1.) Reflektion über die Konsequenzen der Aussonderung von Schüler*innen mit Förderbedarf

Man sollte sich bei einer leistungsorientierten Segregation von Schüler*innen die Frage stellen, welche Folgen und Teufelkreise damit initiiert werden.

Einerseits verschwinden Kinder und Jugendliche mit Förderbedarf aus der gesellschaftlichen Bildfläche und es entsteht ein verschobenes Bild von Normalität. Diese soziale Ausgrenzung im frühen Alter perpetuiert auch eine spätere soziale Ausgrenzung. Schüler*innen ohne Förderbedarf kommen zu wenig in Kontakt und verlernen einen gesunden Umgang mit Heterogenität. Eine Begegnung auf Augenhöhe, zu der jede*r etwas beisteuern kann, wird beiden Gruppen verweigert.

Andererseits verstärkt eine schulische Segregation bestehende Unterschiede stark. Bildungstechnisch wissen wir, dass in einer Schule für alle größere Erfolge erzielt werden können, da Schüler*innen viel voneinander lernen und die Vorbildfunktion nicht vernachlässigt werden sollte.  Darüber hinaus ist der Stempel „Sonderschule“ als Stigmatisierung wirkt und für das Selbstbewusstsein und die Selbstwahrnehmung genauso schädigend ist wie für die Fremdwahrnehmung im Allgemeinen, sowie konkret auf dem späteren Arbeitsmarkt oder bei Berufswünschen. Diese frühe Aussonderung führt in häufigen Fällen zu einer lebenslangen Aussonderung.

Wir sollten uns dessen bewusst werden, dass eine Schule ohne Kinder und Jugendliche mit Förderbedarf eigentlich eben keine normale Schule ist.

2.) Diagnose „Förderschwerpunkt Wahrnehmung & Entwicklung“ bzw. „Förderschwerpunkt Lernen“. Welche Informationen werden von betroffenen SuS benötigt, um den Unterricht ggf. anzupassen?

  • Förderschwerpunkt Wahrnehmung und Entwicklung:
    Dieser Förderschwerpunkt inkludiert im Allgemeinen meist SuS mit Behindertung und kann sehr verschiedenartig ausfallen.
    Für einen gelungenen Unterricht muss also im Vorfeld geklärt werden, ob es sich eher um eine körperliche, um eine emotionale und soziale oder vordergründig um eine geistige Entwicklungseinschränkung handelt. Körperliche Beeinträchtigungen können u.a. motorisch, akustisch oder visuell ausfallen und daher unterschiedliche Anpassungen erfordern. Eine wichtige Rolle spielen auch weitere Rollen, die durch diese Kategorien nicht eingefangen werden: ist der*die Schüler*in depressiv, zurückgeszogen oder eher aggressiv und störend. Hat er*sie Angst oder ist er*ihr Verhalten anders auffällig? Das sind Aspekte, die den Unterricht maßgeblich beeinflussen und auf jeden Fall erfasst werden müssen.
  • Förderschwerpunkt Lernen
    Die offizielle Beschreibung lautet:  „Bei Schülerinnen und Schülern mit Beeinträchtigungen des Lernens ist die Beziehung zwischen Individuum und Umwelt dauerhaft bzw. zeitweilig so erschwert, dass sie die Ziele und Inhalte der Lehrpläne der allgemeinen Schule nicht oder nur ansatzweise erreichen können. Diesen Kindern und Jugendlichen und ihren Eltern muss Hilfe durch Angebote im Förderschwerpunkt Lernen zuteil werden …“ (Drave, Rumpler, Wachtel 2000, S. 300). Ein sonderpädagogischer Förderbedarf zum Förderschwerpunkt Lernen entsteht  also durch die nicht gelungene und fehlende Passung zwischen den individuellen Lernmöglichkeiten des Kindes und der normativen Erwartungshaltung der Schule.
    Um hier erfolgreich unterstützen zu können, sollte im Vorfeld geklärt werden, welche Lernarten für das Kind die präferierten sind. Oft können Lebensweltbezug, geeignetes Anschauungsmaterial (z.B. Silbenschrift bei Texten, Illustrationen) und regelmäßiges Reflektieren des Gelernten oder auch Patenschaften oder ein Tutorensystem aushelfen. Auch hier spielt natürlich wieder die emotional-soziale Entwicklung eine große Rolle, s.o.
    Man muss das passende Modell für der*die Lernende*n finden.

3.) Zugänglichkeit und Anschaulichkeit von Medien/Materialien im Unterricht

Wissenserwerb geschieht auf drei Ebenen: enaktiv (handelnd), ikonisch (bildhaft) und symbolisch (sprachlich). Gute Unterrichtsmaterialien zielen also auf Verständnis auf allen Ebenen ab und versuchen unterschiedlichen Zugang zu Lernenden zu erhalten. Außerdem geschehen Lernerfolge immer in Schritten, die von den Lernenden unterschiedlichen schnell erfasst werden. Wichtig ist es also, keine Lernschritte auszulassen, damit das Verständnis fundiert und real ist. Solche geeigneten Unterrichtsmaterialien existieren häufig schon und können sowohl im Internet als auch im Lehrerkollegium ausgetauscht werden.
Auch konkrete technische Hilfen, wie EduPens, die einerseits Schreibschwierigkeiten zu diagnostizieren hilft, andererseits Kinder hierbei auch unterstützt, wären denkbar. Man muss das Rad nicht neu erfinden.

4.) Begründete Empfehlung dieses Lernvideos von path2in.uni-bremen.de

Ich kann Euch dieses Video wärmstens empfehlen!

Das Video zeigt Carina, die von ihrem Alltag berichtet, von vergangenen Erfahrungen und Vorurteilen, mit denen sie konfrontiert wurde und ihre persönliche Wahrnehmung einer scheinbar künstlichen Aussonderung von Menschen mit Trisomie-21. Sie selbst ist Aktivistin für Gleichberechtigung, tritt in Sendungen auf und moderiert. Außerdem ist sie Schauspielerin und kritisiert trotz großer Lust am Schauspiel ihre Rollen, die sie immer als „Person mit Downsydrom“ darstellen – mit größeren Beeinträchtigungen als sie eigentlich hat. Sie fordert eine Gleichbehandlung, die Betonung der Leistungen statt der Defizite und einen unvoreingenommenen Zugang zu Menschen und der Gesellschaft. Besonders schön, das aus erster Hand und so einleuchtend und klar zu hören. Sehr zu empfehlen!