homogenität für heterogene Willkommen im Kopf eines Lehramtsstudenten

28. April 2019

Verschiedene Leitungsniveaus im Unterricht – Was tun?

Filed under: Allgemein — Schlagwörter: — Thore @ 14:44

Zu 1.:

Nach einer Studie von Hoffer aus dem Jahr 1992 hat die Teilung der SuS (Schülerinnen und Schüler) in den Naturwissenschaftlichen Fächern nach Leistungsniveaus eher negative Effekte auf die Gesamtleistung der Klasse. Die Leistungsstarken SuS profitieren nur leicht, während die Leistungsschwachen SuS einen starken negativen Effekt in ihrer Leistung erleben. Dementsprechend bieten sich andere Ansätze zum Umgang mit Heterogenität in der Schülerschaft eher an.

Des Weiteren lässt sich mit einer Studie von Ireson et. al aus dem Jahr 2005 nachweisen, dass alle SuS grundsätzlich davon profitieren, wenn sie Teil eines Kurses mit einem vergleichsweisen hohen Leistungsniveau sind. Folgt man dieser Erkenntnis, so muss man eventuell den Fokus nicht per se auf den speziellen Umgang mit Heterogenität legen, sondern daran arbeiten, die Qualität des Unterrichts allgemein zu verbessern.

Zu 2.:

In meiner eigenen Schulzeit habe ich zumeist in heterogenen Klassen und Kleingruppen gelernt, und dies grundsätzlich als eine gut funktionierende Strategie erlebt. Die Differenzierung nach leistungsschwach und leistungsschwach ist oft höchst fach-spezifisch. Unter vielen Schülern kursiert eine prominente (aber nicht empirisch nachgewiesene) Selbsteinschätzung als „Sprach-typ“ oder als „NW-Typ“. So bringen verschiedene Schüler unterschiedliche Stärken und Motivationen mit und auch interdisziplinäre Kompetenzen können sich positiv auf die Lernsituation der Gesamtklasse auswirken. Auch im zwischenmenschlichen Bereich habe ich gemischte Gruppen als gewinnbringend in meiner persönlichen Entwicklung erlebt. Äußere Differenzierung von Schülern unterschiedlicher Leistungsstufen führt meiner Meinung nach schnell zu mehr oder weniger scharf trennbaren Gruppen und Animositäten zwischen diesen; zu Ab- und Ausgrenzung. Das ist keine Struktur, die wir aktiv fördern sollten!

Vergleicht man diese Ansicht mit den in der Vorlesung vorgestellten empirischen Ergebnissen ergibt sich ebenfalls, dass eine heterogene Gruppengestaltung eher positiv als negativ auf die Gesamtleistung der Klasse auswirkt.

Zu 3.:

Meine beiden späteren Unterrichtsfächer sind Deutsch und Geschichte. Was ich mir in beiden Fächern gut vorstellen könnte wäre die Analyse einer politischen Rede. Anbieten würde sich hier beispielsweise die von Churchill gehaltene Rede „We Shall Fight on the Beaches“, welche ein zentrales Momentum im 2. WK darstellte. Aus der Perspektive des Deutschunterrichtes könnte ich die Schüler anweisen, sich an einer rhetorischen Analyse der übersetzen Rede zu versuchen, im Geschichtsunterricht könnte man die Rede in eine Analyse der historischen Situation einbinden und mit der Erläuterung des „Prisoners Dilemma“ verknüpfen.

Eine Lernhilfe der ersten Stufe könnte für beide Fächer eine Einführung in die historische Situation sein, die diese Rede formte

Als eine Lernhilfe der zweiten Stufe könnte für den Deutschunterricht eine Übersicht über rhetorische Stilmittel sein, auf welche die Schüler den Textausschnitt hin untersuchen könnten. Für den Geschichtsunterricht könnte man als erste Lernhilfe einen kurzen Text mit weiteren historischen Fakten beilegen, mit welchem dann der Textausschnitt auf Motivationen und Ziele hin untersucht werden soll. Oder eine Schematische Darstellung des „Prisoners Dilemmas“ anhand dessen die Schüler die Situation erläutern können.

Als Lernhilfen der letzten Stufe würde ich Lernstrategische Hilfen benutzen. Beispielsweise Fragen/ Anregungen zur Strukturierung des Denkprozesses, an denen sich die Schüler entlanghangeln können, und welche auch bei anderen Texten Anwendung finden können:

Im Deutschunterricht: „Welche rhetorischen Mittel benutzt Churchill? Was will er damit erreichen/ wie wirken sich diese aus? Welchen Eindruck vermittelt Churchill durch die Kombination der verschiedenen Stilmittel? Welche Argumentationsstruktur liegt seiner Rede zu Grunde?

Im Geschichtsunterricht: Was sind die Behauptungen, die Churchill aufstellt? Welche Schlüsse zieht er aus diesen? Welche Maßnahmen macht das nötig?

Ich würde die Schüler bitten, zunächst in heterogener Gruppenarbeit Stichpunkte aufzuschreiben und diese dann im Anschluss vor der gesamten Klasse zu präsentieren. Je nach Umsetzung der Aufgaben durch die Schüler könnte ich dann in einer anschließenden Reflexionsrunde den Fokus auf unterschiedliche inhaltliche oder strukturelle Aspekte legen.

Zu 4.:

Nach einer Studie von Saleh et. al. (2015) profitieren Leistungsschwache SuS sowohl auf der Ebene der erbrachten Leistung als auch der damit verbundenen Lern-Motivation von heterogenen Gruppen. Die im Mittelfeld und an der Spitze des Leistungsniveaus angesiedelten SuS hingegen zeigen hinsichtlich der von ihnen erbrachten Leistungen kaum einen Unterschied zwischen homogenen und heterogenen Gruppen. Des weiteren machen heterogene Lerngruppen meiner Meinung nach auch auf der sozialen Ebene Sinn, da diese sozial Kompetenzen fördern und man für leistungsstärkere Schüler auch mit dem Prinzip „Lernen durch Lehren“, also durch die Unterstützung schwächerer SuS durch die leistungsstärkeren einen positiven Effekt erzielen kann.

14. April 2019

Migrationsland Deutschland – zwischen Pessimismus und Optimismus

Filed under: Allgemein — Schlagwörter: — Thore @ 20:53

Das deutsche Bildungssystem ist auf mehreren Ebenen am eigenen Staat orientiert:  fundamental sind die Struktur und der Ablauf einer Schullaufbahn darauf ausgerichtet, die jeweilige Person mehr oder weniger lückenlos in die bereits bestehenden sozialen, kulturellen und ökonomischen Strukturen der deutschen Gesellschaft zu integrieren. Das geht damit einher, dass die Bildung implizit an zukünftige Staatsbürger adressiert ist, welche zu „funktionierenden“ Gesellschaftsmitgliedern geformt werden sollen. Dazu gehört unteranderem, dass die obligatorische Unterrichtssprache (bis auf den Fremdsprachen Unterricht oder in Ausnahmefällen) Deutsch ist. Des Weiteren ist auch der Lehrplan an einer bestimmten Perspektive orientiert: im Geschichtsunterricht wird sich auf die deutsche Historie konzentriert, der Politik-Unterricht behandelt das eigene demokratische System, die musischen Fächer konzentrieren sich auf deutsche Kulturerzeugnisse, selbst die Naturwissenschaften unterstehen einem eurozentrischen Einfluss. Besonders deutlich war dies in meiner eigenen Schulzeit während des Geschichtsunterrichtes, welcher sich zu drei Vierteln mit deutscher Geschichte und zu nur einem Viertel mit der Geschichte des Rests der Welt beschäftigte.

 

Migration wird im öffentlichen Diskurs aus bestimmten Perspektiven als eine Herausforderung für die Schule und im speziellen für die Lehrkräfte angesehen, da diese eine der zentralen Schnittstellen bilden, welche aktiv Integration in die bereits bestehende Gesellschaft betreiben. Diese Integration ist logischerweise mit einem bestimmten zusätzlichen Aufwand verbunden, welcher für Manche überfordernd wirkt. Und nicht nur auf der Ebene des Mehraufwandes sehen sich einige Lehrer Stress ausgesetzt, sondern auch in Ihrer Aufgabe, bestimmte kulturelle, soziale und politische Grundlagen der Bundesrepublik zu vermitteln. Besonders deutlich wird dies durch eine sehr plakative, in der Vorlesung zitierte Aussage eines Lehrers, welcher darüber klagt, in seinem Klassenzimmer an der vordersten Front eines Kulturkampfes zu stehen. Jedoch ist dies nur eine Variante, dieses gesellschaftliche Phänomen zu betrachten. Während die Einen mit Migration größtenteils Arbeit und eine unspezifische Bedrohung verbinden, sehen Andere in Ihr eine Chance und laufenden Fortschritt. Eine Chance auf Vervielfältigung und Vermischung lokaler und hinzugekommener Sprache und Kultur zum Vorteil beider. Und einen Fortschritt hinzu einem offeneren, vielfältigeren und bunteren Deutschland.

 

Der Interviewausschnitt der Schülerin mit türkischem Migrationshintergrund ist insofern ein Beispiel für das sogenannte „Doing Culture“ im Handeln von Lehrkräften, als dass die Lehrerinn sie sehr verallgemeinernd und aufgrund ihrer Herkunft in einen bestimmten ethnischen/ kulturellen Kontext einordnet. Weiterhin passt die Lehrerinn sogar ihre Bewertungskriterien an diese konstruierte Vorstellung an. Und das zum Nachteil der Schülerin. Nur weil eine Person einen Migrationshintergrund hat, bedeutet dies nicht, dass sie sich mit diesem Identifiziert oder gar die von anderen Personen mit diesem Status assoziierten Zuschreibungen erfüllen muss.

5. April 2019

Zur sozialen Konstruktion von Heterogenität in der Schule

Filed under: Allgemein — Schlagwörter: — Thore @ 14:31

Die Heterogenität der Schüler im deutschen Bildungssystem wird häufig (und auch zurecht) als eine Herausforderung eingestuft, da sie paradoxerweise in einem Gegensatz zu dem gesellschaftlichen Ideal der Gleichheit steht, welches auch juristisch im AGG festgehalten wird. Wir leben in einer Meritokratie. Das heißt, sozialer Status ist abhängig von der Leistung, die ein Individuum erbringt. Um also eine Art soziale Gerechtigkeit zu etablieren heißt Es: „Gleiche Bildungs- und Aufstiegschancen für Alle!“ Damit aber Alle gleiche Chancen auf eine gute Bildung haben, müssen zuerst etliche Unterschiede kompensiert werden, welche zu der Heterogenität der Schüler beitragen: Sie kommen aus unterschiedlich Bildungs-affinen sozialen Milieus, bringen individuell sowohl kognitive als auch körperliche Stärken und Schwächen mit, verfügen über unterschiedliche soziale und ökonomische Ressourcen, sehen sich unterschiedlichen, an sie gestellten Anforderungen aufgrund von Geschlecht, Religion und ähnlichem gegenüber und ihre psychosozialen Dispositionen fügen sich unterschiedlich gut in unser Bildungssystem ein. Eine oft und in vielen Varianten angeführte Metapher verdeutlicht dieses Paradoxon sehr gut: Eine Reihe unterschiedlicher Tiere wird vor die Aufgabe gestellt auf einen Baum zu klettern. Der Affe hängt bereits in der Krone des Baumes, während dem Goldfisch in seinem Glas sogar die Möglichkeit fehlt, sein „Versagen“ zu erklären. Kein Wunder also, dass es als „Herausforderung“ angesehen wird, all diesen Tieren (Schülern) die gleichen Chancen für ihren Weg zu ermöglichen.

 

Heterogenität, sowie eigentlich jeder im gesellschaftlichen Diskurs benutzte Begriff, ist eine soziale Konstruktion. Damit ist folgendes gemeint: Die Heterogenität der Schüler ist keine absolute: Sie sind alle Menschen, Jugendliche einer Generation, Teil des Bildungssystems, einer Jahrgangsstufe oder Klasse und weisen noch etliche weitere Gemeinsamkeiten auf. Trotzdem werden sie aufgrund der oben beschriebenen Unterschiede als heterogen bezeichnet, weil die Einschätzung auf bestimmten, explizit formulierten und implizit angewendeten Maßstäben beruht. Nach den Sozialwissenschaftlern Peter Berger und Thomas Luckmann (Berger & Luckmann 1966: „The Social Construction of Reality“) lebt jede Person in einer eigenen sozialen Realität. Jede dieser individuellen Realitäten ist von dem jeweiligen Menschen selbst gemacht und von gesellschaftlichen Phänomenen beeinflusst. Anders gesagt: sie ist sozial konstruiert. Diese Realitäten überschneiden sich zum Teil und werden von der sogenannten „Paramount Reality“ umspannt. Diese vereint allgemeine Perspektiven, Ansichten, Normen, Moralitätsvorstellungen und andere abstrakte Institutionen zwischenmenschlicher Organisation, die von der Mehrheit der Gesellschaftsmitglieder akzeptiert und praktiziert werden. In eben dieser Ebene der kollektiven gesellschaftlichen Realität sind auch die Vorstellungen zu Normalität, Hetero- und Homogenität angesiedelt. Wenn man also sagt, dass Heterogenität einen Konstruktionscharakter besitzt, so bedeutet das, das die Vorstellung, welche mit diesem Begriff verbunden ist von Menschen gemacht und damit Perspektiven gebunden ist. Und dass sie auch variieren kann. Je nachdem welche Maßstäbe aus welcher individuellen Realitätsvorstellung angewendet werden, kann eine Gruppe verschieden eingeschätzt werden.

 

Zwar nicht während meiner Schulzeit, jedoch während der Begleitung einer 5. Klasse auf einer Klassenfahrt habe ich ein sehr positives Beispiel im Umgang mit Heterogenität erlebt. Teil dieser Klasse war ein autistisches Kind. Dieses wurde von einer persönlichen Assistenz, einer ausgebildeten Sozialpädagogin begleitet. Trotz der Andersartigkeit seines Denkens, war das Kind stark in die Klassengemeinschaft integriert. Die anderen Kinder nahmen Rücksicht auf seine Bedürfnisse, boten bei gemeinsamen Aktivitäten sehr engagiert tatkräftige Hilfe an und, was mich besonders beeindruckte, versuchten auch fernab von den Aufsichtspersonen das Kind in Gespräche und Spiele einzubinden. Und das alles in einer Klasse, welche erst seit wenigen Monaten zusammen lernte. Diese Situation war für mich ein gutes Beispiel dafür, wie gut Inklusion funktionieren kann, wenn offen mit der Heterogenität der Schüler umgegangen wird und durch Kommunikation Verständnis für die Bedürfnisse Anderer angeregt wird.

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