Ein Ausschnitt aus dem Leben eines Lehramtstudis

Ansätze zur Entwicklung einer interkulturellen gendersensiblen Pädagogik (RV09)

Zuallererst soll angemerkt werden, dass im Folgenden – ausnahmsweise und nur weil die Vorlesung dies auch so behandelt! – wenn von Gender gesprochen wird, lediglich Bezug genommen wird auf Jungs und Mädchen, um den Sachverhalt zu erleichtern. Dies soll keinen ganzheitlichen, realitätsentsprechenden Anspruch haben. Die volle Gender-Bandbreite verdient eine ganz eigene Betrachtung und soll hier aber nicht im Hauptaugenmerk liegen.

1. Spannungsfeld zwischen Inszenierung und Zuschreibung in Bezug auf Genderdynamiken und -pädagogik in der Schule.
Jungen und Mädchen werden von unterschiedlichen Seiten bestimmte Vorlieben, Stärken und Schwächen zugeordnet. Das typische „Mädchen mögen rosa, Jungs dagegen schwarz“ äußert sich genauso in der Schule als „Mädels sind besser in Deutsch und Jungs besser in Physik“, aber auch „Frauen können eben besser mit jungen Schüler*innen, Männer sind für härtere Jobs bestimmt“. Wo kommt das her?
Dass es eine (zumindest in Teilen) künstliche Zuschreibung ist, erkennt man an der Tatsache, dass sie sich im Laufe der Jahre gewandelt hat. Heute wissen wir, dass auch Frauen die Fähigkeit besitzen zum Studieren und für sich selbst entscheiden können. Durch Erziehung in der Familie und in der Gesellschaft werden wir in einer Welt groß, die uns geschlechterabhängig mit unterschiedlichen Erfahrungen und Erwartungen konfrontiert. Selbst in der Schule werden die gleichen Leistungen von Jungen in sprachlichen Fächern anders bewerten als solche von Mädchen, weil die Erwartungen jeweils anders ausfallen und dies sich in der unbewussten Notengebung der Lehrer*innen äußert.
Dies führt zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeihung, denn die Fächer und Eigenschaften, die genderspezifisch auf ein bestimmtes Kind zutreffen, werden verstärkt und gefördert und führen schlussendlich tatsächlich zu einer signifikant unterschiedlichen Tendenz in der Leistung, die später unterschiedlichen Berufswahlen mit sich zieht. Eine sich selbst erfüllende Prophezeihung also? In der Wissenschaft geht man von der Koexistenz von „nurture“ und „nature“ aus. Aber einer genderspezifischen künstlichen Trennung der Interessen und Stärken sollte auf jeden Fall entgegen gearbeitet werden. Oder einfach “ die Unterscheidungen „Ruhenlassen“ “ für eine
„Entdramatisierung von Geschlecht“, wie Weber 2006 vorschlug.
2. Reflektieren Sie ihre bisherigen Praxiserfahrungen aus der eigenen Schulzeit und ersten Praktika zum schulischen „Genderplay“, möglichst unter Bezugnahme auf mindestens ein anderes Heterogenitätsfeld der Ringvorlesung, wie Sprache, soziokultureller Background, Leistung, Inklusion.
Auch auf meiner Schule waren die durchschnittlichen Leistungen von Mädchen im Allgemeinen besser als die der Jungen. Und die von Schüler*innen mit Deutsch als Zweitsprache hinter denen mit Deutsch als Erstsprache.
Ich kann nicht mehr sagen, ob wirklich genderspezifische Unterschiede gemacht wurden, außer in der Benotung im Sportunterricht – wo dies durchaus biologisch sinnvoll erscheint. Ich glaube eher, dass es genau die gleiche Behandlung von Schüler*innen als homogene Masse war, die Unterschiede vergrößert hat. Es gibt einfach unterschiedliche Bedürfnisse auf die mit unterschiedlicher Intensität eingegangen werden sollte. Als Lehrer*in mit einer Jungsgruppe, die sich für die Deutschlektüre nicht begeistern lässt, könnte man gerade diese Jungs die nächste Lektürewahl machen lassen, sodass der Unterricht mehr an ihre Interessen angepasst werden können. Oder man könnte den Deutschunterricht inklusiver für alle ethnischen Hintergründe gestalten. Statt nur Literatur der deutschen „Dichter und Denker“ und vielleicht ein bisschen Shakespeare, wieso nicht auch Autoren des Nahen Ostens lesen, die uns von ethnischen Minderheiten der Klasse vorgestellt werden. Solche Entscheidungen haben meine Lehrer*innen selten getroffen.
3. Formulieren Sie eine Beobachtungsaufgabe für kommende Praktika zum Thema „gendersensible Pädagogik“, auch hier möglichst unter Bezugnahme auf mindestens ein anderes Heterogenitätsfeld der Ringvorlesung, wie Sprache, soziokultureller Background, Leistung, Inklusion, um deutlich zu machen, dass die Kategorie Gender nicht für sich steht, sondern andere Dimensionen von Heterogenität oftmals wesentlich mit beeinflusst.
Beobachten Sie aktive Rücksichtsnahmen auf gender- oder herkunftsspezifische Unterschiede. Versuchen Sie hierbei zu beurteilen, ob diese Unterschiede die bestehenden Vorurteile verstärken/inszenieren oder begründet getätigt wurden. Wann kann eine Differenzierung Sinn machen?

1 Kommentar

  1. Sophie

    Hallo Maria,
    hinsichtlich deiner Bearbeitung der ersten Aufgabe kann ich dir voll und ganz zustimmen. Es werden von der Gesellschaft bestimmte Kriterien entworfen, die von den Jungen beziehungsweise Mädchen erwartet werden. Besonders in der Schule wird dies deutlich, da die Gesellschaft beispielsweise davon ausgeht, dass alle Mädchen gut in Kunst und alle Jungen gut in Sport seien. Aufgrund der Entwicklung in den letzten Jahrhunderten stimmen diese Zuschreibungskriterien allerdings nicht mehr alle mit mit den heutigen Schülerinnen und Schülern überein. Beispielsweise gibt es genügend Mädchen, die besonders gute Leistungen im Sportunterricht erbringen und ebenso Jungen, die Freude am Kunstunterricht finden.
    Auf meiner Schule lief alles insgesamt etwas anders ab, als auf deiner. Im Allgemeinen war im Abitur deutlich zu erkennen, dass die Jungen bessere Ergebnisse erzielten. Besonders bei den Durchschnitten mit einer eins vor dem Komma war auffällig, dass dies fast ausschließlich bei den Jungen der Fall war. Hierzu muss ich allerdings anmerken, dass bei der „Nachbarschule“ genau das Gegenteil der Fall war. Ebenfalls auffällig war, dass nahezu alle Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund das Sprachliche Profil mit unter anderem Deutsch als Leistungskurs wählten und dort größtenteils sehr gute Leistungen erbrachten.
    Genderspezifsiche Unterschiede wurden bei uns meines Erachtens auch nur im Sportunterricht gemacht. Im Hinblick auf die Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund wurden keine Unterschiede gemacht. Das lag denke mal ich mal aber auch daran, dass alle fließend Deutsch gesprochen haben und auch in den anderen Fächern keine schwerwiegenden Probleme aufwiesen.
    Schnittstellen mit dem Modulthema werden meiner Meinung nach besonders deutlich hinsichtlich der genderspezifischen beziehungsweise herkunftsspezifischen Unterschiede und der Frage, ob der Unterricht an diese Unterschiede angepasst werden soll. Ebenso wird die Schnittstelle mit dem Modulthema im Bezug auf die Vorurteile, die durch die Unterschiede entstehen können deutlich.

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