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Teilnehmende Beobachtung

-Prüfungsleistung-
Elisa Frede 
6042685
Tutorium zur Einführung in die Ethnologie

 

Es ist 14:45, am Mittwoch den 06. Januar und ich sitze auf einer Bank mit Überdachung an der Bahn- und Busstation „am Wall“ in Bremen. Mir gegenüber befindet sich eine Parkanlage genauso wie hinter mir. Das Wetter ist kalt und es schneit. Sehr kleine, feine Schneeflocken fallen vom Himmel und schmelzen sobald sie den Boden berühren. Neben mir geht ein Mann auf und ab und telefoniert. Ich höre, dass er eine Sprache spricht die ich nicht verstehe. Vor mir und hinter mir auf der Straße fahren Autos. Wenn die Ampel auf rot springt, halten sie an und es bildet sich eine Schlange bis die Ampel wieder grün wird und die Autos weiterfahren können. Ich höre das stetige Brummen der Autos auf der nassen Strasse und die Stimme des Mannes neben mir. Ich habe eine Maske auf und merke, dass ich dadurch nur bedingt riechen kann. Es sind wenig Menschen unterwegs. Die Bahn 1 Richtung Huchting kommt und es steigen Menschen ein und aus. Auch der Mann neben mir mit dem Telefon am Ohr steigt in die Bahn, ein Mensch rennt an der Unterstellung, in der ich sitze vorbei und steigt schnell ein. Die Bahn fährt wieder los. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite steigt eine Frau auf ihr Fahrrad und radelt aus meinem Sichtfeld. Ein Mann kommt an die Bahnstation und stellt sich in das andere Haltestellenhäuschen mir gegenüber. Er hat seine Kapuze aufgesetzt und ist vollständig in schwarz gekleidet. Mit der Hand zieht er sich seine Maske ein Stück runter und steckt sich eine Zigarette zwischen die Lippen. Die andere Hand führt ein Feuerzeug an den Mund und er zündet die Zigarette an. In einem anderen Haltestellenhäuschen stellt eine Frau ihre Tasche auf die Bank und faltet ihren Regenschirm zusammen. Dieser ist lila. Sie nimmt ihr Handy aus der Tasche und fängt an darauf zu tippen. Insgesamt gibt es vier dieser Häuschen, in jedem stehen Menschen. Ein Bus kommt und es steigt eine Frau ein und zwei Männer aus. Der Bus fährt wieder. Die zwei Männer wechseln mit zügigen Schritten die Straßenseite und biegen in eine Nebenstraße. Mein Blick wandert zum Boden. Ich sehe viele Zigarettenstummel auf dem nassen Bürgersteig liegen, aufgeweicht und zertreten. Eine durchsichtige Platikverpackung liegt neben dem Mülleimer. Es windet sehr und ein paar Schneeflocken fliegen mir in das Gesicht. Der Bus an der Haltestelle mit gegenüber kommt und es steigen alle ein. Nun ist niemand mehr auf der anderen Seite. An der Station an der ich sitze kommt die nächste Bahn und wieder steigen Menschen ein und aus. Ein Junge stellt sich mit unter den Unterstand. Ich will ihn gerade genauer mustern, da kommt schon ein anderer Junge. Die beiden begrüßen sich, wechseln ein paar Worte und gehen gemeinsam von dannen. Wieder kommen neue Menschen an die Bahnstation. Alle sind sie sehr warm angezogen, viele haben einen Regenschirm dabei, ein paar wenige stellen sich unter. Sie alle tragen einen Mundschutz. Sie stellen sich mit viel Abstand zu den anderen an die Bahnstation oder gehen auf und ab. Der nächste Bus kommt und alle steigen ein. Erneut ist es menschenleer. Ich schaue auf die Uhr, denn langsam friere ich sehr, obwohl ich mich extra warm angezogen habe.
Eine Joggerin kommt aus dem Park und joggt zur Ampel. Während sie darauf wartet, dass es grün wird, läuft sie auf der Stelle. Eine Frau kommt an die Bahnstation. Sie trägt hohe Absätze, die ich bis zu mir klackern höre. Ich schaue mich um und registriere zum ersten Mal das Haus mir gegenüber. Es ist klein und hat drei weiße Türen, die alle geschlossen sind. Oben hängt ein Schild auf dem „Wallanlagen eine Zeitreise“ steht. Die nächste Bahn kommt und es steigen ein Mann und eine Frau aus die sich in dem Häuschen unterstellen, in dem ich sitze. Die beiden reden sehr laut und schnell miteinander, in eine fremden Sprache. Die Frau trägt ein gemustertes weißes Kleid und einen orangenen Mantel aus Pelz. Jetzt setzt sich die Frau auf die Bank neben mich und der Mann und sie schweigen. Es schneit noch immer. Der nächste Bus kommt und fährt dann wieder. Der Mann und die Frau neben mir fangen wieder miteinander an zu sprechen. Beide werden sie lauter. Sie schüttelt immer wieder den Kopf und runzelt die Stirn. Der Mann unterbricht sie oft, wenn sie etwas sagt. Wieder kommt ein Bus. Mir fällt auf, dass die Bahn wohl Verspätung hat die normalerweise in regelmäßigen Abständen von ein Paar Minuten kommt. Der Schnee ist inzwischen Schneeregen. Die Frau neben mir springt plötzlich auf und gestikuliert mit ihren Händen, während sie auf den Mann einredet. Dann kommt die Bahn und beide steigen sie ein. Wieder bin ich alleine an der Station. Ein Mann kommt an die gegenüberliegende Bahnstation und schaut mich an. Ich versuche ihn anzulächeln, doch sieht er das unter meiner Maske gar nicht. Er zündet sich eine Zigarette an und wendet sich von mir ab. Fünf weitere Menschen kommen an die Haltestelle. Ich sehe auf die Uhr und stelle fest, dass bereits eine Stunde vergangen ist. Hiermit beende ich die Beobachtung.

Interpretation der Beobachtung:
Die Menschen die an die Haltestelle kamen, hatten alle einen neutralen bis angespannten Gesichtsausdruck. Kein einziger hat gelacht oder glücklich gewirkt. Nach meiner Wahrnehmung waren viele der Menschen etwas gestresst. Alle hielten sich an die momentanen Maßnahmen, trugen einen Mundschutz und hielten zu anderen Menschen mehrere Meter Abstand. Alle waren sie sehr wachsam. Dies schließe ich daraus, dass jeder seine Umgebung im Blick behielt, sie beobachteten sich gegenseitig und sobald jemand zu nahe kam, ging der jeweils andere einige Schritte mehr auf Abstand.
Was mir am meisten auffiel, war dass jeder der Personen nicht länger als ein paar Minuten blieb. Jeder wartete entweder auf den Bus oder die Bahn und verließ den Ort nach kurzer Zeit wieder.
Marc Augé definiert solch eine Haltestelle als einen Nicht-Ort. Dadurch das dieser öffentliche Ort nur dazu dient auf einen Bus oder eine Bahn zu warten, ist er fremd und austauschbar. Transiträume haben keine individuelle Geschichte, sie sind anonym, ohne wirkliches Leben und gleichen den jeweils anderen Transiträumen, wie in diesem Fall die Haltestelle aussieht wie fast jede Haltestelle.
An diese Definition Augés musste ich denken, als ich eine Stunde in dem Häuschen saß, immer wieder Bahnen und Busse kamen, Menschen ein- und ausstiegen, mit den anderen Menschen kaum interagierten und möglichst schnell den Ort wieder verließen.

Ich habe sehr verstanden, was Augé meint. Nach gut einer halben Stunde habe ich mich an diesem Ort einsam gefühlt. Dies trübte vielleicht meinen Blick auf die anderen Personen, welche in meinen Augen traurig oder nachdenklich schienen. Auch beeinflusste das kalte und windige Wetter eventuell meine Wahrnehmung, sodass der Ort sehr trostlos auf mich wirkte. An einem Tag voller Sonnenschein mit warmen Temperaturen wäre mir die Haltestelle vielleicht sogar wie ein fröhlicher Ort erschienen. 
 Ich habe in dieser Beobachtung bewusst mit niemandem interagiert (außer der eine Blickkontakt mit dem Mann, den ich anlächelte) und keine Menschen angesprochen. 
 Dies lag daran, dass einen Tag vorher schärfere Maßnahmen für den momentanen Lockdown beschlossen wurden und ich deswegen niemandem zu nahe kommen wollte. Meine Befürchtung war, dass sich angesprochene Personen eventuell unwohl fühlen oder negativ auf Fragen, wie „Wo wollen sie hinfahren?“ Oder „Was genau machen sie hier?“ Reagieren würden.
Insgesamt lässt sich sagen, dass die teilnehmende Beobachtung mir die Erkenntnis brachte, dass Haltestellen Orte sind, an denen Menschen zwar anwesend sind, aber nicht wirklich da, weil sie immer möglichst schnell wieder fahren. Es sind fast schon Zwischen-Räume. Und in diesen Zwischenräumen ist das einzige, was Menschen dort tun, zu warten.

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Gegenstandsbeschreibung

Bei dem zu beschreibenden Gegenstand handelt es sich um ein Glasbehältnis, welches sich auf einer Holzplatte, wahrscheinlich einem Tisch, befindet. Es ist mit kleinen, blauen Tintenpatronen gefüllt. Durch den Inhalt lässt sich die Größe deutlich besser einschätzen, denn Tintenpatronen sind nur wenige Zentimeter lang und sehr schmal. Allerdings sind mehrere Dutzend Patronen in dem Glas zu sehen, es ist also auch nicht extrem klein, ich schätze ungefähr 15 Zentimeter hoch. Das Ganze ist durch einen relativ großen Korken verschlossen.

Bei meinem ersten Blick auf dieses Foto, habe ich mich direkt in meine Schulzeit, ganz besonders in die Unterstufe, zurückversetzt gefühlt. So ein ähnliches Fass stand damals auch immer in meinem Zimmer und ich muss direkt an ausgelaufene Füller im Klassenzimmer denken. Dieses „Problem“ war im Nachhinein betrachtet eigentlich viel zu präsent, wie konnten Füller so oft auslaufen? Und dann haben die Hände immer den kompletten, restlichen Schultag nach Tintenkiller gerochen… Naja, dementsprechend hat sich das Fass aber auch immer recht schnell geleert. Die Tintenflecken überall und der Tintenkillergeruch sind definitiv etwas, was ich an der Schulzeit nicht vermisse. Trotzdem habe ich mich gerade gerne daran erinnert 🙂

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Literaturliste zum Poster Sehen

 

Adams, Reginald B., editor (2010): The Science of Social Vision. Oxford University Press.

Adams, Reginald B., editor (2011): The Science of Social Vision. Oxford University Press.

Assmann, Aleida (2008): Einführung in die Kulturwissenschaft, Berlin, E. Schmidt.

Bourgois, Philippe ( 2002): Respect at Work: Going Legit. Cambridge University Press.

Favazza, Armando R. (1996): Bodies under Siege: Self-Mutilation and Body Modification in Culture and Psychiatry. 2nd ed, Johns Hopkins University Press.

Grimshaw, Anna (2001): The Ethnographer’s Eye: Ways of Seeing in Anthropology. Cambridge University Press.

Gobo, Giampietro (2009): Doing ethnography, Los Angeles, SAGE.

Scupin, Raymond (2016): Cultural Anthropology: A Global Perspective. Upper Saddle River, N.J. Ninth Edition. Pearson Education.

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Literaturliste „Sehen“

-Prüfungsleistung-
Elisa Frede
6042685
Tutorium Einführung in die Ethnologie 

Bachleitner, R. & Weichbold M. (2015): Zu den Grundlagen der visuellen Soziologie: Wahrnehmen, Sehen, Beobachten und Betrachten. Forum: Qualitative Sozialforschung, Volume 16 (No. 2, Art. 10), S. 3-6; Lichau

Haag, Kolja (2016): Warum ist Blickkontakt so schnell unanggenehm? URL: https:// www.jetzt.de/meine-theorie/warum-ist-blickkontakt-so-schnell-unangenehm (Datum des letzen Besuchs: 6. Februar 2021, 10:26)

Hettlage, Robert; Alfred Bellebaum (2016): Alltagsmoralen. Die kulturelle Beeinflussung der fünf Sinne. Wiesbaden: Springer VS, S. 85-107

K. & Wulf, C. (2012/13): Arbeiten am Sinn. Anthropologie der Sinne und Kulturelle Bildung. https://www.kubi-online.de/artikel/arbeit-sinn-anthropologie-sinne- kulturelle-bildung

1: Meyer, S. & Sprenger, G. (2011): Disziplinen der Anthropologie. In: Meyer, S.; Owzar, A. (Hrsg.): Der Blick der Kultur und Sozialanthropologie, Münster: Waxmann Verlag GmbH, S. 219

Meyer, S. & Sprenger, G. (2011): Disziplinen der Anthropologie. In: Meyer, S.; Owzar, A. (Hrsg.): Der Blick der Kultur und Sozialanthropologie, Münster: Waxmann Verlag GmbH, S. 203 – 222

Prinz, Sophia (2014): Die Praxis des Sehens. Bielefeld: Transcript Verlag

2 :Wikipedia: Blickkontakt (2021): URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Blickkontakt (Datum des letzten Besuchs: 6. Februar 2021, 12:35)

3 :Schütz, Alfred (2004): Der sinnhafte Aufbau der sozialen Welt. Eine Einleitung in die verstehende Soziologie, Konstanz: Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft, S. 323

Bilder: Meyer, S. & Sprenger, G. (2011): Disziplinen der Anthropologie. Waxmann, S. 215; https://pixabay.com/de/vectors/auge-augapfel-augenbrauen-3682102/ (03.02.2021. 16:22); https://auge-online.de/wissenswertes/sehvorgang (03.02.2021. 16:22)

Paulus,Kurt. Psychische Überforderung durch visuelle Reizüberflutung.Content factory blog. verfügbar unter https://content-factory.blog/?p=1596, (letzter Zugriff 07.02.2021)

Poster zum „Sehsinn“

Anmerkung: In dieser Literaturliste stehen auch die jeweils benutzten Bilder für das Plakat. Zudem sind die Nummerierungen (1,2 und 3) für die direkten Zitate die auf dem Poster zu finden sind.

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Übung Literaturliste

Adichie, Chimamanda Ngozi (2015): Americanah. Frankfurt am Main: FISCHER Taschenbuch.

Stokowski, Margarete (2019): Untenrum frei. Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag.

Wells, Benedict (2018): Vom Ende der Einsamkeit. Zürich: Diogenes Verlag AG.

Alles Bücher, die ich nur empfehlen kann! 🙂

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Übung: Literaturliste

Colombani, Laetitia (2019): Der Zopf. Frankfurt am Main: FISCHER Tagebuch.

Harari, Yuval Noah (2013): Eine kurze Geschichte der Menschheit. München: Pantheon.

Zusak, Markus (2008): Die Bücherdiebin. München: cbj/Blanvalet Verlag.

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Teilnehmende Beobachtung

-Prüfungsleistung-

Bremer Hauptbahnhof                                                           Maria Markow 06.01.2021                                                                                 6045314 14.41-15.47 Uhr                                Tutorium Einführung in die Ethnologie                      

Ich bin zum ersten Mal am Hauptbahnhof in Bremen. Ich werde das Geschehen dort allgemein beobachten, bevor ich mich auf die spezifische Situation der Obdachlosen konzentriere. Das erste, was mir auffällt, ist, dass die Bahnhofshalle viel einladender und freundlicher aussieht, als ich es an anderen Bahnhöfen gewohnt bin. Wahrscheinlich, weil sie weiß gehalten ist und die gewölbte Decke den Raum viel offener erscheinen lässt. Darüber hinaus befinden sich an der Wand über der Anzeigetafel farbenfrohe Gemälde. Eines davon zeigt zum Beispiel die Bremer Stadtmusikanten. Ich setze mich auf eine Bank in der Mitte der Halle und mein positiver erster Eindruck verblasst schnell, da es nach nur wenigen Minuten eiskalt ist. Es sind ungefähr zwei Grad Celsius und außerdem zieht es durch den Wind aus allen Ecken. Ich versuche die Kälte auszublenden und mich auf meine Umgebung zu konzentrieren.

Einige Sicherheitskräfte, die alle eine gelbe Weste tragen, patrouillieren. Von Zeit zu Zeit sprechen sie Menschen an, die die Covid-19 Hygienevorschriften nicht vollständig erfüllen. Sich wiederholende Ansagen und Schilder erinnern an das Tragen des obligatorischen Mund-Nasen-Schutzes. Zusätzlich befinden sich Markierungen auf dem Boden, die den Fußgängern helfen Abstand zu halten.

Da ich eine Maske trage, kann ich nicht wirklich etwas riechen, aber als es noch möglich war, war es stets ein eher unangenehmer Geruch. Abgesehen von einer Taube, die herum flattert und an einer alten Zigarette herumhackt, stelle ich fest, dass nur wenig Müll auf dem Boden liegt.

Angestellte in Anzügen, Jugendliche, einige Familien. Die meisten in der, wenn man bedenkt, dass wir uns inmitten einer Pandemie befinden, recht großen Menschenmenge, scheinen ein konkretes Ziel zu haben. Sie achten nicht wirklich darauf, was neben ihnen passiert, sondern eilen vorbei, während sie auf ihre Handys blicken. Die Mehrheit trägt Gepäck, vor allem Koffer und Reisetaschen, mit sich. Einige haben nur eine Einkaufstasche dabei, was darauf hinweist, dass sie den Bahnhof ausschließlich zum Einkaufen von Lebensmitteln nutzen könnten. Absätze klicken und Koffer rollen an mir vorbei. Das Rasseln der Züge wird lauter und dann leiser, bis es vollständig zum Stillstand kommt, während die Ansagen auf den Bahngleisen hörbar, aber unverständlich sind. Nach ein paar Minuten gewöhne ich mich an diese Hintergrundgeräusche und schenke ihnen keine weitere Aufmerksamkeit. Die Mehrheit der Passagiere ist allein, aber einige werden auch von einem Freund, einem Familienmitglied oder anderen Bekannten begleitet. Eine junge Frau und ein junger Mann gehen Arm in Arm und führen ein angeregtes Gespräch. Ein anderer Mann trägt den Koffer einer älteren Dame, während sie einen Blumenstrauß bewundert. Die meisten Menschen halten an, um sich die Anzeigetafeln an der Wand anzusehen, die sie über Ankünfte und Abfahrten der Züge informieren. Diejenigen, die scheinbar noch auf einen Zug warten, sitzen auf einer Bank oder einer Treppe, da die Sitzmöglichkeiten sehr begrenzt sind. Die meisten sind mit ihrem Handy beschäftigt, wobei viele Kopfhörer nutzen. Andere essen etwas, was die einzige erlaubte Möglichkeit bietet, die Maske abzunehmen. Eine ältere Frau liest Zeitung, während ein Mann mittleren Alters mit eingeschalteten Lautsprechern telefoniert. Sobald er geht, setzt sich ein anderer Mann, der Papiere, scheinbar Dokumente, herausholt und beginnt, etwas aufzuschreiben. Anschließend sieht er sich ein Video in einer Sprache an, die ich nicht erkennen kann.

Die Bank neben mir wird von einem vermutlich obdachlosen Mann besetzt, der mit einer Decke bedeckt ist und seinen Hund streichelt. Neben ihm stehen zwei Rucksäcke und Schalen für seinen Hund. Meistens sind seine Augen kaum geöffnet, er döst ein und schläft mehrmals fast ein. Aber wann immer ein Passant etwas Geld in seine Tasse wirft, hebt er den Kopf und nickt diesem dankbar zu. Zehn Minuten vergehen und sein Tasten Handy klingelt. Der Mann antwortet in einer osteuropäischen Sprache und beendet den Anruf kurz danach. Er scheint erkältet zu sein, da er sich während meiner Beobachtung wiederholt die Nase putzt. Bevor er wieder einschläft, holt er eine kleine Flasche Alkohol heraus, trinkt einige Schlucke und richtet seine Decke. Ich erinnere mich an den Obdachlosen direkt vor dem Eingang, den ich auf meinem Hinweg gesehen habe. All seine Habseligkeiten waren neben ihm gestapelt, während er ein Schild mit der Aufschrift „Habe Hunger“ in der Hand hielt. Ein anderer Mann durchsuchte die Mülleimer nach noch brauchbaren Dingen und sammelte diese in einer Plastiktüte.

Obwohl alle Teile der Gesellschaft am Bahnhof kollidieren, fallen mir vor allem Obdachlose und ihr Verhalten auf. Insbesondere dieser Winter ist eine extreme Herausforderung für Menschen, die keine dauerhafte Unterkunft haben. Abgesehen von der Kälte, macht es das Coronavirus fast unmöglich, eine Unterkunft zu finden, da sich Deutschland im Lockdown befindet. Die wenigen Orte, die geöffnet sein dürfen, haben so strenge Vorschriften, dass die normalerweise angebotene Unterstützung, wie die Verteilung von Lebensmitteln oder der Zugang zu öffentlichen Toiletten, in vielen Fällen nicht bereitgestellt werden können. Obwohl Obdachlose mit deutlich ernsteren Problemen zu kämpfen haben als die meisten anderen Menschen hier, wirken sie ruhiger und präsenter als diese. Sie scheinen zu beobachten, was neben ihnen passiert, ohne wirklich auf die Zeit zu achten. Dies ergibt allerdings auch mehr Sinn, wenn man berücksichtigt, dass der Bahnhof nicht nur eine von vielen Haltestellen in  ihrem Tagesablauf ist. Im Gegensatz zu normalen Passagieren verbringen sie wahrscheinlich ihren ganzen Tag dort. Wenn man dies bedenkt, bleibt einem wahrscheinlich gar nicht viel mehr über, als aus einem „Nicht-Ort“ anderer einen „Ort“ zu machen (siehe M. Augé, 1995, Non Places).

Mehr als eine Stunde ist vergangen und ich beschließe, meine Beobachtung an dieser Stelle zu beenden. Sobald ich den Bahnhof verlasse, habe ich ein schlechtes Gewissen, weil ich weiß, dass ich jetzt in ein warmes Zuhause zurückkehren kann, während andere den Rest ihres Tages hier in der Kälte verbringen müssen.

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Freewriting

Ok, dann probiere ich jetzt mal die Freewriting Methode. Es ist echt ungewohnt einfach so drauf loszuschreiben, normalerweise mache ich mir immer zuerst Notizen und formuliere gefühlt auch alle meine Sätze später noch um. Meine Mitbewohnerin sitzt mir gerade gegenüber und tippt auch etwas, allerdings mit deutlich mehr Pausen und sie guckt mich auch schon ganz verwundert an, weil dieses durchgängige Klicken der Tastatur ein absoluter Ausnahmefall bei uns ist. Hm was sonst so? Ich bin total müde obwohl es erst nachmittags ist und am liebsten würde ich einen Mittagsschlaf machen, aber dann werde ich ganz sicher heute Nacht nicht mehr einschlafen können. Soll ich mir gleich einen Kaffee oder Tee machen? Leider habe ich das Gefühl ,dass Koffein meistens keine Wirkung bei mir erzielt. Und Red Bull ist jetzt auch nicht die gesündeste Alternative.. Langsam tun schon meine Finger weh, so lange am Stück habe ich wahrscheinlich seit den Abiklausuren  nicht mehr geschrieben. Obwohl ich so müde bin, schweben mir die ganze Zeit noch To-Do’s im Hinterkopf, zu denen ich mich gerade aber einfach nicht aufraffen kann. Immerhin habe ich heute schon etwas gelesen, dann habe ich kein ganz so schlechtes Gewissen. Mir fällt auf, dass obwohl ich ohne Pause schreibe, nicht so viel Text dabei herumkommt wie ich nach 10 Minuten erwartet hätte. Ding, ding, ding – die Zeit ist um und es war echt halb so komisch wie ich zuerst gedacht habe.

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Die erste (teilnehmende) Beobachtung

Es ist Montag, der 14. Dezember 18:31 Uhr.
ich sitze im IC von Magdeburg nach Hannover und werde hier teilnehmend beobachten.
Um das Folgende besser zu verstehen, gebe ich noch etwas Kontext bezüglich der Bahnsituation.
Der IC fuhr mit einer Verspätung von 25 Minuten am Magdeburger Hauptbahnhof ab. Davor wurde er weder angezeigt, noch wussten die Mitarbeiter:innen der db-Auskunft was mit dem Zug geschehen war. Die einen sagten, er sei durchgefahren ohne das es die Personen, die den Zug nehmen wollten es bemerkt hätten und wieder andere meinten, der Zug sei ausgefallen, das sei nur nicht durchgesagt worden. Es herrschte also nach meiner (subjektiven) Wahrnehmung eine sehr aufgeregte und angespannte Stimmung, als der Zug letztendlich doch noch einrollte und wir alle einstiegen.
Nun sitze ich in einem zweier-Platz am Fenster. Mit mir im Zugabschnitt nur drei weitere Personen, eine junge Frau, etwa in meinem Alter drei Plätze vor mir, eine ältere Frau so weit entfernt, dass ich sie nicht sehe, und eine ältere Frau direkt neben mir am anderen Fensterplatz.
Sie hat weiße, längere, gewellte Haare, trägt eine Brille und hat eine riesige Plastiktüte von Möbel-Hesse auf dem Platz neben sich stehen.
Die ersten Minuten der Zugfahrt telefonierte sie und berichtete ihrem Gesprächspartner:in in lautem, angeregten Ton von dem Ereignis der Zugverspätung. Sie schien sehr verärgert. Sowas sei ihr in über zwanzig Jahren pendeln noch nie passiert, das müsse man mal einem/einer Journalist:in mitteilen, dass die restliche Welt endlich darüber informiert werde, was für ein Verein die Deutsche Bahn eigentlich sei.
Nun ist seit einigen Minuten das Gespräch beendet und sie hat sich einer Zeitschrift zugewandt. Sonst höre ich kaum etwas.
Nur das monotone Rauschen des Zuges. Draußen ist es schon seit Stunden dunkel und im Zug sehr hell, durch die langen Neon-Röhren.
Was mir besonderes und in meinem Empfinden sehr negatives auffällt;
Die Frau neben mir, die sich vorhin über die Deutsche Bahn so beschwerte, hat ihre Maske abgesetzt und macht keine Anstalten, sie wieder aufzuziehen.
Zuerst dachte ich, sie möchte vielleicht nur kurz zu Atem kommen oder etwas trinken. Aber seit einer Viertelstunde sitzt sie dort nun ohne ihren Mundnasen-Schutz. Ich überlege, ob ich sie darauf ansprechen soll, möchte aber auch nicht in einen Streit geraten, da ich ja gerade erlebt habe, wie sie wird, wenn ihr etwas nicht gefällt. Leider bin ich in solchen Situationen oft viel zu höflich.
Inzwischen haben wir den Bahnhof in Helmstedt und die Zugführerin verabschiedet sich bei den aussteigenden Fahrgästen.
Ich höre wie die Türen aufgehen, Menschen ein- und aussteigen und die Türen sich wieder schließen.
Der Zug fährt wieder los und die Schaffnerin kommt in das Zugabteil und fragt nach den Tickets.

Ich zeige meins vor und sehe dabei, dass die Frau neben mir inzwischen ihre Maske aufgesetzt hat. 
Die Schaffnerin geht weiter. Ich höre Menschen im vorderen Teil des Zuges miteinander reden, kann aber nicht verstehen was gesagt wird. Ab und zu höre ich das rascheln einer Seite, die umgeblättert wird.
Ich denke daran, dass ich in Hannover den Zug nach Bremen bekommen muss und hoffe, dass wir die Verspätung wieder einholen.
Eine Frau geht an meinem Platz vorbei. Sie trägt eine weiße Mütze und hält ihre Jacke und Gepäck im Arm. Die Toilettentür geht auf und zu.
Dann ist wieder alles still.
Es ist 19:01 und ich beende die teilnehmende Beobachtung.

Insgesamt fand ich das teilnehmende Beobachten äußerst spannend. Zwar habe ich in dieser Übung noch nicht interpretiert oder eine Konklusion gezogen, aber die Rolle des Beobachters gefiel mir sehr. Einfach mal die Umgebung, die Menschen sehen, möglichst ohne Wertung.
Durch diese Übung fing ich an, genauer hinzuschauen. Etwas mehr zu hinterfragen. Vielleicht wäre mir normalerweise kaum etwas aufgefallen, weil ich lieber mit Kopfhörern und in ein Buch vertieft im Zug sitze und dadurch kaum die Menschen, die mit mir reisen wahrnehme.
Die restliche Reise, die noch 4 Stunden ging, habe ich weder Musik gehört, noch mich mit anderen Sachen abgelenkt.
Ich habe nur die Menschen gesehen, meine Umgebung beobachtet und dabei immer wieder versucht, mein denken zu hinterfragen.

  • Elisa
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Beobachtung HBF

Ich bin das erste Mal am Hauptbahnhof in Bremen. Mir fällt auf, dass die Bahnhofshalle um einiges einladener und freundlicher aussieht, als ich es von anderen Bahnhöfen gewohnt bin. Wahrscheinlich liegt es daran, dass sie weiß gehalten ist und die gewölbte Decke den Raum offener wirken lässt. Dieser positive Ersteindruck rückt aber schnell wieder in den Hintergrund, denn es ist bereits nach wenigen Minuten furchtbar kalt. Die Bank auf der ich sitze, ist auch so schon kalt und dazu zieht es aus allen Ecken. Ich versuche die Kälte auszublenden und konzentriere mich auf meine Umgebung.

Trotz Corona sind relativ viele Menschen unterwegs, gestresste Menschen im Büroanzug, viele Jugendliche und Studenten, einige Familien. Alle Teile der Gesellschaft sind hier vertreten. Die Absätze klackern an mir vorbei und ich höre aus allen Richtungen die Rollen der Koffer. Das Rattern der Züge wird in einem Moment lauter und genauso schnell wieder leiser, während die Ansagen von den Bahngleisen wie so oft nur mit Mühe zu verstehen sind. Die meisten scheinen ein bestimmtes Ziel zu haben und hasten mit Blick aufs Handy vorbei. Andere sitzen auf einer Bank und essen oder sind auch am Handy/Laptop. Lediglich Obdachlose stechen für mich heraus, da sie scheinbar die einzigen sind die nicht auf die Zeit achten. Ergibt auch Sinn, wenn man bedenkt, dass es für sie nicht nur eine Station von vielen ist, höchstwahrscheinlich verbringen sie ihren ganzen Tag dort.  Ein Obdachloser der in meiner Nähe auf einer Decke neben zwei Rucksäcken sitzt, streichelt seinen Hund. Wenn ein Passant etwas Geld in seinen Becher wirft, hebt er den Kopf und guckt ihnen hinterher. Die 15 Minuten sind mittlerweile auch schon um und mit etwas schlechtem Gewissen, dass ich jetzt wieder zurück nach Hause, ins Warme, fahren kann, verlasse ich den Bahnhof.