Blogbeitrag Nr. 16: Vom (richtigen) Umgang mit Beschwerden als Chance der Schulkulturentwicklung

„Die Eltern wollen manchmal Probleme gleich gelöst bekommen und wollen sofort die Lehrkräfte gleich fragen: „Hey, das ist mit meinem Kind passiert, ich finde es rassistisch, wieso ist es passiert und alles?“ Und manchmal wird es dann banalisiert oder nicht als sehr wichtig wahrgenommen seitens der Lehrkräfte. Aber für die Eltern ist das ja erst der Grund, weshalb die Kontakt aufnehmen mit den Lehrkräften.“

In diesem Interviewausschnitt mit einem Mitglied des Bundeselternnetzwerkes der Migrantenorganisationen für Bildung und Teilhabe (bbt) wird deutlich, wie wichtig ein unmittelbarer und vertrauensvoller Austausch zwischen Eltern und Schule ist, der sich insbesondere dann beweisen muss, wenn es um so ernste Probleme geht, wie berichtete Diskriminierungs- und Rassismuserfahrungen. Er zeigt, dass ein Kleinreden der Erfahrung, vielleicht gedacht als Beruhigung der Eltern oder aber auch als Schutz der eigenen Institution vor als falsch angenommenen Verdächtigungen dieses Vertrauensverhältnis massiv stören kann. Eine solche Reaktion vermittelt den Eltern, dass ihre bzw. die Schilderung des Kindes nicht ernst genommen wird, sie daher auch keine Aussicht auf Klärung des Falles und Schutz ihres Kindes in der Schule haben. Zugleich verstellen sich Lehrkräfte mit einer abwiegelnden Reaktion die Möglichkeit zu einer echten Klärung des Vorfalls.

Wenn Schulen hingegen einen offenen und konstruktiven Umgang mit Beschwerden pflegen, wenn sie geäußerte Beschwerden als Handlungsaufforderung verstehen, sich in den alltäglichen Routinen zu hinterfragen und dabei Eltern als Korrektiv von Fehlentwicklungen in der Schulkultur schätzen lernen, können sie damit das Vertrauen der Eltern in die Institution stärken und dazu beitragen, Schule zu einem sichereren und damit besseren, diversitätssensiblen wie diskriminierungskritischen Ort zu machen – in jeder Hinsicht und für alle.

Einen konstruktiven Umgang mit Elternsorgen habe ich kennengelernt bei Schulbesuchen in Kanada. Auf der Webseite des Schuldistrikts „River East Transcona School Division“  in Winnipeg/Kanada ist deutlich sichtbar für alle ein Button anzuklicken, der mit dem Hinweis „Concern Protocoll“ (Beschwerdeweg) zu einer leicht verständlichen und mit Illustrationen einladend gestalteten Übersicht führt (siehe Abbildung). Hier wird der Weg einer Beschwerde (in Englisch mit „Concern“ etwas ´weicher´ zu übersetzen als „Sorge“/„Bedenken“) von ihrer Äußerung gegenüber einer Lehrkraft bis zur Schulaufsicht abgebildet – alles selbstverständlich diversitätssensibel ausgeführt und formuliert in klaren Sprach-Botschaften.

Yasemin Karakaşoğlu

 

Concern Protocol: https://www.retsd.mb.ca/_ci/p/16944

 

Hilfreiche Tipps zur Einrichtung eines schulinternen Beschwerde-managements finden sich hier: 

https://www.vielfalt-entfalten.de/themen/personal-und-organisationsentwicklung/beschwerdemanagement-an-schulen/