Wie kann Inklusion gelingen?

Skizzieren Sie bitte auf Grundlage des Artikels von HINZ (2002) zunächst die Qualitäts- und Quantitätsprobleme der Integration.

Beziehen sie anschließend Stellung zur Kritik an der „Zwei-Gruppen-Theorie“ und diskutieren die praktischen Konsequenzen, die sich insbesondere im Hinblick auf die Ihnen vorliegenden Fallbeispiele ergeben.

Laut Hinz markiert das bloße Vorhandensein von SchülerInnen mit Behinderung in der Allgemeinen Schule sowie das daraus resultierende „Bei -oder Nebeneinander“ (Hinz 2002, 4) in der Schule, da gemeinsamer Unterricht häufig nur in den künstlerisch-musischen Fächern stattfindet, aber nicht [Hervorhebung vom Verf.] in den zentralen Fächern wie Schreiben, Lesen, Rechnen, Fremdsprachen und Naturwissenschaften ein schweres Qualitätsproblem der Integration, da Interaktion, soziales Eingebundensein und emotionales Wohlbefinden aus dem Blickfeld rücken (vgl. ebd. 4).  Integration, so Hinz, wird auf ein gelegentliches Bei- oder Nebeneinandersein reduziert, in dem die Stunden, die die Kinder mit und ohne Behinderung gemeinsam miteinander verbringen, lediglich extra (additive) Stunden sind, sie aber nicht zu einer echten [Hervorhebung vom Verf.] Integration beitragen (vgl. ebd.).

Die Quantitätsproblematik hingegen, liegt, laut Hinz, darin, dass es in den vergangenen Jahren eine geradezu explosionsartige Zunahme an SchülerInnen mit sonderpädagogischen Förderbedarf gegeben hat (vgl. Hinz 2002, 4), gleichzeitig aber eine quantitative Stagnation des realen Gemeinsamen Unterrichts, d.h. von SchülerInnen mit und ohne Förderbedarf, festzustellen ist (vgl. ebd.).  Hinz kritisiert, dass Gemeinsamer Unterricht de facto nur in den Grundschulen stattfindet, bereits in der Sekundarstufe I rapide abnimmt und in der Sekundarstufe II quasi überhaupt nicht mehr vorzufinden ist, mit der Ausnahme von Hamburg (vgl. ebd.).

Eine Problematik der „Inklusion“ wie sie zurzeit (noch) umgesetzt wird,  ist, dass sie die Dialektik von Gleichheit und Differenz bisher noch nicht überwunden hat:  Es gibt immer noch das „normale“ Kind, und das sogenannte „andere“ Kind, das „Problemkind“, dass einer exklusiven Betreuung bedarf (vgl. Hinz 2002, 7).  So, laut Hinz, lässt sich auch der explosionsartige Anstieg von SchülerInnen mit Förderbedarf erklären, denn das „andere“ Kind wird mit zusätzlichen Ressourcen ausgestattet, eine Tatsache die angesichts des steten Ressourcenabbaus in den Schulen eine Einladung ist, möglichst viele Kinder mit bestimmten Förderbedarf zu diagnostizieren, da so mehr Geld vom Staat in die Schulen fließt (vgl. ebd.).  Hinz stellt nun heraus, dass, möchte man diese Dialektik von Gleichheit und Differenz überwinden, die Gefahr besteht, dass schulische Anforderungsnormen beliebig werden, eben weil normenbezogene Orientierungen in Hinblick auf schulische Leistungen außer Kraft gesetzt werden, wenn es keine homogenisierende Normalitätsvorstellung mehr gibt, sondern jedes Kind sich entsprechend seiner individuellen Möglichkeiten entwickeln können soll (vgl. ebd., 9).  Hinz hebt aber trotz dieser Gefahr hervor, dass das Ziel die „systemische Inklusion“ (Bayliss 1995, 4 in: Hinz 2002, 8) sein sollte, d.h. weg von einer individuums- und institutionszentrierten Integration, hin zu einer Auffassung von Inklusion, in der Heterogenität der Ausgangspunkt von Lernen ist (Hinz 2002, 8) und in der es somit auch keine extra Zuständigkeiten für bestimmte „andere“ Schüler gibt, sondern eine gemeinsame [Hervorhebung vom Verf.] Zuständigkeit für alle Mitglieder einer Lerngruppe (vgl. ebd.).  Für Hinz ist dies die beste Version von Inklusion, da ein solches Konzept einer inklusiven Schule „bessere Möglichkeiten zur Entwicklung von Teamstrukturen und Strukturen gemeinsamer Reflexion und gemeinsamen Unterrichtens bietet als die [bisherigen] Rahmenbedingungen“ (ebd., 9).

Hinz beschreibt mit seiner Kritik an der „Zwei-Gruppen-Theorie“, ein breites Spannungsfeld was sich aus der Zweiteilung von „inkludiertem“ Kind vs. „noch zu inkludierendem Kind“ ergibt:  Wenn das inkludierte, d.h. das „normale“ Kind schon so wie es ist, automatisch inkludiert ist, das „andere“ Kind aber enormer Unterstützung bedarf, um zu einem „inkludierten Kind“ zu werden, dann heißt das, dass es immer noch eine homogenisierende Norm gibt, die die Messlatte dafür darstellt, ob jemand inkludiert, d.h. den an ihn angelegten Erwartungen der Mehrheitsgesellschaft entspricht, oder eben nicht.  Das ist insofern ein Problem, weil es immer noch diese einheitliche Norm gibt, die darüber bestimmt, ob ein Kind als „normal“ oder „anders“ eingestuft wird.  Andererseits stimme ich mit Hinz darüber ein, dass es irgendeinen Orientierungspunkt bezüglich der Entwicklung wünschenswerter Fähigkeiten geben muss, damit schulische Anforderungsnormen nicht beliebig werden, was auch dem Kind schaden kann, in dem Sinne, dass es eben nicht genügend gefordert wird, und somit für dieses Kind dann keine gleichberechtige Teilhabe in der Gesellschaft möglich ist.  Für die vorliegenden Fallbeispiele hieße das, dass Dirk, Alica, Nergin und Lena, mit allen ihren unterschiedlichen Fähigkeiten und Voraussetzungen, dahin gehend gefordert werden müssen, dass sie selbstbestimmt in unserer Gesellschaft handeln können und nicht ständig als unterstützungsbedürftige Wesen wahrgenommen und somit ihrer Autonomie beraubt werden.  Meiner Meinung nach ist der wichtigste Punkt in Hinz‘ Text, die gemeinsame Zuständigkeit für alle Mitglieder einer Lerngruppe und die sich daraus entwickelnden Teamstrukturen.  Wenn sich alle, auch die SchülerInnen untereinander, für einander verantwortlich fühlen, sich gegenseitig in ihrer Andersartigkeit wahrnehmen und unterstützen, dann findet eigentlich erst Inklusion und eine Transformation der Gesellschaft aus ihrem Inneren heraus statt, denn dann bedeutet Inklusion nämlich eben nicht ein reines Bei- und Nebeneinander, sondern Interaktion und Auseinandersetzung miteinander.  Ich finde das viel besser, weil dann auch „Behinderung“ zum Normalfall, zu etwas Selbstverständlichem in dieser Welt wird.  Auch denke ich liegt der Schlüssel zum Erfolg in der Entwicklung von Lehrer-Lehrer, Schulleitung-Lehrer, Schüler-Lehrer, Schüler-Schulleitung und Schüler-Schüler Teams.  Es wäre toll, wenn z.B. Teamteaching viel mehr gang und gäbe in den Schulen wird.  Denn dadurch gibt es einen viel größeren Austausch, mehr Transparenz und auch ein größeres Gefühl des Zusammenhalts, als wenn jeder Lehrer nur für sich seinen Unterricht macht, ohne überhaupt wissen zu wissen, was der KollegIn so macht.  Dies ist also auch ein Appell an die (zukünftigen) Lehrer sich als Team zu verstehen und als Team miteinander zu arbeiten, sowohl untereinander als auch mit den SchülerInnen und der Schulleitung, anstelle des leider noch ziemlich stark vorherrschenden Einzelkämpfertums an den Schulen.

Sprachliche Heterogenität als Chance

„Sprachliche Heterogenität im naturwissenschaftlichen Unterricht – eine Herausforderung oder eine Chance?“

Meines Erachtens ist die sprachliche Heterogenität eine Chance im naturwissenschaftlichen Unterricht, da sie LehrerInnen förmlich dazu zwingt, sich vorher zu überlegen, wie sie bestimmte Fachbegriffe am besten erklären können.  Dies würde einen großen Vorteil für ALLE SchülerInnen bedeuten, denn oft verstehen nämlich auch deutsche Muttersprachler nicht, worum es in Chemie, Physik, Mathematik geht, weil es seitens der Lehrkraft nicht verständlich erklärt wird, sondern im Gegenteil, insbesondere in Deutschland noch eine sehr starke Neigung vorherrscht, die Dinge möglichst kompliziert zu erklären und die Kunst, einen komplexen Sachverhalt so einfach wie möglich zu erklären noch nicht allzu viel Beachtung findet.  Eher schwurbelt man gerne und wirft mit Fachbegriffen nur so um sich.  Insofern befinden sich also alle SchülerInnen im Neuland der naturwissenschaftlichen Termini und Ausdrucksweisen und nähern sich dem Fach gemeinsam.  Eine genaue und wohl überlegte Erklärung dieser Fachtermini nützt allen und ist Voraussetzung für das Verstehen des Lehrstoffes.  Auch fordert es die Lehrkräfte heraus ihr eigenes Fach immer wieder mit den Augen eines Neulings zu betrachten und verhindert somit, dass die Lehrkraft immer schon Wissen bei den SchülerInnen voraussetzt, was diese (meist) noch gar nicht haben (können).  Die Herausforderung liegt darin, dass die Lehrkraft sich überlegen muss, wie sie ihren SchülerInnen das Fach am besten vermitteln und somit zugänglich machen kann.  Dies ist aber eine Herausforderung die jeder LehrerIn in jedem Fach annehmen muss, wenn er/sie den Anspruch an sich selbst stellt, ein guter LehrerIn zu sein.

 

 

Experiencing Maths

Sollte Mathematikunterricht weiter an einer alltagsweltlichen Öffnung festhalten?

Ja! Vor allem gerade zu Beginn der Einführung bzw. Weiterführung der Mathematik in der Oberschule/Gymnasium, da so SchülerInnen, die Mathe nicht unbedingt als ihr Fach empfinden, dafür motiviert werden können, indem konkrete Bezüge zu ihrer alltäglichen Lebenswelt hergestellt werden. Wenn verdeutlicht wird, wo überall Mathematik in unserer Umgebung zu finden ist, dann eröffnet sich den SchülerInnen ein ganz anderer Erfahrungs- und Bezugsraum, als wenn lediglich irgendwelche Formeln oder geometrischen Figuren an die Tafel gemalt werden ohne sie in einen Kontext zu setzen, der den SchülerInnen zugänglich ist.  Ich spreche hier aus persönlicher Erfahrung.  In meiner Schulzeit in Deutschland am Gymnasium hatte ich keinen einzigen Mathematiklehrer (hier kommt auch der Gender Aspekt mit rein:  Es waren alles männliche Lehrer; an der ganzen Schule gab es keine einzige MathematiklehrerIN), es waren insgesamt vier, die alle daran gescheitert sind, mir die Mathematik irgendwie nahe zu bringen, einfach, weil sie selbst viel mehr Wert darauf legten, ihr Ego aufzupolieren, in dem sie im reinsten Fachjargon sprachen und das Beibringen der Mathematik oder einen Zugang zur Mathematik zu schaffen quasi gar keine Rolle spielte.  Vielmehr war unter den Lehrern die Auffassung stark vertreten, dass ein Schüler entweder Mathe kann oder nicht kann. Der Zugang zur Mathematik wurde wie eine Fähigkeit behandelt, die jemandem entweder angeboren ist, oder eben nicht.  So war bei den SchülerInnen, die nach der Auffassung der Lehrer kein Mathe konnten, sowieso schon Malz und Hopfen verloren, um es mal salopp zu formulieren. Dies änderte sich schlagartig als ich ein Jahr im Ausland verbrachte und dort einen hervorragenden Mathelehrer und eine hervorragende Mathelehrerin hatte.  Sie haben Mathe endlich mal erklärt! Und es nicht als ein Mysterium behandelt zu dem scheinbar nur Auserwählte einen Zugang haben.  Ich begann zu begreifen, wie die Mathematik aufgebaut ist, das System, nach dem es funktioniert.  Das hatten mir alle vorangegangen Lehrer komplett vorenthalten.  Und ich hege sogar den Verdacht, mit Absicht vorenthalten, bei manchen vielleicht auch, weil sie es nicht besser wussten und/oder konnten.