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Meint Inklusion wirklich alle? – Aktuelle Diskussionslinien und praktische Umsetzung

1. Benennen Sie bitte die für Sie zentralen theoretischen Aspekte aus der Vorlesung und
begründen Sie die Auswahl.

Die zentrale Aussage der Vorlesung besteht darin, dass Inklusion mehr als nur dabei sein und mehr als nur das Gleiche für alle bedeutet. Inklusion meint dabei nicht, ein Kennzeichen einer einzelnen Person, sondern ein Prozess, der sozial konstruiert wird. Entscheidend dafür ist es, eine Behinderung nicht als persönliches Problem wahrzunehmen. Der Weg zur Inklusion erfolgt dabei in fünf Phasen. Die Exklusion (der Ausschluss von Kindern mit einer Behinderung) soll durch eine Separation mit sogenannten Förderschuleinrichtungen folgend von einer Integration in den Regelschulen abgeschafft werden. Dabei werden die Kinder in das bestehende Schulsystem integriert, hingegen sich das System nicht an die neuen Verhältnisse anpasst. Daher wird die Integration erweitert und optimiert, sodass alle Kinder mit einem sonderpädagogischen Bedarf Regelschulen besuchen können. Dahinter steckt der Rechtsanspruch, dass Bildung ein Grundrecht ist, weshalb alle Schüler*innen den Anspruch auf eine Beschulung außerhalb von Förderzentren besitzen. Trotz dessen, dass eine Entwicklung der Vielfalt zur Normalität sichtbar wird, ist dennoch ein gewisser Grad der Exklusion weiterhin erkennbar. Es besteht die Gefahr, dass Inklusionsmaßnahmen zur erneuten Desintegration führen. Anschaulich wird dies mitunter an der schulischen Organisation wie Sondereinrichtungen und Sonderlehrpläne oder unteranderem auch durch Sonderbehandlungen in Form von pädagogischen Assistenzen oder differenzierter Unterricht in separaten Räumen. Darüber hinaus ist für das Inklusionsverständis ausschlaggebend, nicht nur Sonderförderungsbedarfe zu betrachten, sondern auch alle weiteren Heterogenitätsdimensionen (Ethische Herkunft, Geschlecht und soziokultureller Hintergrund) einzubeziehen und Zusammenhänge herzustellen. Des weiteren sollte das System so inklusiv gestaltet sein, dass räumliche und sachliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, wodurch die Schüler*innen nicht mehr behindert werden können. Eine Dekategorisierung und ein Ausbau des schulischen Inventars sind dafür wesentlich relevant.

Worüber ich besonders erstaunt war, ist die prozentuale Verteilung der Förderschwerpunkte, die 2018 von der KMK ermittelt wurde. Als größter Förderschwerpunkt stellt sich dabei das Lernen mit 34,6 % heraus. Hinzukommend ist bemerkenswert, dass der Anteil der Schüler*innen mit sonderpädagogischer Förderung an Regelschulen um 22,5 Prozentpunkten im Gegensatz zum Jahr 2009 gestiegen ist. Beide Aspekte hätte ich so nicht erwarten respektive erahnen können.

 

2. Lesen Sie bitte die Fallbeispiele (siehe unten) und beantworten die Fragen. Reflektieren Sie bitte anschließend Ihre bisherigen Erfahrungen an Schulen:

Wie bereits erwähnt, ist das Risiko der „inkludierenden Exklusion“ noch ein großer Bestandteil in den meisten Unterrichtsformen. So hat sich zwar die Inklusion im Schulsystem deutlich verbessert (Grafik von der KMK aus 2018), jedoch ist eine Anpassung an sonderpädagogische Förderbedarfe noch deutlich verbesserungswürdig. Solche Differenzen werden auch in den einzelnen Fallbeispielen deutlich aufgezeigt. Anhand des ersten Fallbeispiels wird bereits ersichtlich, dass notwendige räumliche sowie sachliche Rahmenbedingungen in Regelschulen nicht ausreichend gegeben sind. Damit Finn konzentriert arbeiten kann, benötigt er einen ruhigen Arbeitsplatz, jedoch sind gewisse Differenzierungsräume nicht in allen Schulen vorhanden. Hinzukommend sind dafür auch weitere Lehrkräfte erforderlich, die den Unterricht begleiten und auf die Bedürfnisse der Schüler*innen individuell eingehen. Wie das vierte Fallbeispiel zeigt, kann eine solche individuelle Unterstützung besonders im Bereich der geistlichen und körperlichen Entwicklung hilfreich sein. Wiederum können solche Inklusionsmaßnahmen auch zu Ausgrenzungen führen. So zeigt das zweite Fallbeispiel, dass Sonderbehandlungen nicht immer positiv von den Schüler*innen wahrgenommen werden. Hannah würde viel lieber an dem Regelunterricht teilnehmen, anstatt spezielle Aufgaben bearbeiten zu müssen. Dies zeigt, dass Förderbedarfe individuell eingesetzt werden müssen und Fördermaßnahmen nicht immer den erwünschten Effekt mit sich bringen oder eventuell sogar die Leistungen abschwächen. Das dritte Fallbeispiel könnte diese Annahme verstärken und zeigt auf, dass man die individuellen Stärken der Schüler*innen fördern sollte und sie somit an den neuen Herausforderungen wachsen können.

a. Wie würden Sie ihre Erfahrungen im Hinblick auf die theoretischen Aspekte aus der Vorlesung einordnen? (u.a. Modelle von Behinderung, „inkludierende Exklusion“).

Wenn ich an meine eigene Schulzeit zurückdenke, muss ich sagen, dass ich nur wenig mit dem Thema Inklusion im schulischen Bereich in Kontakt getreten bin. Solang ich mich zurückerinnern kann, gab es lediglich nur einen Schüler aus meiner Grundschulklasse, bei dem sich ein sonderpädagogischen Förderbedarf vermuten lassen konnte. Er hatte Schwierigkeiten sich zu konzentrieren und hat sich oft gegenüber Lehrpersonen und uns Mitschüler*innen aggressiv verhalten, weshalb wir uns häufig vor ihm fürchteten. Er saß grundsätzlich an einem Einzeltisch und erhielt andere Aufgaben, als der Rest der Klasse. Kurz bevor er die Schule gewechselt hat, wurde er von einer pädagogischen Assistenz begleitet. Im Nachhinein denke ich, dass diese Methoden, wie das Sitzen am Einzeltisch, eine Ausgrenzung sowie unsere Angst vor ihm verstärkt haben. Ebenfalls finde ich es schade, dass er von einem auf dem anderen Tag nicht mehr in unser Klasse war und uns Schüler*innen kein Grund dafür genannt wurde. Ich bin der Meinung, dass man uns Schüler*innen mit dem Thema hätte konfrontieren sollen, da so vermittelt wird, dass eine Andersartigkeit nicht in den Regelschulbetrieb „reinpasst“.

b. Welchen Meinungen sind Ihnen im Praktikum / in Praxiserfahrungen insbesondere zu der Frage der Inklusion von SuS mit sonderpädagogischem Förderbedarf an Oberschulen und Gymnasien begegnet und welche Auffassung vertreten Sie selbst?

Ich habe nach dem Abitur ein freiwilliges soziales Jahr an einem Gymnasium absolviert, wodurch ich deutlich mehr Erfahrungen und Eindrücke in dem Bereich Inklusion sammeln konnte. Mein Aufgabengebiet ähnelte dabei zum Teil sehr der Tätigkeit einer pädagogischen Assistenz. An der Schule gab es eine Alphabetisierungsklasse in der ich ebenfalls eingesetzt wurde. Meine Aufgabe in der Klasse war es, einige leitungsschwächeren Schüler*innen individuell zu unterstützen, was meistens separat in Differenzierungsräumen stattfand. Ich wurde aber auch in den Unterricht von Regelklassen mit eingebunden. Beispielsweise hat sich ein Schüler aggressiv gegenüber einer Lehrerin verhalten, woraufhin ich den Unterricht als weitere Person an der Seite des Schülers begleiten sollte. Des weiteren wurde bei einem anderen Schüler frühkindlicher Autismus diagnostiziert, weshalb ich ihm als „pädagogische Assistenz“ zur Seite gestellt wurde. Die Intention der Lehrerin war es, dadurch feststellen zu können, ob der Schüler eine individuelle Unterstützung annimmt, um dann eine professionelle pädagogische Assistenz zu engagieren. Dabei ist mir aufgefallen, dass der Schüler im Unterricht maßgeblich überfordert ist und man nicht in der Lage war, die Wissenslücken in der Zeit aufzuholen, ohne dabei die Mitschüler*innen zu stören.

Ich persönlich bin bei der Frage der Inklusion von Schüler*innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf an Oberschulen und Gymnasien etwas zwiegespalten. Auf der einen Seite finde ich Inklusion in Schulen grundsätzlich wichtig und richtig.  Auf der anderen Seite bin ich der Meinung, dass eine Inklusion bei maßgeblicher Überforderung der Schüler*in nicht unbedingt die idealste Lösung ist. Während meines Freiwilligenjahr habe ich vermehrt Situationen erlebt, dass Eltern oft nach ihrer eigenen Auffassung über ihre Kinder entschieden haben, ohne dabei die Meinungen und Wünsche ihrer eigenen Kinder zu berücksichtigen. Meiner Meinung nach sollte man sich daher individuell nach den Bedürfnissen und Wünschen der Kinder für eine angemessene Schulform entscheiden.

 

3. Formulieren Sie bitte eine Beobachtungaufgabe für den inklusiven Unterricht für zukünftige Praktika.

Eine Frage, die man sich stellen könnte, um die Handlungen der Lehrkräfte zu beobachten, wäre beispielsweise:

Wie reagiert die Lehrkraft auf Schüler*innen mit sonderpädagogischen Förderbedarf? Welche Mittel und Methoden werden für die inklusive Gestaltung des Unterrichts eingesetzt?

Des weiteren könnte man sich folgende Beobachtungsfragen stellen, um auch die Schülerperspektive zu betrachten:

Werden Schüler*innen mit sonderpädagogischen Förderbedarf von ihren Mitschüler*innen erkannt beziehungsweise wahrgenommen? Wie werden sie von ihren Mitschüler*innen behandelt und werden sie in Gruppenarbeiten integriert? Welche Reaktionen werden gegenüber den „Sonderbehandlungen“ von den Schüler*innen selbst und deren Mitschüler*innen geäußert?

Aus aktuellem Anlass kann auch eine weitere Beobachtungsaufgabe gestellt werden:

Hat sich der Fortschritt der Inklusion aufgrund der Corona-Pandemie verändert? Haben sich die Differenzen zwischen den Schüler*innen ohne sonderpädagogischen Förderbedarf zu den Schüler*innen mit sonderpädagogischen Förderbedarf vergrößert?

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