Blogbeitrag Nr. 5: Mehr „Soforthilfe” bei Rassismus-Erfahrungen!

In unseren Interviews mit Beratenden und anderen Aktiven im Bundeselternnetzwerk der Migrantenorganisationen für Bildung & Teilhabe (bbt) haben Eltern wiederholt die Adressierung von Rassismus in Schulen als ein für sie relevantes Anliegen in der Schule-Eltern-Kommunikation an uns herangetragen. Die Thematik wurde auch in mehreren Schulen angesprochen.

Eltern, die rassistische Vorfälle in der Schule angesprochen haben (beispielsweise das Herunterreißen des Kopftuchs einer Schülerin), berichten von Versuchen der Beschwichtigung und Besänftigung seitens der Schule, die  von Eltern oftmals als Banalisierung von rassistischen Vorfällen wahrgenommen werden. Diese Verharmlosung von Rassismus und die Zurückweisung der Ernsthaftigkeit ihres Anliegens kann das Vertrauen der Eltern in die Schule erschüttern – so die Interviewten.

Ein Elternteil beschreibt in diesem Zusammenhang den Wunsch nach mehr Soforthilfe”. Eltern wünschten sich hier ausdrücklich, dass von ihnen an die Schule herangetragene Konflikte unverzüglich adressiert werden. Über Rassismus sprechen zu können, erfordere ein Vertrauensverhältnis zur Schule. Um dieses aufrecht zu erhalten, muss die Schule die Anliegen und Perspektiven der Eltern ernst nehmen.  Egal, was letztendlich hinter einer Situation steckt – zentral ist aus rassismuskritischer Perspektive, zunächst eigene Erklärungsversuche und Perspektiven zurückzunehmen, aufmerksam zuzuhören und zu fragen, was aus der Sicht der Betroffenen eine angemessene Reaktion ist. Das Bundeselternnetzwerk der Migrantenorganisation für Bildung & Teilhabe (bbt) empfiehlt darüber hinaus in ihrem Positionspapier 2020 die Etablierung von anonymen Beschwerdestellen, um Rassismus gezielt zu adressieren und das Vertrauen (von Eltern) in das deutsche Bildungssystem zu stärken.

Mehr Forschung zu Rassismuskritik in Schule und Erziehungswissenschaft betreibt zum Beispiel das Netzwerk Rassismuskritische Schulpädagogik. Unter Beteiligung verschiedener Akteur*innen wird der Frage nach einer rassismuskritischen Perspektive und solidarischen Handlungsansätzen in Wissenschaft und Bildungspraxis nachgegangen.

Pia Grimpo

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Blogbeitrag Nr. 4: Website in viele Sprachen übersetzen – eine einfache und kostenlose Lösung

Im Projekt isekim haben wir uns angesehen, wie die Websites unserer Kooperationspartner damit umgehen, dass die Besuchenden mit Deutsch und anderen Sprachen unterschiedlich gut vertraut sind. Auf der Website der Europäischen Schule Karlsruhe ist fast alles in die Hauptunterrichtssprachen Deutsch, Englisch und Französisch übersetzt. Im Augustum-Annen-Gymnasium in Görlitz mit seinem polnisch-deutschen bilingual-binationalen Zweig finden sich alle dafür relevanten Informationen auf Deutsch und Polnisch. Bei anderen Schulen ist weniger oder nichts in mehreren Sprachen zu finden. Auf der Website des Landesnetzwerk der Migrantenorganisationen in Sachsen-Anhalt führen oben rechts auf der Website acht kleine Flaggen auf sorgfältig übersetzte Basisinformationen zum Netzwerk in den wichtigsten Sprachen des Bundeslandes. Um weiterführende und aktuelle Informationen zu finden, muss die deutschsprachige Version genutzt werden – ein Kompromiss zwischen Willkommenssignal und Aufwand.

Aktuell bieten viele Internetbrowser direkte Übersetzungsmöglichkeiten an. Hier kommt also eine Idee, wie Schulen und Elternnetzwerke dies einfach nutzen können.

Hier zum Ausprobieren anhand unserer Website:

Klicken Sie oben auf isekim, um auf die  Startseite zu kommen. Dort finden Sie einen Button mit Sprechblasen mit unterschiedlichen Schriftzeichen. Wenn Sie darauf klicken, finden Sie eine Anleitung, wie Sie diese Website mit Google Translate schnell in eine Vielzahl von Sprachen übersetzen können. Probieren Sie doch einmal aus, ob Sie die Anleitung problemlos verstehen und ob Ihnen die Übersetzung in eine Sprache, die Sie sprechen, akzeptabel erscheint! Wir würden uns freuen, wenn Sie uns unter isekim@uni-bremen.de schreiben, wenn etwas nicht richtig funktioniert hat.

Dita Vogel und Pia Grimpo

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Blogbeitrag Nr. 3: „Damals waren beste Noten die einzige Möglichkeit, irgendwas zu erreichen“ – wie Lernstände an Eltern rückgemeldet werden können

„Damals waren beste Noten die einzige Möglichkeit, irgendwas zu erreichen.“ Mit Bezug auf eigene Erfahrungen im Herkunftsland begründet ein Elternteil aus der ehemaligen Sowjetunion in einem Gruppeninterview im Projekt isekim, warum Eltern aus der SU die Frage nach Noten als besonders dringlich und ernst ansehen. Sie wollen wissen, was das eigene Kind tun muss, um bestmögliche Noten zu erreichen und stoßen hier nicht selten auf Unverständnis seitens der Lehrer*innen, die darin zuweilen falschen elterlichen Ehrgeiz und eine Überforderung der Kinder erkennen wollen.

Zugleich steht außer Frage, dass Zeugnisse und damit Noten relevant sind für die Kommunikation zwischen Schule und Eltern. Das wurde auch in unseren Interviews in Schulen deutlich. Eltern wollen wissen, wie ihre Kinder zurecht kommen, und Lehrkräfte ringen mit der Form, in der sie die Lernfortschritte und Schwierigkeiten der Kinder und Jugendlichen am Besten an Eltern und andere Bezugspersonen berichten – mit individuellen Lern- und Entwicklungsplänen wie z.B. in der Offenen Schule Köln, die vierteljährlich besprochen werden, oder auch oft durch Ziffernnoten in Halbjahrszeugnissen, zu denen Gesprächsangebote bestehen. Das Thema ist so alt wie das Schulsystem und es gibt darüber eine Vielzahl pädagogischer Debatten – kurz z.B. im Deutschen Schulportal.

Für zugewanderte Eltern ist die Einschätzung des Lernstands ihrer Kinder in einem für sie fremden Schulsystem mit anderen Routinen und Regularien besonders schwierig, vor allem wenn diese zunächst vorwiegend in Vorbereitungs- oder Willkommensklassen Deutsch lernen oder in der Regelklasse anfangs keine regulären Beurteilungen bekommen. Das soll Kinder vor Überforderung schützen, macht die Lernsituation für Eltern aber schwer einschätzbar. Ist das Kind auf einem guten Weg? Darum erzählte eine Lehrerin am Couven Gymnasium in Aachen, dass sie Lernstandsberichte für die Schüler und Schülerinnen der internationalen Klassen persönlich übergibt, um mit Eltern ins Gespräch zu kommen. So kann sie unmittelbar offene Fragen klären und eine gute Grundlage für die weitere Zusammenarbeit legen. Die Elterninterviews lassen eine solche Herangehensweise sinnvoll erscheinen – eine generalisierbare Herangehensweise, die in Schulen mit entsprechenden Zeitressourcen unterlegt werden sollte?

Dita Vogel

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Blogbeitrag Nr. 2: Erwartungen von Eltern an die migrationsgesellschaftliche Entwicklung von Schule

Wie kann sich Schule unter den Bedingungen von Digitalisierung, Inklusion und Migration (weiter-)entwickeln? Welche unterschiedlichen Erwartungen tragen gesellschaftliche Akteur*innen in Zeiten massiven Lehrer*innenmangels an Schule heran?  Um solche und ähnliche Fragen ging es auf der wissenschaftlichen Fachtagung „Entwicklung als Erwartung“ in Bremen (20.-22.09.2023), mit Beiträgen aus der deutschsprachigen Erziehungswissenschaft. Dort haben wir erste Ergebnisse aus isekim vorgestellt.

Die 30 Expert*innen der Forschung zu Schulentwicklung und Lehrer*innenbildung, die an unserer Arbeitsgruppe teilnahmen, zeigten großes Interesse an migrantischen Perspektiven auf Schulentwicklung, die wir auf der Grundlage unserer Gruppengespräche mit Elternberatenden aus dem bbt vorstellten. Ein Ergebnis, das in vielen Äußerungen in den Interviews hervorgehoben wird: Wenn Menschen neu nach Deutschland kommen, hat die Schule eine zentrale Funktion – als Orientierungsanker in der Ankommenssituation von Familien und als sicherer Ort für ihre Kinder, der Eltern von Sorgen für deren Betreuung und ihre Zukunftssicherung entlastet. In der Kommunikation mit Schule stoßen Eltern mit Migrationserfahrungen allerdings auf Hürden, so unsere Interviewpartner*innen. Dass das deutsche Schulsystem im internationalen Vergleich besonders komplex ist, erschwert ein Verständnis der Strukturen und Routinen und behindert damit potentiell den Vertrauensaufbau zwischen Eltern und Schule. Hier wäre es wichtig, dass sich schulische Verantwortliche auch mit anderen Bildungssystemen vertraut machen, um die Verständnisschwierigkeiten nachzuvollziehen und ihr Informationsangebot dementsprechend adressat*innengerecht, leicht verständlich auszugestalten. Elterliches Vertrauen in Schule hängt zudem davon ab, dass auch ihre kulturellen Bildungsressourcen, Bildungsinteressen sowie Diskriminierungs- und Rassismuserfahrungen anerkannt werden. Dann können sie auch zu dringend notwendigen Schulentwicklungsprozessen in der Migrationsgesellschaft beitragen – ein Thema, das wir im Projekt weiter bearbeiten wollen.

Yasemin Karakaşoğlu

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Blogbeitrag Nr. 1: Inklusive Schule-Eltern-Kommunikation in der Migrationsgesellschaft

Inklusive Schule-Eltern-Kommunikation in der Migrationsgesellschaft – so heißt das zweijährige Forschungs- und Entwicklungsprojekt zu einem Kernbereich der Schule-Eltern-Beziehungen, den wir mit Bezug zum Sekundarbereich untersuchen. An dieser Stelle wollen wir in loser Folge Überlegungen veröffentlichen, die an Erlebnissen, Materialien und Gesprächen mit unseren Partner*innen in Schulen und Elternorganisationen von Migrant*innen anknüpfen – für ein kurzes Nachdenken zwischendurch. Wir – das sind Prof. Dr. Yasemin Karakaşoğlu und Senior Researcher Dita Vogel sowie studentische Mitarbeiterinnen – derzeit Pia Grimpo und Miriam Thiel.

Fangen wir mit dem Projektthema an. Wir fühlen uns einem breiten Verständnis von Inklusion verpflichtet, in dem sich Schule auf die vielfältigen Bildungsvoraussetzungen und -bedarfe der anvertrauten Kinder und Jugendlichen ausrichtet. Unter Migrationsgesellschaft verstehen wir unsere durch Migration geprägte Gesellschaft, die durch sprachliche, religiöse, weltanschauliche und kulturelle Vielfalt gekennzeichnet ist. Wir sind alle Teil dieser Gesellschaft. Das heißt das auch, dass sprachliche und kulturelle Prägungen sowie transnationale Mobilität im Sinne unterschiedlicher Orientierungen auf das Bleiben am Ort der Schule oder einen späteren Umzug ins In- oder Ausland berücksichtigt werden müssen. Dazu ist Kommunikation nötig – nicht nur zwischen schulischen Beschäftigten und Schüler*innen, sondern auch mit Eltern, anderen Erziehungsberechtigten und Bezugspersonen aus dem häuslichen Umfeld. Schulische Professionelle, Eltern und Schüler*innen kommunizieren, um sich über die Entwicklung individueller Kinder und Jugendlicher zu verständigen und um die gesamte Schule als Lern- und Sozialraum zu gestalten. Eine gelingende Kommunikation ist die Voraussetzung für Kooperation zur Förderung der Individuen und für eine Schulentwicklung, die Unterschiedlichkeit berücksichtigt.

Dita Vogel und Yasemin Karakaşoğlu

Veröffentlicht unter isekim