur Sozialstruktur und sozialen Ungleichtheit, VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden.

Walgenbach, Katharina (2017), Heterogenität – Intersektionalität – Diversity in der Erziehungswissenschaft. 2., durchgesehene Aufl., utb., Opladen und Toronto.