Welche Rahmenbedingungen braucht ein inklusives Bildungssystem?

Ich habe mich für den Artikel „Welche Rahmenbedingungen braucht ein inklusives Bildungssystem? Das Beispiel Italien/Südtirol“ von Rosa Anna Ferdigg entschieden (2/2010), da meiner Meinung nach, das (gute) Gelingen von Inklusion nur dann möglich ist, wenn auch die Rahmenbedingungen stimmen.  Der Artikel von Ferdigg untersucht folgende vier Faktoren, die für ein inklusives Bildungssystem maßgeblich entscheidend sind:

  1. Gesetzlicher Rahmen
  2. Personelle und finanzielle Ressourcen
  3. Unterstützungssystem
  4. Angemessene strukturelle Voraussetzungen

Als Fallbeispiel dient Italien, Südtirol, da das Bildungssystem dort bereits seit mehr als 30 Jahren inklusiv ist und als Paradebeispiel für gelingende Integration im Bildungssystem gelten kann.

Zu Punkt 1: Gesetzlicher Rahmen

In Südtirol ist das Recht auf Bildung und gemeinsame Beschulung gesetzlich geregelt und einklagbar.  Die Verfahren zur Feststellung der Behinderung, die dafür verantwortlichen Institutionen und deren Zuständigkeiten und Aufgaben sind gesetzlich vorgegeben und werden ausschließlich von Fachkräften vorgenommen (d.h., dass Lehrkräfte keine diagnostischen Abklärungen übernehmen).

Die Diagnose der Beeinträchtigung, die Beschreibung der Kompetenzen des Kindes, aber auch die Schwierigkeiten für die relevanten Bereiche werden festgehalten und geben ein gesetzliches Anrecht auf notwendige therapeutische Angebote und/oder spezifische pädagogisch-didaktische Maßnahmen (Differenzierung und Individualisierung der Lernwege, differenzierte Bewertungskriterien).  Auch bei Beeinträchtigungen und Störungsbildern mit weitreichenden Auswirkungen besteht per Gesetz ein Anrecht auf vorgesehene Unterstützungs- und Individualisierungsmaßnahmen.  Die vorgesehenen Maßnahmen für die Bildung und Förderung der Kinder werden dann in einem Individuellen Erziehungsplan schriftlich dokumentiert.  Im Mittelpunkt der Überlegungen stehen die individuellen Ressourcen, Probleme und Bedürfnisse der Kinder und die Wechselwirkung mit dem Umfeld.  Das heißt, das der Individuelle Erziehungsplan nicht losgelöst von den Lernsituationen der gesamten Gruppe bzw. Klasse steht, sondern er muss eng in diese (Lernsituationen) eingebunden sein.  So wird der Individuelle Erziehungsplan in Zusammenarbeit mit den betroffenen Kindern selbst – entsprechend ihrem Alter –  den Eltern, den Lehrern, dem Klassenrat, den Bezugspersonen der Kinder und den Fachkräften der Dienste erstellt. Eine Kopie dieses Individuellen Erziehungsplanes wird den Eltern, den Lehrern und den Fachkräften ausgehändigt.  Das Original wird gemeinsam mit den anderen persönlichen Dokumenten in der Schule aufbewahrt, bis das Kind die Institution verlässt.  So wird beim Übergang von einer Schulform (z.B. von der Grundschule in die Sek I, und von der Sek I in die Sek II) in die nächste, der Individuelle Erziehungsplan ausgehändigt und aktualisiert.  Im Rahmen dieser Aktualisierung kann auch die Erstdiagnose geändert werden, wenn dies aufgrund der durchgemachten Entwicklungen des Kindes für notwendig erachtet wird, um sich dann an den aktuellen Bedürfnissen des Kindes zu orientieren.

Zu Punkt 2: Personelle und finanzielle Ressourcen

Zur Unterstützung der Inklusion können den Schulen zusätzliche Personalressourcen zugewiesen werden:

Integrationslehrperson

Die Integrationslehrpersonen haben eine Hochschulausbildung als Grundschul- oder Sekundarstufenlehrer und eine zusätzliche zweijährige universitäre Spezialisierung im Bereich Integration.  Die Integrationslehrperson wird einer oder mehreren Klassen zugewiesen, in der SchülerInnen mit einer diagnostizierten Beeinträchtigung eingeschrieben sind.  In diesen Klassen ist die Integrationslehrperson vollwertiges Mitglied des Klassenrates und nimmt auch mit Stimmrecht an den Bewertungskonferenzen für alle SchülerInnen teil.  In den ihr zugewiesenen Klassen übernimmt sie die didaktische und pädagogische Aufgaben im Team mit dem KlassenlehrerIn.  Die Integrationslehrperson spielt auch als Experte eine wichtige Rolle bei der Erstellung und Überprüfung des Individuellen Lehrplans sowie bei der Planung und Überprüfung der Differenzierungsmaßnahmen.

MitarbeiterIn für Integration

Der MitarbeiterIn für Integration wird vor allem dort eingesetzt, wo aufgrund schwerwiegender Diagnosen Hilfe bei der Verrichtung von Alltagshandlungen (Fortbewegung, Essen, etc.) Unterstützung notwendig ist.  Der MitarbeiterIn für Integration hilft bei der Erstellung des individuellen Erziehungsplanes, des Entwicklungsprofils, trägt zur Bestimmung von Stärken, der Festlegung von Zielen und methodischen Strategien bei und nimmt mit beratender Funktion an den Sitzungen der Kollegialorgane teil.

SozialpädagogIn

Der SozialpädagogIn hat eine Hochschulausbildung im Bereich Sozialpädagogik oder Sozialarbeit.  Der Aufgabenbereich ist weitläufig und kann sowohl die ganze Schulgemeinschaft als auch das Elternhaus und außerschulische Partner involvieren.  Der SozialpädagogIn sucht nach pädagogisch sinnvollen Lösungen auch in schwierigen Erziehungssituationen, insbesondere für SchülerInnen in sozial schwierigen Situationen.

Finanzielle Mittel für die Anschaffung von speziellen Lehr- und Hilfsmitteln

Zusätzlich werden den Schulen nach einem festgelegten Schlüssel finanzielle Mittel zum Einkauf von speziellen Lehr- und Hilfsmitteln zur Verfügung gestellt.

Zu Punkt 3: Unterstützungssystem

Das Unterstützungssystem für Schulen sieht interne und externe Angebote in Form von Experten, Arbeitsgruppen, Beratungs- und Fachstellen vor.  Dienste des Schulamtes und des Pädagogischen Institutes sehen z.B. folgende Angebote vor:

  • Integrationsberatung
  • Schulberatung
  • Gesundheitsförderung
  • Unterrichtsentwicklung
  • Schulentwicklung
  • Supervision&Coaching

Dienste der Sanitätseinheit und des Sozialwesens folgende:

  • Psychologischer Dienst
  • Rehabiliationsdienste
  • Kinder- und Jugendpsychiatrie
  • Fachstelle für Hörgeschädigte
  • Fachdienst für Sehgeschädigte
  • Sozialdienst

Zu Punkt 4: Angemessene strukturelle Voraussetzungen

Hierfür ist in Südtirol grundsätzlich der Schulträger zuständig.  Die Aufgaben des Trägers sind:

  • Abbau von architektonischen Barrieren in den Gemeindegebäuden
  • Ankauf und Einbau von Hilfsmitteln für den Zugang und Besuch der Einrichtungen in Bezug auf Material und Vorrichtungen (z.B. Hebevorrichtungen) und die Zuständigkeit und Wartung dieser Hilfsmittel
  • Zurverfügungstellung eines Planes der außerschulischen, im jeweiligen Gebiet vorhandenen Ressourcen (kulturelle, sportliche, erzieherische und Freizeiteinrichtungen)

Der Artikel von Ferdigg bietet einige konkrete Anregungen dafür, wie Integration im Bildungssystem durch entsprechende Rahmenbedingungen gelingen kann. Von besonderem Nutzen sind meiner Meinung nach die Erstellung eines individuellen Lehrplans in Zusammenarbeit mit allen Beteiligten, der nicht als ein statisches Dokument anzusehen ist, sondern die jeweiligen Entwicklungen des Kindes berücksichtigt und beim Übergang von einer Schulform in die nächste als Ausgangspunkt dient.  Dies gewährleistet eine kontinuierliche und an den Bedürfnissen des Kindes angepasste Förderung während seiner gesamten Schullaufbahn.  Sehr wünschenswert ist auch die Verfügungstellung einer Integrationslehrperson.  Dadurch, dass die Integrationslehrperson eine zusätzliche universitäre Ausbildung zu Fragen der Integration absolviert hat und dem jeweiligen KlassenlehrerIn als im Klassenverbund volleingegliederter Partner ist, der bei der Erstellung von individuellen Prüfungen und Differenzierungsmaßnahmen dem LehrerIn als Fachmann zur Seite steht, kann der KlassenlehrerIn diesen an ihn/sie gestellten Forderungen gerecht werden und die „Last“ der zu lösenden Herausforderungen wird auf 4, und nicht lediglich auf 2 Schultern verteilt.  Dies bedeutet eine enorme Entlastung des Klassenlehrers, und erlaubt ihm, all seinen SchülerInnen mit ihren individuellen Bedürfnissen während des Unterrichts, aber auch bei der Überprüfung von Fertigkeiten, gerecht zu werden. Ein weiterer Punkt, den es hervorzuheben gilt, ist die Vernetzung und Kooperation mit außerschulischen Institutionen/Partnern. Da, wenn Integration gesamtgesellschaftlich gelingen soll, nicht rein auf die Institution Schule beschränkt werden kann, ist ein inklusionsorientiertes Umfeld unabdingbar, d.h., es muss in der Gesellschaft insgesamt eine inklusionsfreundliche Haltung geben.  Eine solche Haltung kann nur durch die Vernetzung und Kooperation mit allen sich in der Gesellschaft befindenden Institutionen und Einrichtungen untereinander, gefördert werden.  So sollte die jeweilige Schule, die in ihrem Stadtteil vorhandenen Einrichtungen (Organisationen, kulturelle, sportliche, erzieherische und Freizeiteinrichtungen) in ihre Arbeit mit einbeziehen.

Wie kann Inklusion gelingen?

Skizzieren Sie bitte auf Grundlage des Artikels von HINZ (2002) zunächst die Qualitäts- und Quantitätsprobleme der Integration.

Beziehen sie anschließend Stellung zur Kritik an der „Zwei-Gruppen-Theorie“ und diskutieren die praktischen Konsequenzen, die sich insbesondere im Hinblick auf die Ihnen vorliegenden Fallbeispiele ergeben.

Laut Hinz markiert das bloße Vorhandensein von SchülerInnen mit Behinderung in der Allgemeinen Schule sowie das daraus resultierende „Bei -oder Nebeneinander“ (Hinz 2002, 4) in der Schule, da gemeinsamer Unterricht häufig nur in den künstlerisch-musischen Fächern stattfindet, aber nicht [Hervorhebung vom Verf.] in den zentralen Fächern wie Schreiben, Lesen, Rechnen, Fremdsprachen und Naturwissenschaften ein schweres Qualitätsproblem der Integration, da Interaktion, soziales Eingebundensein und emotionales Wohlbefinden aus dem Blickfeld rücken (vgl. ebd. 4).  Integration, so Hinz, wird auf ein gelegentliches Bei- oder Nebeneinandersein reduziert, in dem die Stunden, die die Kinder mit und ohne Behinderung gemeinsam miteinander verbringen, lediglich extra (additive) Stunden sind, sie aber nicht zu einer echten [Hervorhebung vom Verf.] Integration beitragen (vgl. ebd.).

Die Quantitätsproblematik hingegen, liegt, laut Hinz, darin, dass es in den vergangenen Jahren eine geradezu explosionsartige Zunahme an SchülerInnen mit sonderpädagogischen Förderbedarf gegeben hat (vgl. Hinz 2002, 4), gleichzeitig aber eine quantitative Stagnation des realen Gemeinsamen Unterrichts, d.h. von SchülerInnen mit und ohne Förderbedarf, festzustellen ist (vgl. ebd.).  Hinz kritisiert, dass Gemeinsamer Unterricht de facto nur in den Grundschulen stattfindet, bereits in der Sekundarstufe I rapide abnimmt und in der Sekundarstufe II quasi überhaupt nicht mehr vorzufinden ist, mit der Ausnahme von Hamburg (vgl. ebd.).

Eine Problematik der „Inklusion“ wie sie zurzeit (noch) umgesetzt wird,  ist, dass sie die Dialektik von Gleichheit und Differenz bisher noch nicht überwunden hat:  Es gibt immer noch das „normale“ Kind, und das sogenannte „andere“ Kind, das „Problemkind“, dass einer exklusiven Betreuung bedarf (vgl. Hinz 2002, 7).  So, laut Hinz, lässt sich auch der explosionsartige Anstieg von SchülerInnen mit Förderbedarf erklären, denn das „andere“ Kind wird mit zusätzlichen Ressourcen ausgestattet, eine Tatsache die angesichts des steten Ressourcenabbaus in den Schulen eine Einladung ist, möglichst viele Kinder mit bestimmten Förderbedarf zu diagnostizieren, da so mehr Geld vom Staat in die Schulen fließt (vgl. ebd.).  Hinz stellt nun heraus, dass, möchte man diese Dialektik von Gleichheit und Differenz überwinden, die Gefahr besteht, dass schulische Anforderungsnormen beliebig werden, eben weil normenbezogene Orientierungen in Hinblick auf schulische Leistungen außer Kraft gesetzt werden, wenn es keine homogenisierende Normalitätsvorstellung mehr gibt, sondern jedes Kind sich entsprechend seiner individuellen Möglichkeiten entwickeln können soll (vgl. ebd., 9).  Hinz hebt aber trotz dieser Gefahr hervor, dass das Ziel die „systemische Inklusion“ (Bayliss 1995, 4 in: Hinz 2002, 8) sein sollte, d.h. weg von einer individuums- und institutionszentrierten Integration, hin zu einer Auffassung von Inklusion, in der Heterogenität der Ausgangspunkt von Lernen ist (Hinz 2002, 8) und in der es somit auch keine extra Zuständigkeiten für bestimmte „andere“ Schüler gibt, sondern eine gemeinsame [Hervorhebung vom Verf.] Zuständigkeit für alle Mitglieder einer Lerngruppe (vgl. ebd.).  Für Hinz ist dies die beste Version von Inklusion, da ein solches Konzept einer inklusiven Schule „bessere Möglichkeiten zur Entwicklung von Teamstrukturen und Strukturen gemeinsamer Reflexion und gemeinsamen Unterrichtens bietet als die [bisherigen] Rahmenbedingungen“ (ebd., 9).

Hinz beschreibt mit seiner Kritik an der „Zwei-Gruppen-Theorie“, ein breites Spannungsfeld was sich aus der Zweiteilung von „inkludiertem“ Kind vs. „noch zu inkludierendem Kind“ ergibt:  Wenn das inkludierte, d.h. das „normale“ Kind schon so wie es ist, automatisch inkludiert ist, das „andere“ Kind aber enormer Unterstützung bedarf, um zu einem „inkludierten Kind“ zu werden, dann heißt das, dass es immer noch eine homogenisierende Norm gibt, die die Messlatte dafür darstellt, ob jemand inkludiert, d.h. den an ihn angelegten Erwartungen der Mehrheitsgesellschaft entspricht, oder eben nicht.  Das ist insofern ein Problem, weil es immer noch diese einheitliche Norm gibt, die darüber bestimmt, ob ein Kind als „normal“ oder „anders“ eingestuft wird.  Andererseits stimme ich mit Hinz darüber ein, dass es irgendeinen Orientierungspunkt bezüglich der Entwicklung wünschenswerter Fähigkeiten geben muss, damit schulische Anforderungsnormen nicht beliebig werden, was auch dem Kind schaden kann, in dem Sinne, dass es eben nicht genügend gefordert wird, und somit für dieses Kind dann keine gleichberechtige Teilhabe in der Gesellschaft möglich ist.  Für die vorliegenden Fallbeispiele hieße das, dass Dirk, Alica, Nergin und Lena, mit allen ihren unterschiedlichen Fähigkeiten und Voraussetzungen, dahin gehend gefordert werden müssen, dass sie selbstbestimmt in unserer Gesellschaft handeln können und nicht ständig als unterstützungsbedürftige Wesen wahrgenommen und somit ihrer Autonomie beraubt werden.  Meiner Meinung nach ist der wichtigste Punkt in Hinz‘ Text, die gemeinsame Zuständigkeit für alle Mitglieder einer Lerngruppe und die sich daraus entwickelnden Teamstrukturen.  Wenn sich alle, auch die SchülerInnen untereinander, für einander verantwortlich fühlen, sich gegenseitig in ihrer Andersartigkeit wahrnehmen und unterstützen, dann findet eigentlich erst Inklusion und eine Transformation der Gesellschaft aus ihrem Inneren heraus statt, denn dann bedeutet Inklusion nämlich eben nicht ein reines Bei- und Nebeneinander, sondern Interaktion und Auseinandersetzung miteinander.  Ich finde das viel besser, weil dann auch „Behinderung“ zum Normalfall, zu etwas Selbstverständlichem in dieser Welt wird.  Auch denke ich liegt der Schlüssel zum Erfolg in der Entwicklung von Lehrer-Lehrer, Schulleitung-Lehrer, Schüler-Lehrer, Schüler-Schulleitung und Schüler-Schüler Teams.  Es wäre toll, wenn z.B. Teamteaching viel mehr gang und gäbe in den Schulen wird.  Denn dadurch gibt es einen viel größeren Austausch, mehr Transparenz und auch ein größeres Gefühl des Zusammenhalts, als wenn jeder Lehrer nur für sich seinen Unterricht macht, ohne überhaupt wissen zu wissen, was der KollegIn so macht.  Dies ist also auch ein Appell an die (zukünftigen) Lehrer sich als Team zu verstehen und als Team miteinander zu arbeiten, sowohl untereinander als auch mit den SchülerInnen und der Schulleitung, anstelle des leider noch ziemlich stark vorherrschenden Einzelkämpfertums an den Schulen.

Sprachliche Heterogenität als Chance

„Sprachliche Heterogenität im naturwissenschaftlichen Unterricht – eine Herausforderung oder eine Chance?“

Meines Erachtens ist die sprachliche Heterogenität eine Chance im naturwissenschaftlichen Unterricht, da sie LehrerInnen förmlich dazu zwingt, sich vorher zu überlegen, wie sie bestimmte Fachbegriffe am besten erklären können.  Dies würde einen großen Vorteil für ALLE SchülerInnen bedeuten, denn oft verstehen nämlich auch deutsche Muttersprachler nicht, worum es in Chemie, Physik, Mathematik geht, weil es seitens der Lehrkraft nicht verständlich erklärt wird, sondern im Gegenteil, insbesondere in Deutschland noch eine sehr starke Neigung vorherrscht, die Dinge möglichst kompliziert zu erklären und die Kunst, einen komplexen Sachverhalt so einfach wie möglich zu erklären noch nicht allzu viel Beachtung findet.  Eher schwurbelt man gerne und wirft mit Fachbegriffen nur so um sich.  Insofern befinden sich also alle SchülerInnen im Neuland der naturwissenschaftlichen Termini und Ausdrucksweisen und nähern sich dem Fach gemeinsam.  Eine genaue und wohl überlegte Erklärung dieser Fachtermini nützt allen und ist Voraussetzung für das Verstehen des Lehrstoffes.  Auch fordert es die Lehrkräfte heraus ihr eigenes Fach immer wieder mit den Augen eines Neulings zu betrachten und verhindert somit, dass die Lehrkraft immer schon Wissen bei den SchülerInnen voraussetzt, was diese (meist) noch gar nicht haben (können).  Die Herausforderung liegt darin, dass die Lehrkraft sich überlegen muss, wie sie ihren SchülerInnen das Fach am besten vermitteln und somit zugänglich machen kann.  Dies ist aber eine Herausforderung die jeder LehrerIn in jedem Fach annehmen muss, wenn er/sie den Anspruch an sich selbst stellt, ein guter LehrerIn zu sein.

 

 

Experiencing Maths

Sollte Mathematikunterricht weiter an einer alltagsweltlichen Öffnung festhalten?

Ja! Vor allem gerade zu Beginn der Einführung bzw. Weiterführung der Mathematik in der Oberschule/Gymnasium, da so SchülerInnen, die Mathe nicht unbedingt als ihr Fach empfinden, dafür motiviert werden können, indem konkrete Bezüge zu ihrer alltäglichen Lebenswelt hergestellt werden. Wenn verdeutlicht wird, wo überall Mathematik in unserer Umgebung zu finden ist, dann eröffnet sich den SchülerInnen ein ganz anderer Erfahrungs- und Bezugsraum, als wenn lediglich irgendwelche Formeln oder geometrischen Figuren an die Tafel gemalt werden ohne sie in einen Kontext zu setzen, der den SchülerInnen zugänglich ist.  Ich spreche hier aus persönlicher Erfahrung.  In meiner Schulzeit in Deutschland am Gymnasium hatte ich keinen einzigen Mathematiklehrer (hier kommt auch der Gender Aspekt mit rein:  Es waren alles männliche Lehrer; an der ganzen Schule gab es keine einzige MathematiklehrerIN), es waren insgesamt vier, die alle daran gescheitert sind, mir die Mathematik irgendwie nahe zu bringen, einfach, weil sie selbst viel mehr Wert darauf legten, ihr Ego aufzupolieren, in dem sie im reinsten Fachjargon sprachen und das Beibringen der Mathematik oder einen Zugang zur Mathematik zu schaffen quasi gar keine Rolle spielte.  Vielmehr war unter den Lehrern die Auffassung stark vertreten, dass ein Schüler entweder Mathe kann oder nicht kann. Der Zugang zur Mathematik wurde wie eine Fähigkeit behandelt, die jemandem entweder angeboren ist, oder eben nicht.  So war bei den SchülerInnen, die nach der Auffassung der Lehrer kein Mathe konnten, sowieso schon Malz und Hopfen verloren, um es mal salopp zu formulieren. Dies änderte sich schlagartig als ich ein Jahr im Ausland verbrachte und dort einen hervorragenden Mathelehrer und eine hervorragende Mathelehrerin hatte.  Sie haben Mathe endlich mal erklärt! Und es nicht als ein Mysterium behandelt zu dem scheinbar nur Auserwählte einen Zugang haben.  Ich begann zu begreifen, wie die Mathematik aufgebaut ist, das System, nach dem es funktioniert.  Das hatten mir alle vorangegangen Lehrer komplett vorenthalten.  Und ich hege sogar den Verdacht, mit Absicht vorenthalten, bei manchen vielleicht auch, weil sie es nicht besser wussten und/oder konnten.

Umgang mit Rollenbildern in der Schule

1. Was hat die genderbezogene Präsentation der Theatergruppe bei Ihnen ausgelöst – und wie beziehen Sie diese Effekte auf Ihre Professionalisierung zu gendersensiblen Lehrkraft?

Die Darstellung verschiedener Personentypen des männlichen und des weiblichen Geschlechts in überzogener Form hat mich zunächst daran erinnert, das die Medien durch ihre Inhalte und Vermittlung von Männer-und Frauenbildern eine extrem narzisstische Gesellschaft provozieren.  Im Mittelpunkt stehen Werte wie Selbstverliebtheit in das eigene Ich, in dem das Hauptaugenmerk dem „Ich“ gewidmet ist und wie dieses „Ich“ so moduliert, sprich ständig dahingehend „verbessert“ werden kann, dass es möglichst gut in unserer Gesellschaft „ankommt“.  Also moduliert ein jeder sich so, so dass er möglichst diesem (künstlich) transportierten Bild von Mann oder Frau entspricht, denn, so wird es vermittelt, nur so, wird man von den anderen, der Mehrheitsgesellschaft anerkannt und geliebt.  Insbesondere Herr Gerhard Messinger und Frau Schönberg waren ja hervorragende Vertreter dieses Typus Mensch:  Beide sind im höchsten Maße fremdgesteuert, ihrer Selbst entrückt, da sie ihre (zum Teil antrainierten) Eigenschaften und Charakterzüge nur dahingehend als brauchbar empfinden und nur jene Eigenschaften von sich preisgeben bzw. perfekt in Szene setzen, sofern ihnen diese dabei helfen können, die Karriereleiter nach oben zu steigen bzw. Bewunderung zu ernten.  Um sie selbst, ihr Innerstes, geht es hier kaum mehr, was zählt ist die Außenwirkung.  Für das pädagogische Lehrerhandeln bedeutet das für mich, jeden darin zu ermutigen, der sein zu können, der er ist und nicht zu versuchen kleine, heranwachsende Menschen in bestimmte Rollenbilder zu pressen.  Jeder hat ein Recht, der sein zu können, der er ist, unabhängig davon, welche Rollenbilder in der Mehrheitsgesellschaft gerade in Mode sind.  Für die pädagogische Arbeit heißt das, das Selbstvertrauen der Kinder zu stärken, ihnen Mut zu machen, sie selbst zu sein, und sie mit der Fähigkeit auszustatten sich kritisch mit den transportierten Bildern und deren Anforderungen und Erwartungen auseinanderzusetzen, d.h. auch, ob diese vermittelten „Ideale“ überhaupt erstrebenswert sind, im Sinne des Allgemeinwohls, aber auch für den Einzelnen.  Die erste Kandidatin, die die Bühne betreten hat, deren Name mir aber leider entfallen ist, entspricht wiederum jenem Typus Mensch (Frau, gibt es aber genauso bei Männern), der ja nicht anecken möchte, der es allen recht machen möchte.  Auch hierin würde ich die Aufgabe des Pädagogen darin sehen,  die Schüler zu selbstbewussten Menschen zu erziehen, die sich trauen auch mal dann ihre Meinung zu sagen, wenn diese nicht allen gefällt.

‚Othering‘ in der Begegnungspädagogik

‚Othering‘ bezeichnet Personengruppen, die mehrheitlich
„als von der Norm“ abweichend empfunden bzw. als solche konstruiert und dann mit „Anderssein“ tituliert werden. Fraglich ist, was eigentlich diese Norm ist, die die „Anderen“ zu anderen macht und was sie von der (gefühlt angemessen) Norm abweichen lässt. Wie Frau Dr. Kenngott in der heutigen Vorlesung veranschaulicht hat, ist das ‚Othering‘ in der Begegnungspädagogik eine mögliche Gefahr, da die Einladung eines Vertreters (sagen wir z.B. des jüdischen Glaubens) in einer Schulklasse zur Folge haben kann, dass individuelle Eigenschaften dieser Person (die überhaupt nichts mit seinem jüdischen Glauben zu tun haben müssen) von den SchülerInnen als „typische Eigenschaften aller Juden“ generalisiert werden kann (dies ist insbesondere dann problematisch, wenn die SchülerInnen außerhalb der Schule keinerlei Kontaktmöglichkeiten mit Menschen jüdischen Glaubens haben). Wurde der Vertreter des jüdischen Glaubens als „sympathisch“ empfunden, mag das nicht ganz so schwerwiegend sein, sollte dies aber nicht der Fall sein, kann eine negative Einstellung zu allen Juden die Folge eines solchen Unterrichtsbesuchs sein (und das wie bereits angemerkt, möglicherweise auf Basis von Eigenschaften, die rein gar nichts mit dem jüdischen Glauben zu tun haben). Hier wird deutlich, dass man dem Mensch als Ganzen begegnen und wahrnehmen muss, anstatt ihn auf einzelne Eigenschaften („er ist Anhänger des jüdischen Glaubens“) zu reduzieren, da nur so ein differenziertes Bild von einem Menschen möglich ist.
Problematisch ist weiterhin, dass Menschen anderen Glaubens, als den noch in Deutschland vorherrschenden christlichen Glauben bzw. mit gar keinem Glauben, quasi als „exotisch“ und „andersartig“ dargestellt werden, was wiederum eine „wir“ und die „anderen“ Konstruktion zur Folge hat: „wir sind die Norm und ihr seid die anderen, die davon abweichen und deswegen müsst ihr euch jetzt bei uns im Unterricht erklären.“ Aus meiner eigenen Schulerfahrung kann ich kein Beispiel beitragen, da wir nie jemanden bei uns als „Stellvertreter einer Religion“ im Unterricht hatten. Allerdings habe ich in dem vergangenen ¾ Jahr viel Kontakt mit einigen Flüchtlingen muslimischen Glaubens und wage zu behaupten, dass
die Zuschreibung von Eigenschaften einzelner Personen auf Gruppen auch entgegengesetzt wirken kann: nämlich rassistische Tendenzen bzw. dumme, weil unreflektierte Generalisierungen über bestimme Personengruppen, abzubauen. Denn begegnet ein Mensch einem ihm zunächst fremden Menschen, sei es durch die Sprache, eine andere Peer Group, unterschiedliche Religionen, eine andere Herkunftskultur etc., und findet man aber trotzdem menschlich Zugang zueinander, so wird dieser eine konkrete Mensch ein lebendiges Beispiel dafür, dass „die Muslime“, „die Deutschen“ nicht im Allgemeinen so oder so sind (wie auch immer das „so sein“ im öffentlichen, vorherrschenden Diskurs gerade beschrieben wird), denn ich kenne ja jemanden der Muslim, der Deutscher ist, und dieser ist nicht so wie allgemein behauptet wird, sondern er selbst, und gut.

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