Ein Ausschnitt aus dem Leben eines Lehramtstudis

Doing it wrong, doesn’t make it wrong. Inklusive Pädagogik und ihre Umsetzung (RV07)

1.) Reflektion über die Konsequenzen der Aussonderung von Schüler*innen mit Förderbedarf

Man sollte sich bei einer leistungsorientierten Segregation von Schüler*innen die Frage stellen, welche Folgen und Teufelkreise damit initiiert werden.

Einerseits verschwinden Kinder und Jugendliche mit Förderbedarf aus der gesellschaftlichen Bildfläche und es entsteht ein verschobenes Bild von Normalität. Diese soziale Ausgrenzung im frühen Alter perpetuiert auch eine spätere soziale Ausgrenzung. Schüler*innen ohne Förderbedarf kommen zu wenig in Kontakt und verlernen einen gesunden Umgang mit Heterogenität. Eine Begegnung auf Augenhöhe, zu der jede*r etwas beisteuern kann, wird beiden Gruppen verweigert.

Andererseits verstärkt eine schulische Segregation bestehende Unterschiede stark. Bildungstechnisch wissen wir, dass in einer Schule für alle größere Erfolge erzielt werden können, da Schüler*innen viel voneinander lernen und die Vorbildfunktion nicht vernachlässigt werden sollte.  Darüber hinaus ist der Stempel „Sonderschule“ als Stigmatisierung wirkt und für das Selbstbewusstsein und die Selbstwahrnehmung genauso schädigend ist wie für die Fremdwahrnehmung im Allgemeinen, sowie konkret auf dem späteren Arbeitsmarkt oder bei Berufswünschen. Diese frühe Aussonderung führt in häufigen Fällen zu einer lebenslangen Aussonderung.

Wir sollten uns dessen bewusst werden, dass eine Schule ohne Kinder und Jugendliche mit Förderbedarf eigentlich eben keine normale Schule ist.

2.) Diagnose „Förderschwerpunkt Wahrnehmung & Entwicklung“ bzw. „Förderschwerpunkt Lernen“. Welche Informationen werden von betroffenen SuS benötigt, um den Unterricht ggf. anzupassen?

  • Förderschwerpunkt Wahrnehmung und Entwicklung:
    Dieser Förderschwerpunkt inkludiert im Allgemeinen meist SuS mit Behindertung und kann sehr verschiedenartig ausfallen.
    Für einen gelungenen Unterricht muss also im Vorfeld geklärt werden, ob es sich eher um eine körperliche, um eine emotionale und soziale oder vordergründig um eine geistige Entwicklungseinschränkung handelt. Körperliche Beeinträchtigungen können u.a. motorisch, akustisch oder visuell ausfallen und daher unterschiedliche Anpassungen erfordern. Eine wichtige Rolle spielen auch weitere Rollen, die durch diese Kategorien nicht eingefangen werden: ist der*die Schüler*in depressiv, zurückgeszogen oder eher aggressiv und störend. Hat er*sie Angst oder ist er*ihr Verhalten anders auffällig? Das sind Aspekte, die den Unterricht maßgeblich beeinflussen und auf jeden Fall erfasst werden müssen.
  • Förderschwerpunkt Lernen
    Die offizielle Beschreibung lautet:  „Bei Schülerinnen und Schülern mit Beeinträchtigungen des Lernens ist die Beziehung zwischen Individuum und Umwelt dauerhaft bzw. zeitweilig so erschwert, dass sie die Ziele und Inhalte der Lehrpläne der allgemeinen Schule nicht oder nur ansatzweise erreichen können. Diesen Kindern und Jugendlichen und ihren Eltern muss Hilfe durch Angebote im Förderschwerpunkt Lernen zuteil werden …“ (Drave, Rumpler, Wachtel 2000, S. 300). Ein sonderpädagogischer Förderbedarf zum Förderschwerpunkt Lernen entsteht  also durch die nicht gelungene und fehlende Passung zwischen den individuellen Lernmöglichkeiten des Kindes und der normativen Erwartungshaltung der Schule.
    Um hier erfolgreich unterstützen zu können, sollte im Vorfeld geklärt werden, welche Lernarten für das Kind die präferierten sind. Oft können Lebensweltbezug, geeignetes Anschauungsmaterial (z.B. Silbenschrift bei Texten, Illustrationen) und regelmäßiges Reflektieren des Gelernten oder auch Patenschaften oder ein Tutorensystem aushelfen. Auch hier spielt natürlich wieder die emotional-soziale Entwicklung eine große Rolle, s.o.
    Man muss das passende Modell für der*die Lernende*n finden.

3.) Zugänglichkeit und Anschaulichkeit von Medien/Materialien im Unterricht

Wissenserwerb geschieht auf drei Ebenen: enaktiv (handelnd), ikonisch (bildhaft) und symbolisch (sprachlich). Gute Unterrichtsmaterialien zielen also auf Verständnis auf allen Ebenen ab und versuchen unterschiedlichen Zugang zu Lernenden zu erhalten. Außerdem geschehen Lernerfolge immer in Schritten, die von den Lernenden unterschiedlichen schnell erfasst werden. Wichtig ist es also, keine Lernschritte auszulassen, damit das Verständnis fundiert und real ist. Solche geeigneten Unterrichtsmaterialien existieren häufig schon und können sowohl im Internet als auch im Lehrerkollegium ausgetauscht werden.
Auch konkrete technische Hilfen, wie EduPens, die einerseits Schreibschwierigkeiten zu diagnostizieren hilft, andererseits Kinder hierbei auch unterstützt, wären denkbar. Man muss das Rad nicht neu erfinden.

4.) Begründete Empfehlung dieses Lernvideos von path2in.uni-bremen.de

Ich kann Euch dieses Video wärmstens empfehlen!

Das Video zeigt Carina, die von ihrem Alltag berichtet, von vergangenen Erfahrungen und Vorurteilen, mit denen sie konfrontiert wurde und ihre persönliche Wahrnehmung einer scheinbar künstlichen Aussonderung von Menschen mit Trisomie-21. Sie selbst ist Aktivistin für Gleichberechtigung, tritt in Sendungen auf und moderiert. Außerdem ist sie Schauspielerin und kritisiert trotz großer Lust am Schauspiel ihre Rollen, die sie immer als „Person mit Downsydrom“ darstellen – mit größeren Beeinträchtigungen als sie eigentlich hat. Sie fordert eine Gleichbehandlung, die Betonung der Leistungen statt der Defizite und einen unvoreingenommenen Zugang zu Menschen und der Gesellschaft. Besonders schön, das aus erster Hand und so einleuchtend und klar zu hören. Sehr zu empfehlen!

1 Kommentar

  1. Donia

    Liebe Maria,

    In deinem Blog hast du die Fragen gut gezielt und prägnant beantwortet. Ich teile deine Meinung in jeder Hinsicht. Denn ich finde auch, dass eine Schüler-Aussonderung hauptsächlich und konsequent zur einer Etikettierung des Kindes lebenslang führen könnte und ihn in der Zukunft nicht zur der gewollten Berufskarriere verhilft. Außerdem, denke ich auch, dass es in unserer vielfältigen Gesellschaft heutzutage erst recht Schulen geben sollte, die Schüler mit Förderbedarf inkludieren und unterrichten und sie eher nicht als gesondert stigmatisieren. Angenommen beinahe 40% der Bevölkerung in Deutschland hat einen Migrationshintergrund und wenn ungefähr 10% davon Kinder sind, die einen Förderschwerpunkt haben, in eine Sonderschule zugewiesen werden, dann würde dies dazu beitragen, dass in der Zukunft ein großer Anteil der Kinder ausgegrenzt, diskriminiert, abgestempelt und teilweise ungebildet werden. Denn eine Aussonderung würde zu nichts anderes führen als das.Ich bin der Meinung, dass die Kindheit und die Schulzeit tatsächlich über ein großen Teil unserer Zukunft entscheidet und wenn wir es nicht fördern von jetzt an Schwächen anzuerkennen und sie zu beseitigen und daran zu arbeiten, dann entwickeln die Kinder, ab der Schulzeit, eine schwache, gehemmte, eingeschränkte und eine nicht selbstbewusste Persönlichkeit und das ist nicht wofür unser Bildungssystem steht.

    Außerdem liebe Maria,
    ich fand es sehr gut, dass du die Förderschwerpunkte ausführlich mit Quellenangaben, erläuterst hast und deine Lösungsansätze für die Gestaltung und der Anpassung des Unterrichts entsprechend den vorliegenden Förderschwerpunkt, sind gut. Ich würde zudem ergänzen, dass man als Lehrkraft nachdem erfolgreiches Erkennen der emotionalen – sozialen Beeinträchtigung wie folgt auch reagieren kann: im Unterricht verlässlich agieren, Augenkontakt halten, zusätzliche Pausen und individuellen Unterbrechungen den Sus ermöglichen . Didaktisch sollte eine Lehrkraft wie folgt den Unterricht auch anpassen für Sus mit emotionale -soziale Beeinträchtigung: 1. Aufgaben in einfachen Worten formulieren, Symbole nutzen, kleinschrittig die Aufgaben eingehen um die Möglichkeit des Abhaken von Etappen zu schaffen für den Schüler. 2. die zur Verfügung stehende Zeit visualisierend darstellen, um einer Unterrichtsstunde transparent zu gestalten . 3. Hilfskarten mit Zwischenlösungen und Mustertexte bei Schreibaufgaben bereitstellen um den Sus eine Schreibroutine verschaffen und ihm eine Überforderung mit der Aufgabenstellung vermieden wird.
    Außerdem, finde ich es wichtig beim Förderschwerpunkt Lernen, dass eine Lehrkraft nicht vergessen sollte, dass alle Anpassungen im Unterricht, die sie trifft Folgendes bei den Schüler erzielen sollten: Sein Selbstwertgefühl steigern, sein Sozialverhalten stabilisieren, die Konzentrationsfähigkeit und die Frustrationstoleranz zu steigern und Routinen zu entwickeln.

    Liebe Marie, bei deinen Erläuterungen zur Zugänglichkeit und Anschaulichkeit von Medien/Materialien im Unterricht habe ich nichts auszusetzen und ich würde auch das Selbe vorschlagen wollen und in der letzten Aufgabe, hätte ich auch das Video von Carina empfohlen, da ich auch der selben Meinung vertrete, dass jeder ein Recht auf einer gleichen Ebene wie Art und Weise, den Zugang zur Bildung und Gesellschaft , haben sollte, egal ob ein Schüler mit Förderbedarf, Teil-Behinderung oder normal eben.

    Im Großen und Ganzen, fand ich dein Beitrag sehr gut Maria und mach weiter so.

    Lieb Grüße Donia

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