homogenität für heterogene Willkommen im Kopf eines Lehramtsstudenten

5. April 2019

Zur sozialen Konstruktion von Heterogenität in der Schule

Filed under: Allgemein — Schlagwörter: — Thore @ 14:31

Die Heterogenität der Schüler im deutschen Bildungssystem wird häufig (und auch zurecht) als eine Herausforderung eingestuft, da sie paradoxerweise in einem Gegensatz zu dem gesellschaftlichen Ideal der Gleichheit steht, welches auch juristisch im AGG festgehalten wird. Wir leben in einer Meritokratie. Das heißt, sozialer Status ist abhängig von der Leistung, die ein Individuum erbringt. Um also eine Art soziale Gerechtigkeit zu etablieren heißt Es: „Gleiche Bildungs- und Aufstiegschancen für Alle!“ Damit aber Alle gleiche Chancen auf eine gute Bildung haben, müssen zuerst etliche Unterschiede kompensiert werden, welche zu der Heterogenität der Schüler beitragen: Sie kommen aus unterschiedlich Bildungs-affinen sozialen Milieus, bringen individuell sowohl kognitive als auch körperliche Stärken und Schwächen mit, verfügen über unterschiedliche soziale und ökonomische Ressourcen, sehen sich unterschiedlichen, an sie gestellten Anforderungen aufgrund von Geschlecht, Religion und ähnlichem gegenüber und ihre psychosozialen Dispositionen fügen sich unterschiedlich gut in unser Bildungssystem ein. Eine oft und in vielen Varianten angeführte Metapher verdeutlicht dieses Paradoxon sehr gut: Eine Reihe unterschiedlicher Tiere wird vor die Aufgabe gestellt auf einen Baum zu klettern. Der Affe hängt bereits in der Krone des Baumes, während dem Goldfisch in seinem Glas sogar die Möglichkeit fehlt, sein „Versagen“ zu erklären. Kein Wunder also, dass es als „Herausforderung“ angesehen wird, all diesen Tieren (Schülern) die gleichen Chancen für ihren Weg zu ermöglichen.

 

Heterogenität, sowie eigentlich jeder im gesellschaftlichen Diskurs benutzte Begriff, ist eine soziale Konstruktion. Damit ist folgendes gemeint: Die Heterogenität der Schüler ist keine absolute: Sie sind alle Menschen, Jugendliche einer Generation, Teil des Bildungssystems, einer Jahrgangsstufe oder Klasse und weisen noch etliche weitere Gemeinsamkeiten auf. Trotzdem werden sie aufgrund der oben beschriebenen Unterschiede als heterogen bezeichnet, weil die Einschätzung auf bestimmten, explizit formulierten und implizit angewendeten Maßstäben beruht. Nach den Sozialwissenschaftlern Peter Berger und Thomas Luckmann (Berger & Luckmann 1966: „The Social Construction of Reality“) lebt jede Person in einer eigenen sozialen Realität. Jede dieser individuellen Realitäten ist von dem jeweiligen Menschen selbst gemacht und von gesellschaftlichen Phänomenen beeinflusst. Anders gesagt: sie ist sozial konstruiert. Diese Realitäten überschneiden sich zum Teil und werden von der sogenannten „Paramount Reality“ umspannt. Diese vereint allgemeine Perspektiven, Ansichten, Normen, Moralitätsvorstellungen und andere abstrakte Institutionen zwischenmenschlicher Organisation, die von der Mehrheit der Gesellschaftsmitglieder akzeptiert und praktiziert werden. In eben dieser Ebene der kollektiven gesellschaftlichen Realität sind auch die Vorstellungen zu Normalität, Hetero- und Homogenität angesiedelt. Wenn man also sagt, dass Heterogenität einen Konstruktionscharakter besitzt, so bedeutet das, das die Vorstellung, welche mit diesem Begriff verbunden ist von Menschen gemacht und damit Perspektiven gebunden ist. Und dass sie auch variieren kann. Je nachdem welche Maßstäbe aus welcher individuellen Realitätsvorstellung angewendet werden, kann eine Gruppe verschieden eingeschätzt werden.

 

Zwar nicht während meiner Schulzeit, jedoch während der Begleitung einer 5. Klasse auf einer Klassenfahrt habe ich ein sehr positives Beispiel im Umgang mit Heterogenität erlebt. Teil dieser Klasse war ein autistisches Kind. Dieses wurde von einer persönlichen Assistenz, einer ausgebildeten Sozialpädagogin begleitet. Trotz der Andersartigkeit seines Denkens, war das Kind stark in die Klassengemeinschaft integriert. Die anderen Kinder nahmen Rücksicht auf seine Bedürfnisse, boten bei gemeinsamen Aktivitäten sehr engagiert tatkräftige Hilfe an und, was mich besonders beeindruckte, versuchten auch fernab von den Aufsichtspersonen das Kind in Gespräche und Spiele einzubinden. Und das alles in einer Klasse, welche erst seit wenigen Monaten zusammen lernte. Diese Situation war für mich ein gutes Beispiel dafür, wie gut Inklusion funktionieren kann, wenn offen mit der Heterogenität der Schüler umgegangen wird und durch Kommunikation Verständnis für die Bedürfnisse Anderer angeregt wird.

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