Obdachlosigkeit begegnet den meisten von uns fast täglich und doch ist das ein Bereich der wie abgekoppelt von unserem Leben erscheint. Gerade wie eine Parallelwelt wie Martin Gruber in seiner Feldforschung über Obdachlose in Hamburg schreibt. Die Menschen begegnen ihnen -wenn sie gerade nicht beschämt weggucken – abwertend, sogar mit einer Art Ekel. Diese Parallelwelt ist wie Herr Gruber in der Vorlesung sagte zugleich fremd und vertraut. Doch was uns vertraut erscheint sind ja eigentlich nur die kurzen Momente in denen wir mit der Thematik Obdachlosigkeit konfrontiert werden. Sei es morgens am Hauptbahnhof um auf die Bahn zur Uni zu warten während neben uns die ersten Biere getrunken werden oder wenn wir nach Kleingeld gefragt werden. Doch das ist ja nur ein kleiner Ausschnitt, Obdachlose sind ja genauso Menschen wie wir mit all ihren Charaktereigenschaften, Hobbys und Bedürfnissen und haben dementsprechend auch ein eigenes komplexes Leben von dem wir nichts wissen. Wir wissen nichts von ihren Schicksalsschlägen oder ihren ganz eigenen persönlichen Kämpfen die sie Tag für Tag führen.
Auch ich ertappe mich manchmal dabei wie ich Augenkontakt vermeide, ich mich extra ein paar Meter entfernt an der Haltestelle aufhalte oder ein schlechtes Gewissen habe kein Geld gegeben zuhaben, obwohl ich mit Einkaufstüten durch die Innenstadt laufe. Es ist einfach sich in manchen Situationen gestört zu fühlen, aber wir sind in der privilegierten Position am Ende des Tages nachhause zu können und unsere restliche Zeit so zu gestalten wie wir es wollen. Wir können unsere Privatsphäre genießen und sind nicht den ganzen Blicken der vorüber gehenden Passanten ausgesetzt, wir können uns mit unseren Freunden in den Wohnungen treffen um uns auszutauschen oder auch ein Bierchen zu trinken. Und auch wenn wir ab und zu angesprochen werden ob wir ein bisschen Geld übrig hätten, die obdachlose Person ist gezwungen jeden Tag ihren eigenen Stolz zu überwinden und sich durchgängig in Momente zu begeben, in denen für ihre Sicherheit nicht gewährleistet ist. Dementsprechend sollten wir versuchen mit mehr Verständnis mit der Obdachlosigkeit umzugehen und Empathie zu zeigen auch wenn es mal zu unangenehmen Situationen kommen sollte.
– Julina
Ich habe auch immer ein schlechtes Gewissen, wenn ich den Menschen kein Geld gebe. Vor allem in Zeiten von Corona in denen zu kontaktlosem Zahlen aufgerufen wird, fühlte sich die Aussage „Ich habe kein Bargeld dabei“ für mich wie eine Lüge an, obwohl es die Wahrheit war.
Ich finde du hast das Thema super zusammengefasst! Mir geht es genauso. Man nimmt einfach meistens gar nicht wahr, wie privilegiert man in seinen Möglichkeiten oder einfach generell in seinem Leben ist. Ich ertappe mich auch dabei, wie ich solche scheinbar „unangenehmen“ Themen oft einfach zur Seite schiebe, einfach, weil ich die Möglichkeit habe mich eben nicht tagtäglich damit zu beschäftigen. Obwohl das natürlich nicht der Fall sein darf.
Echt ein super Beitrag! Ich komme aus einer eher ländlichen Gegend und fand es, als ich jetzt zum ersten Mal in eine etwas größere Stadt gezogen bin, eher befremdlich, dass ich täglich von Obdachlosen nach Geld gefragt werde. Mittlerweile gehört es zu meinem Alltag, was die Situation nicht angenehmer oder leichter macht. Ich kann dich also sehr gut nachvollziehen.