homogenität für heterogene Willkommen im Kopf eines Lehramtsstudenten

5. August 2019

Abschlussreflexion zur Vorlesung

Filed under: Allgemein — Schlagwörter: — Thore @ 12:24

1) Zentrale theoretische Erkenntnisse aus der Ringvorlesung

Die für mich zentralste Erkenntnis, welche in der Ringvorlesung vermittelt wurde, ist, dass es einen bedeutenden Unterschied zwischen Gleichheit und Gerechtigkeit gibt (in der Vorlesung „Equality“ vs. „Equity“). Besonders bezogen auf die Bildungschancen von SuS mit verschiedenen sozio-ökonomischen (Bildungs-) Hintergründen in unserem Bildungssystem. In Deutschland ist es per Gesetz festgelegt, dass alle SuS die gleichen Chancen auf gute Bildung haben sollen und dementsprechend auch innerhalb der Schule gleichbehandelt werden sollen. Genau hier stößt man auf ein Paradoxon: Die Gleichbehandlung einer heterogenen Gruppe führt nicht zu Gerechtigkeit. An einem fiktiven Beispiel lässt sich dies gut erläutern: Ich studiere die beiden Fächer Germanistik und Geschichte. Gehen wir davon aus, dass ich einer Klasse Deutsch-Unterricht gebe, deren Schülerschaft eine sehr heterogene Mischung aus verschiedenen sozialen, ökonomischen, ethnischen und diversen anderen Hintergründen ist. Behandele ich nun alle gleich, herrscht keine Gerechtigkeit, da alle SuS mit unterschiedlichen, von ihrem jeweiligen Hintergrund abhängigen Startbedingungen in die Schule kommen und so bei einer Gleichbehandlung die persönlichen Unterschiede (beispielsweise in Wortschatz, Rechtschreibkenntnis oder Literaturverständnis) bestehen bleiben oder sogar verstärkt werden. Um also Gerechtigkeit hinsichtlich der Bildungschancen zu schaffen, muss ich als Lehrer dafür sorgen, dass alle SuS im Deutschunterricht auf ein ähnliches sprachliches Niveau kommen, auch wenn das heißt, dass ich sie „ungleich“ behandeln muss.

 

1a) Fachdidaktische Aspekte in meinen Unterrichtsfächern

Das Problem der unterschiedlichen Startbedingungen tritt im Deutschunterricht besonders zu Tage bezüglich der SuS, bei denen Deutsch nicht die Erst- oder Muttersprache ist, die mit Migrationshintergrund aufgewachsen sind oder mehrsprachig erzogen wurden. All diese Situationen haben einen Effekt auf die Sprachkenntnisse des Deutschen und damit verbunden, die Leistungen im Deutschunterricht. SuS mit einem solchen Hintergrund erwartet zumeist ein vergleichsweiser höherer Lernaufwand, um ein ähnliches Niveau zu erreichen. Fächerübergreifend spielen zudem die allgemeinen sprachlichen Kompetenzen passiv in die Beurteilung der Lehrkräfte ein: neben dem individuellem, fachlichen Verständnis hat auch die Eloquenz, mit der SuS die gelernten Inhalte mündlich und schriftlich wiedergeben, einen signifikanten Einfluss auf die Leistungswahrnehmung durch die jeweilige Bewertungsinstanz.

Des Weiteren war eine wichtige Erkenntnis, dass nicht nur SuS mit Migrationshintergrund Erfahrungen mit Mehrsprachigkeit haben, sondern auch solche, deren Erstsprache Deutsch ist. Je nach situativem Kontext (Öffentlich oder intim? Formal oder informell? vgl.: Maas 2008: 43) sind verschiedene Sprachrepertoires angebracht. Der Übergang zwischen der intimen alltagssprachlichen Kommunikation mit Gleichaltrigen zu der formaleren Situation des Unterrichts kann allen SuS Probleme bereiten und sollte dementsprechend berücksichtigt und gefördert werden.

Die heterogenen Wissensbestände und Fähigkeiten der SuS sind natürlich nicht nur im Deutschunterricht eine wichtige Variable, sondern auch in allen anderen Fächern. Bezogen auf den Geschichtsunterricht finden sich beispielsweise unterschiedliches Vorwissen über historische Ereignisse und deren Verknüpfung oder im außerschulischen Kontext erlernte Perspektiven.

 

1b) Generelle erziehungswissenschaftliche Erkenntnisse zu Schule und Unterricht

Sprache ist nicht nur hinsichtlich der reinen Äußerungs- und Verständnisfähigkeit eine Dimension von Heterogenität, sondern auch bezüglich der mit bestimmten Wörtern assoziierten Bedeutungen und Wertungen. In der Vorlesung von Herrn Prof. Dr. Andreas Klee besprach ebenjener das Thema im Hinblick auf den Politikunterricht, es lässt sich jedoch auch auf die anderen geistes-/sozialwissenschaftlich oder linguistisch orientierten Fächer übertragen. Auf den Folien fand sich folgendes Zitat: „Sozialwissenschaftliche Begriffe basieren, da sie immer auch mit einem normativen Verständnis von Mensch und Gesellschaft zusammenhängen, notwendigerweise auf einer Pluralität von Anschauungen.“ (vgl. Klee 2008, 41). Das bedeutet, dass auch wenn die SuS abstrakte Begriffe wie Staat, Religion, oder Gerechtigkeit formal definieren können, ihr subjektives Verständnis und ihre Bewertung des Begriffes höchst heterogen ausfallen können. Eben dieses Phänomen sollte im Unterricht konstruktiv reflektiert werden.

Bezüglich der bereits angeschnittenen Problematik von Gleichheit und Gerechtigkeit im Unterricht könnte man den Lösungsansatz verfolgen, Gruppen von SuS nach Leistungsniveaus (andere Heterogenitätsdimensionen werden zunächst ausgeklammert) zu unterteilen, um relativ leistungshomogene Gruppen zu schaffen, in welchen Gleichbehandlung und Gerechtigkeit miteinander vereinbar sind. In der Sitzung von Herrn Dr. Christoph Kulgemeyer wurde zu diesem Thema eine Studie von Hoffer aus dem Jahr 1992 behandelt. In dieser wurde festgestellt, dass innerhalb des Naturwissenschafts- und Mathematik-Unterrichts in 7. Bis 9. Klassen eine Teilung der SuS nach niedrigem, mittlerem und hohem Leistungsniveau einen insgesamt negativen Einfluss auf die Leistung der Klasse hat. Während leistungsstarke Schüler leicht profitieren, erleben leistungsschwache Schüler einen stark negativen Effekt. Folgt man dieser Studie, ist der oben skizzierte Lösungsansatz in der Praxis also wenig empfehlenswert.

 

2. Einflussreiche Faktoren zum schulischen Umgang mit Heterogenität

Ein Problem, welches sowohl in meiner eigenen Schulzeit als auch in den Erzählungen von Freunden & Geschwistern sehr frequent auftaucht, ist die Beschwerde über die an sie gerichtete Anforderung „alle Fächer“ beherrschen zu müssen. Sehr prominent ist zudem der Wunsch, auf bestimmte Fächer verzichten zu dürfen. Genau hier zeigt sich eine Dimension von Heterogenität, welche sich hauptsächlich aus der jeweils subjektiven Affinität (/Affektion) der Schüler zu bestimmten Fächern oder Themen konstituiert. Ob diese nun auf realen Stärken oder Schwächen der Schüler oder „placebo-artig“ aufgrund von Assoziation und Vorerfahrungen entsteht, soll hier erst einmal ausgeklammert werden. Fest steht, dass sowohl die Informationsaufnahme als auch der individuell betriebene Lernaufwand (und damit auch die erbrachten Leistungen) je nach Fach/ Thema und dem damit verbunden Grad an Interesse und Motivation variieren (vgl.: Wellenreuther 2002). Jedoch kann genau diese Heterogenität der SuS durch Individualisierung im Schulprofil direkt adressiert werden. Außer Frage steht natürlich, dass alle SuS zumindest gewisse Standards in sämtlichen Fächern erreichen sollten. Über diese minimalen curricularen Anforderungen hinaus jedoch, können über eine Vielzahl von Wahlmöglichkeiten (Wahlpflichtfächer, Profile, Leistungskurse usw.) die individuellen Stärken der SuS gefördert werden. Wird den SuS die Möglichkeit zur Wahl geboten, so ist ihr Engagement für die von ihnen gewählte Möglichkeit auch potenziell größer (Im Sinne von: „Endlich kann ich das machen, was ich gut kann“).

 

3. Erziehungswissenschaftlichen Fragestellungen zu denen ich gerne mehr erfahren würde

Ich würde im weiteren Lehramts-Studium gerne etwas über die Affektion von SuS zu bestimmten Fächern lernen. Und das sowohl hinsichtlich der Auswirkungen dieser (Welchen Einfluss haben Selbst-/ Fremdeinschätzungen, Interessenlagen und Motivation auf die Leistungen von SuS?) als auch der Entstehung dieser. Begründet ist dieses Interesse in meinem vorherigen Studium der Soziologie, in welchem ich eine Menge Interessantes über den Zusammenhang von sozialen Normen und persönlicher Entwicklung eines Individuums gelernt habe. Ich hoffe, dieses Wissen mit pädagogischen Erkenntnissen verknüpfen zu können. Eine ehemalige Kommilitonin von mir schrieb beispielsweise ihre (sehr lesenswerte) Bachelorarbeit über Geschlechterklischees im Mathematikunterricht. Aufhänger dieser Arbeit war ein auf junge Mädchen zugeschnittenes T-Shirt mit dem Aufdruck „Ich bin in Mathe nur Deko“. Wie entstehen solche und andere Klischees und wie beeinflussen sie SuS?

Sehr interessant fand ich zudem die Informationen über den Umgang mit abstrakten sozialwissenschaftlichen Begriffen im Unterricht (Politikdidaktik bei Herrn Prof. Dr. Klee) und über die „Sprachbarriere“ zwischen der Alltagssprache der Schüler und der „Unterrichtssprache“ (Mehrsprachigkeit bei Frau Dr. Daase). Vor allem aus einem linguistischen, diskurstheoretischen Blickwinkel heraus, sind die Fragestellungen im Sinne von „Inwiefern prägt schulisch vermittelter Sprachgebrauch das Denken und Handeln von SuS“ ungemein spannend.

 

Quellen:

Hoffer, T. B. (1992). Middle School Ability Grouping and Student Achievement in Science and Mathematics. Educational Evaluation and Policy Analysis, 14(3), 205–227. https://doi.org/10.3102/01623737014003205

 

Klee, A. (2008): Entzauberung des politischen Urteils. Eine didaktische Rekonstruktion zum Politikbewusstsein von Politiklehrerinnen und Politiklehrern. Wiesbaden.

 

Maas, Utz (2008), Sprache und Sprachen in der Migrationsgesellschaft. Göttingen: V&R unipress.

 

Rossbach HG., Wellenreuther M. (2002) Empirische Forschungen zur Wirksamkeit von Methoden der Leistungsdifferenzierung in der Grundschule. In: Heinzel F., Prengel A. (eds) Heterogenität, Integration und Differenzierung in der Primarstufe. Jahrbuch Grundschulforschung, vol 6. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden.

 

3. Juni 2019

Von doppelter Heterogenität, unterschiedlichen Sprachwirklichkeiten und der „Kompensation“ dieser.

Filed under: Allgemein — Schlagwörter: — Thore @ 8:38

1.

Die sogenannte „doppelte Heterogenität“ ist ein Phänomen, welches sich so ziemlich in jedem Unterrichtsfach, welches mit abstrakten / unstrukturierten Begriffen arbeitet, finden lässt. Besonders zu Tage tritt dieses in meinem meiner beiden Fächer, der Geschichte. Und das sogar in gesteigerter Hinsicht, weil in der historischen Betrachtung nicht nur unstrukturierte Begriffe genutzt werden, sondern weil sich diese auch je nach betrachteter Epoche und Region drastisch in ihrem Inhalt unterscheiden können.

Ein Beispiel: der Begriff der „Herrschaft“ zieht sich wie ein roter Faden durch die gesamte menschliche Geschichte. Alle SuS werden mit ihm ein mehr oder weniger deutliches Sammelsurium an Assoziationen verbinden, welche während ihrer (immer noch fortlaufenden) Sozialisation internalisiert wurden. Diese höchst heterogene Auswahl an Deutungsmustern nun mit den verschiedenen Herrschaftskonzeptionen verschiedener historischer Episoden in Beziehung zu setzen ist eine große Aufgabe. Herrschaft lässt sich sowohl im früh-römischen System der Padres finden als auch im feudalen Lehnssystem des Mittelalters, in verschiedensten Schattierungen von Despotismus, Monarchie, oder den modernen und postmodernen Variationen von Demokratie.

 

2.

Grundsätzlich würden mir spontan die folgenden drei methodischen Herangehensweisen einfallen, um im Unterricht (vorzugsweise vor der eigentlichen thematischen Arbeit) einen Einblick in Vorstellungen von Schüler*Innen zu gewinnen. Als Beispiel würde ich den oben bereits benutzen Begriff „Herrschaft“ verwenden.

Grundsätzlich bietet es sich an als Einstieg mit der ganzen Klasse eine Gruppendiskussion über den Begriff zu starten. Um dem Ganzen eine Struktur zu verpassen wäre es möglich, den Schülern vorab den Auftrag zu geben, anhand einiger Kriterien einen kleinen Steckbrief zu einer frei wählbaren Herrschaftsform zu erstellen. Diese könnte man dann im Plenum mit Blick auf Unterschiede oder Gemeinsamkeiten besprechen.

Da in einer größeren Runde innerhalb eines begrenzten Zeitraumes nicht alle SuS zu Wort kommen können (oder wollen), wäre es auch möglich, die Erhebung auf die individuellen Vorstellungen der SuS zu zuschneiden.

Eine qualitative Strategie dies zu tun wäre beispielsweise mit einzelnen Schülern kurze qualitative Interviews zu führen, in welchen sie gebeten werden einfach alle Assoziationen zu unserem Begriff zu formulieren. Diese kann man dann im Nachhinein strukturieren, wie es auch im qualitativen Design, welches in der Vorlesung besprochen wurde, geschah.

Natürlich ist auch eine quantitative Herangehensweise möglich: im Zuge dieser könnte man versuchen, einen standardisierten Fragebogen zu entwickeln, welcher Wissensbestände zu verschiedenen Herrschaftsformen abfragt.

 

3.

Unterschiedliche Sprachwirklichkeiten von Schülern und Lehrern würde ich frei nach Foucault sowohl an benutzen Vokabular und Formulierungen als auch an impliziten Konnotationen, expliziten Bewertungen und assoziativen Querverbindungen festmachen. Dementsprechend lassen sich folgende Beobachtungs-Fragen formulieren:

Welche Begrifflichkeit wird im Unterricht behandelt?

Wie wird diese von der Lehrkraft in Worte gefasst (Vokabular? Wiederkehrende Formulierungen?)?

Wie wird dies von den SuS rezipiert? Benutzen sie ähnliches oder sogar gleiches Vokabular & Formulierungen? Falls sie abweichend artikulieren, welche anderen Begriffe werden benutzt?

Lassen sich aus den Formulierungen von Lehrkraft und SuS Konnotationen, Bewertungen oder Assoziationen herauslesen? Welche? Wie werden diese vom jeweiligen Gegenüber aufgegriffen?

14. Mai 2019

Inklusion – für alle?

Filed under: Allgemein — Schlagwörter: — Thore @ 20:23

1.

Der für mich zentralste theoretische Aspekt, welcher in der Vorlesung angeschnitten wurde, ist, die Differenzierung zwischen dem individuellen und dem sozialen Modell von Behinderung. Darin wird behandelt, dass die Einstufung als „behindert“ oder „mit persönlichem Förderbedarf“ nicht nur als ein Problem der so eingeschätzten betrachtet werden darf, sondern dass ein Teil dessen auch sozialer Natur ist, also in Form von Zuschreibungen von außen an die jeweiligen Personen herangetragen wird. Nicht nur die körperliche oder geistige Behinderung schränkt im alltäglichen Leben ein, sondern auch die von der Gesellschaft produzierten Stereotype, Stigmata und die gewollt oder ungewollt exkludierenden Strukturen. Diesen Aspekt sehe ich als zentral an, weil deutlich wird, dass Inkompatibilität mit den bestehenden Strukturen des Bildungssystems und des Arbeitsmarktes nicht unbedingt in den Personen begründet ist, sondern auch in den Strukturen.

2a.

Ich muss ehrlich gesagt gestehen, dass ich innerhalb meiner Schulzeit keine Berührungspunkte mit inklusiver Pädagogik hatte. Ich habe von der 5. Klasse bis zum Abi reine Gymnasien besucht und in diesen war Inklusion kein Thema. Insofern könnte man das Stichwort der „inkludierenden Exklusion“ aufgreifen: vor allem von der organisatorischen Seite her waren alle Weichen so gelegt, dass es nicht zu inkludierendem inklusiven Unterricht kam.

2b.

Ein hier in Bremen sehr kontrovers diskutierte Position zum Thema der Inklusion in Gymnasien ist die der Direktorin des Gymnasium Horns. Diese ist sogar vor Gericht gegangen, um ihre Schule von der Verpflichtung zur Inklusion zu lösen. Die Argumentation dahinter basiert darauf, dass die gymnasiale Schulform den eher leistungsstarken Schülern vorbehalten ist, und auf der Annahme, dass unter einer Verwirklichung der Inklusion die Qualität des Unterrichts für die anderen Schüler leiden würde oder das die hinzukommenden SuS mit sonderpädagogischen Förderbedarf das Niveau nicht halten könnten.

Auch wenn ich diese Position durchaus verstehen kann, finde ich es falsch bestimmte Menschen aus Prinzip vom Unterricht auszuschließen. Das ist diskriminierend und entmündigend. Jede*r hat ein Recht auf Bildung und ein Recht darauf zumindest die Chance dazu zu bekommen individuelle Träume zu verwirklichen.

2c.

Die größte Chance von schulischer Inklusion ist meiner Meinung nach die Gleichberechtigung zuvor Benachteiligter. Nur das jemand körperlich oder geistig nicht den gesellschaftlichen Normen entspricht heißt nicht, dass er keine Grundrechte (wie zum Beispiel das Recht auf Bildung) besitzt!

Die größte Herausforderung würde ich darin sehen, einen gesellschaftlichen Wandel dahin gehend zu erreichen, den kollektiv-sozialen Teil einer Behinderung, welcher von außen an Benachteiligte herangetragen wird, zu minimieren. Wie es in der Vorlesung hieß: Es gibt einen Unterschied zwischen „Ich bin behindert.“  Und „Ich werde behindert.“. Gegen Letzteres können wir etwas tun.

3.

Als eine Beobachtungsaufgabe für die schulische Inklusion würde ich folgendes vorschlagen:

Inwiefern werden die SuS mit pädagogischem Förderbedarf in den Unterricht eingebunden?

Werden Sie gleichberechtigt und nicht nur „gleich“ in den Unterricht integriert?

Werden sie im Unterricht ausreichend unterstützt, ohne jedoch eine Explizite Sonderbehandlung zu erhalten?

Wird die Struktur des Unterrichts und die Stellung von Arbeitsaufgaben an Sie angepasst?

Wie wird der Förderbedarf von Lehrkräften und Mitschüler*innen und ihnen selbst in Unterrichtssituationen thematisiert? Implizit? Explizit?

12. Mai 2019

Spielerische Herangehensweisen an abstrakte mathematische Probleme – Eine „Lösung“ für Frustration und Leistungsheterogenität?

Filed under: Allgemein — Schlagwörter: — Thore @ 18:07

1.

Unterschiede in den mathematischen Leistungen von SuS sind per se kein Grund zur Sorge. Bereits ab der ersten Klasse zeigen sich diese Unterschiede sowohl in der Affinität zum Fach als auch in den konkreten Leistungen. Diese Unterschiede ziehen sich durch die ganze folgende Schullaufbahn und bleiben weitestgehend konstant. Anlass zur Sorge besteht nur, wenn a) die Schere zwischen den unterschiedlich mathematisch-erfolgreichen SuS innerhalb einer Klasse drastisch immer weiter auseinander geht, oder b) die basalen mathematischen Kernkompetenzen, die für das spätere Erwachsenenleben wichtig sind, nicht vermittelt werden können. Letztere werden von 1. Bis 10. (bzw. 9.Klasse) vermittelt.

 

2.

Meiner Meinung nach kann das Spielen im Mathematikunterricht durchaus eine gewinnbringende Option sein, um in einer leistungsheterogenen Klasse auch die schwächeren SuS in den Unterricht einzubinden. Vor allem bei abstrakteren mathematischen Aufgaben und dementsprechenden Lösungswegen besitzen viele in Mathematik schwache SuS eine geringe Frustrationsgrenze und koppeln sich deshalb vom Unterricht ab. Eine eher praktisch orientierte, spielerische Herangehensweise kann bei diesem Phänomen dazu beitragen, diese Schüler für die Beteiligung am Unterricht zu motivieren, ihnen einen konkreten Denkansatz bieten und eventuell eine Antwort auf eine von vielen Schülern in Mathematik oft gestellten Frage bieten: „Wofür brauche ich das eigentlich?“.

 

3.

Haben die SuS den Kern des Problems verstanden?

 

Versuchen die SuS dieses Problem durch eine logische (mathematische) Herangehensweise zu lösen oder durch zufälliges Ausprobieren / mechanisches Imitieren anderer, ohne den Hintergrund zu verstehen?

 

4.

Haben die Schüler eine geeignete Lösungsstrategie entwickelt, um die Aufgabe zu bewältigen, könnte man ihnen die Aufgabe geben, selbst ein Spiel zu entwickeln, bei dem die gleiche Strategie zu Einsatz kommen kann. Man könnte also Quasi die Perspektive der Schüler auf den Kopf stellen, um sie zum Nachdenken anzuregen.

 

Eine weitere Möglichkeit, die SuS weiterhin kognitiv anzuregen und darüber hinaus das Gelernte in den Unterricht einzubinden, wäre, den Schülern nun eine abstrakte mathematische Aufgabe zu stellen, die auf eben die gleiche Art und Weise zu lösen ist, wie die Anforderungen des Spiels und sie dann dazu reflektieren zu lassen, welche Parallelen ihnen aufgefallen sind.

3. Mai 2019

Zur Verwirklichung des Konzeptes der Individualisierung im Unterricht mit leistungsheterogenen SuS

Filed under: Allgemein — Schlagwörter: — Thore @ 11:15

1.

Die beiden zentralen Einsichten, die mir die Vorlesung am 30.05 eröffnet hat ist einerseits, dass Individualisierung im Unterricht auf diversen Wegen angestrebt werden kann, und dass andererseits ein Großteil dieser Maßnahmen ein hohes Maß an kognitiver Arbeit und Reflexion von der jeweils verantwortlichen Lehrkraft fordert. Der Unterricht muss, um eine individuell alle SuS zugeschnittene Lernerfahrung zu werden, sehr viel komplexer strukturiert werden. Des Weiteren verstrickt man (oder frau) sich als Lehrer unweigerlich in Widersprüchlichkeiten mit einander konkurrierender Ideale:  

 

Kategorisierung vs. De-kategorisierung

SuS sollen ohne Vorurteile betrachtet werden (egal welcher Hinsicht), jedoch ist ein gewisses Urteil über die Leistungsfähigkeit von SuS nötig, um ihnen eine individuelle Förderung zu kommen zu lassen.

           

Individuelle Talente vs. Individuelle Defizite

Worauf legt man den Fokus? Will man die individuellen Stärken der SuS fördern, oder will man die Schwächen ausgleichen, damit alle auf ein Level kommen?

 

Individualisierung (allgemein) vs. Standardisierung

Alle SuS sollen ihren Stärken und Schwächen entsprechend gefördert werden. Das bedeutet, sie starten auf verschiedenen Initial-Niveaus und erreichen mit individueller Förderung unterschiedliche Final-Niveaus. Gleichzeitig sollen aber alle SuS ein gewisses standardisiertes, interdisziplinäres Leistungsniveau erreichen.

 

Förderung vs. Selektion

Einer Lehrkraft stehen nur begrenzte Aufmerksamkeitskontingente zur Verfügung. Sie kann nicht überall gleichzeitig sein. Das bedeutet, sie muss sich temporär auf bestimmte SuS konzentrieren, und während dessen andere „vernachlässigen“.

 

Gleichheit vs. Individualität

Alle SuS sollen gleichbehandelt werden, jedoch sollen sie auch individuell, also ungleich gefördert werden.

 

2.

Ich selbst würde mich in eine semikritische Position zu der Individualisierung im Leistungsheterogenen Unterricht einordnen. Sie ist meiner Meinung nach definitiv nötig, jedoch unteranderem aufgrund der oben angeschnittenen Paradoxien und Professionalisierungsproblemen nicht von einer einzelnen Lehrkraft zu stemmen. Diese Perspektive „leistet“ den Beitrag der Erkenntnis, dass folgende Punkte nötig sind, um eine Individualisierung im Unterricht auf produktive Art und Weise möglich zu machen:

 

Die Individualisierung kann nicht nur auf der persönlichen Ebene der individuellen Lehrkraft und ihrem Unterricht basieren. Sie muss auch auf der gesamtschulischen Ebene und der darüberstehenden Ebene des Schulsystems strukturell etaliert werden.

 

Zusätzlich dazu habe ich bereits erwähnt, dass dies im praktischen Bereich nicht von einer einzelnen Lehrkraft zu bewerkstelligen ist. Es ist also mehr als eine Lehrkraft nötig, um Individualisierung im Unterricht zu gewährleisten: Es braucht zusätzliche Lehrkräfte, Sozialpädagogen, persönliche Assistenzen, und ähnliches.

3.

Welcher Strategie zu Individualisierung folgt die Lehrkraft im Unterricht?

Wie setzt sich diese in bestimmten Unterrichtskonzepten oder Maßnahmen nieder?

Welche Probleme treten in der realen Unterrichtssituation bei der Verwirklichung der theoretischen Konzepte auf?

Gibt es spezielle Strategien zur Bewältigung dieser Probleme?

Inwiefern werden alternative Strukturen auf der Ebene von Schule und Schulsystem geschaffen die einen auf Individualisierung ausgelegten Unterricht unterstützen?

Werden andere Lehrkräfte oder weitere Unterstützende Personen in den Unterricht eingebunden? Wenn ja, wie?

28. April 2019

Verschiedene Leitungsniveaus im Unterricht – Was tun?

Filed under: Allgemein — Schlagwörter: — Thore @ 14:44

Zu 1.:

Nach einer Studie von Hoffer aus dem Jahr 1992 hat die Teilung der SuS (Schülerinnen und Schüler) in den Naturwissenschaftlichen Fächern nach Leistungsniveaus eher negative Effekte auf die Gesamtleistung der Klasse. Die Leistungsstarken SuS profitieren nur leicht, während die Leistungsschwachen SuS einen starken negativen Effekt in ihrer Leistung erleben. Dementsprechend bieten sich andere Ansätze zum Umgang mit Heterogenität in der Schülerschaft eher an.

Des Weiteren lässt sich mit einer Studie von Ireson et. al aus dem Jahr 2005 nachweisen, dass alle SuS grundsätzlich davon profitieren, wenn sie Teil eines Kurses mit einem vergleichsweisen hohen Leistungsniveau sind. Folgt man dieser Erkenntnis, so muss man eventuell den Fokus nicht per se auf den speziellen Umgang mit Heterogenität legen, sondern daran arbeiten, die Qualität des Unterrichts allgemein zu verbessern.

Zu 2.:

In meiner eigenen Schulzeit habe ich zumeist in heterogenen Klassen und Kleingruppen gelernt, und dies grundsätzlich als eine gut funktionierende Strategie erlebt. Die Differenzierung nach leistungsschwach und leistungsschwach ist oft höchst fach-spezifisch. Unter vielen Schülern kursiert eine prominente (aber nicht empirisch nachgewiesene) Selbsteinschätzung als „Sprach-typ“ oder als „NW-Typ“. So bringen verschiedene Schüler unterschiedliche Stärken und Motivationen mit und auch interdisziplinäre Kompetenzen können sich positiv auf die Lernsituation der Gesamtklasse auswirken. Auch im zwischenmenschlichen Bereich habe ich gemischte Gruppen als gewinnbringend in meiner persönlichen Entwicklung erlebt. Äußere Differenzierung von Schülern unterschiedlicher Leistungsstufen führt meiner Meinung nach schnell zu mehr oder weniger scharf trennbaren Gruppen und Animositäten zwischen diesen; zu Ab- und Ausgrenzung. Das ist keine Struktur, die wir aktiv fördern sollten!

Vergleicht man diese Ansicht mit den in der Vorlesung vorgestellten empirischen Ergebnissen ergibt sich ebenfalls, dass eine heterogene Gruppengestaltung eher positiv als negativ auf die Gesamtleistung der Klasse auswirkt.

Zu 3.:

Meine beiden späteren Unterrichtsfächer sind Deutsch und Geschichte. Was ich mir in beiden Fächern gut vorstellen könnte wäre die Analyse einer politischen Rede. Anbieten würde sich hier beispielsweise die von Churchill gehaltene Rede „We Shall Fight on the Beaches“, welche ein zentrales Momentum im 2. WK darstellte. Aus der Perspektive des Deutschunterrichtes könnte ich die Schüler anweisen, sich an einer rhetorischen Analyse der übersetzen Rede zu versuchen, im Geschichtsunterricht könnte man die Rede in eine Analyse der historischen Situation einbinden und mit der Erläuterung des „Prisoners Dilemma“ verknüpfen.

Eine Lernhilfe der ersten Stufe könnte für beide Fächer eine Einführung in die historische Situation sein, die diese Rede formte

Als eine Lernhilfe der zweiten Stufe könnte für den Deutschunterricht eine Übersicht über rhetorische Stilmittel sein, auf welche die Schüler den Textausschnitt hin untersuchen könnten. Für den Geschichtsunterricht könnte man als erste Lernhilfe einen kurzen Text mit weiteren historischen Fakten beilegen, mit welchem dann der Textausschnitt auf Motivationen und Ziele hin untersucht werden soll. Oder eine Schematische Darstellung des „Prisoners Dilemmas“ anhand dessen die Schüler die Situation erläutern können.

Als Lernhilfen der letzten Stufe würde ich Lernstrategische Hilfen benutzen. Beispielsweise Fragen/ Anregungen zur Strukturierung des Denkprozesses, an denen sich die Schüler entlanghangeln können, und welche auch bei anderen Texten Anwendung finden können:

Im Deutschunterricht: „Welche rhetorischen Mittel benutzt Churchill? Was will er damit erreichen/ wie wirken sich diese aus? Welchen Eindruck vermittelt Churchill durch die Kombination der verschiedenen Stilmittel? Welche Argumentationsstruktur liegt seiner Rede zu Grunde?

Im Geschichtsunterricht: Was sind die Behauptungen, die Churchill aufstellt? Welche Schlüsse zieht er aus diesen? Welche Maßnahmen macht das nötig?

Ich würde die Schüler bitten, zunächst in heterogener Gruppenarbeit Stichpunkte aufzuschreiben und diese dann im Anschluss vor der gesamten Klasse zu präsentieren. Je nach Umsetzung der Aufgaben durch die Schüler könnte ich dann in einer anschließenden Reflexionsrunde den Fokus auf unterschiedliche inhaltliche oder strukturelle Aspekte legen.

Zu 4.:

Nach einer Studie von Saleh et. al. (2015) profitieren Leistungsschwache SuS sowohl auf der Ebene der erbrachten Leistung als auch der damit verbundenen Lern-Motivation von heterogenen Gruppen. Die im Mittelfeld und an der Spitze des Leistungsniveaus angesiedelten SuS hingegen zeigen hinsichtlich der von ihnen erbrachten Leistungen kaum einen Unterschied zwischen homogenen und heterogenen Gruppen. Des weiteren machen heterogene Lerngruppen meiner Meinung nach auch auf der sozialen Ebene Sinn, da diese sozial Kompetenzen fördern und man für leistungsstärkere Schüler auch mit dem Prinzip „Lernen durch Lehren“, also durch die Unterstützung schwächerer SuS durch die leistungsstärkeren einen positiven Effekt erzielen kann.

14. April 2019

Migrationsland Deutschland – zwischen Pessimismus und Optimismus

Filed under: Allgemein — Schlagwörter: — Thore @ 20:53

Das deutsche Bildungssystem ist auf mehreren Ebenen am eigenen Staat orientiert:  fundamental sind die Struktur und der Ablauf einer Schullaufbahn darauf ausgerichtet, die jeweilige Person mehr oder weniger lückenlos in die bereits bestehenden sozialen, kulturellen und ökonomischen Strukturen der deutschen Gesellschaft zu integrieren. Das geht damit einher, dass die Bildung implizit an zukünftige Staatsbürger adressiert ist, welche zu „funktionierenden“ Gesellschaftsmitgliedern geformt werden sollen. Dazu gehört unteranderem, dass die obligatorische Unterrichtssprache (bis auf den Fremdsprachen Unterricht oder in Ausnahmefällen) Deutsch ist. Des Weiteren ist auch der Lehrplan an einer bestimmten Perspektive orientiert: im Geschichtsunterricht wird sich auf die deutsche Historie konzentriert, der Politik-Unterricht behandelt das eigene demokratische System, die musischen Fächer konzentrieren sich auf deutsche Kulturerzeugnisse, selbst die Naturwissenschaften unterstehen einem eurozentrischen Einfluss. Besonders deutlich war dies in meiner eigenen Schulzeit während des Geschichtsunterrichtes, welcher sich zu drei Vierteln mit deutscher Geschichte und zu nur einem Viertel mit der Geschichte des Rests der Welt beschäftigte.

 

Migration wird im öffentlichen Diskurs aus bestimmten Perspektiven als eine Herausforderung für die Schule und im speziellen für die Lehrkräfte angesehen, da diese eine der zentralen Schnittstellen bilden, welche aktiv Integration in die bereits bestehende Gesellschaft betreiben. Diese Integration ist logischerweise mit einem bestimmten zusätzlichen Aufwand verbunden, welcher für Manche überfordernd wirkt. Und nicht nur auf der Ebene des Mehraufwandes sehen sich einige Lehrer Stress ausgesetzt, sondern auch in Ihrer Aufgabe, bestimmte kulturelle, soziale und politische Grundlagen der Bundesrepublik zu vermitteln. Besonders deutlich wird dies durch eine sehr plakative, in der Vorlesung zitierte Aussage eines Lehrers, welcher darüber klagt, in seinem Klassenzimmer an der vordersten Front eines Kulturkampfes zu stehen. Jedoch ist dies nur eine Variante, dieses gesellschaftliche Phänomen zu betrachten. Während die Einen mit Migration größtenteils Arbeit und eine unspezifische Bedrohung verbinden, sehen Andere in Ihr eine Chance und laufenden Fortschritt. Eine Chance auf Vervielfältigung und Vermischung lokaler und hinzugekommener Sprache und Kultur zum Vorteil beider. Und einen Fortschritt hinzu einem offeneren, vielfältigeren und bunteren Deutschland.

 

Der Interviewausschnitt der Schülerin mit türkischem Migrationshintergrund ist insofern ein Beispiel für das sogenannte „Doing Culture“ im Handeln von Lehrkräften, als dass die Lehrerinn sie sehr verallgemeinernd und aufgrund ihrer Herkunft in einen bestimmten ethnischen/ kulturellen Kontext einordnet. Weiterhin passt die Lehrerinn sogar ihre Bewertungskriterien an diese konstruierte Vorstellung an. Und das zum Nachteil der Schülerin. Nur weil eine Person einen Migrationshintergrund hat, bedeutet dies nicht, dass sie sich mit diesem Identifiziert oder gar die von anderen Personen mit diesem Status assoziierten Zuschreibungen erfüllen muss.

5. April 2019

Zur sozialen Konstruktion von Heterogenität in der Schule

Filed under: Allgemein — Schlagwörter: — Thore @ 14:31

Die Heterogenität der Schüler im deutschen Bildungssystem wird häufig (und auch zurecht) als eine Herausforderung eingestuft, da sie paradoxerweise in einem Gegensatz zu dem gesellschaftlichen Ideal der Gleichheit steht, welches auch juristisch im AGG festgehalten wird. Wir leben in einer Meritokratie. Das heißt, sozialer Status ist abhängig von der Leistung, die ein Individuum erbringt. Um also eine Art soziale Gerechtigkeit zu etablieren heißt Es: „Gleiche Bildungs- und Aufstiegschancen für Alle!“ Damit aber Alle gleiche Chancen auf eine gute Bildung haben, müssen zuerst etliche Unterschiede kompensiert werden, welche zu der Heterogenität der Schüler beitragen: Sie kommen aus unterschiedlich Bildungs-affinen sozialen Milieus, bringen individuell sowohl kognitive als auch körperliche Stärken und Schwächen mit, verfügen über unterschiedliche soziale und ökonomische Ressourcen, sehen sich unterschiedlichen, an sie gestellten Anforderungen aufgrund von Geschlecht, Religion und ähnlichem gegenüber und ihre psychosozialen Dispositionen fügen sich unterschiedlich gut in unser Bildungssystem ein. Eine oft und in vielen Varianten angeführte Metapher verdeutlicht dieses Paradoxon sehr gut: Eine Reihe unterschiedlicher Tiere wird vor die Aufgabe gestellt auf einen Baum zu klettern. Der Affe hängt bereits in der Krone des Baumes, während dem Goldfisch in seinem Glas sogar die Möglichkeit fehlt, sein „Versagen“ zu erklären. Kein Wunder also, dass es als „Herausforderung“ angesehen wird, all diesen Tieren (Schülern) die gleichen Chancen für ihren Weg zu ermöglichen.

 

Heterogenität, sowie eigentlich jeder im gesellschaftlichen Diskurs benutzte Begriff, ist eine soziale Konstruktion. Damit ist folgendes gemeint: Die Heterogenität der Schüler ist keine absolute: Sie sind alle Menschen, Jugendliche einer Generation, Teil des Bildungssystems, einer Jahrgangsstufe oder Klasse und weisen noch etliche weitere Gemeinsamkeiten auf. Trotzdem werden sie aufgrund der oben beschriebenen Unterschiede als heterogen bezeichnet, weil die Einschätzung auf bestimmten, explizit formulierten und implizit angewendeten Maßstäben beruht. Nach den Sozialwissenschaftlern Peter Berger und Thomas Luckmann (Berger & Luckmann 1966: „The Social Construction of Reality“) lebt jede Person in einer eigenen sozialen Realität. Jede dieser individuellen Realitäten ist von dem jeweiligen Menschen selbst gemacht und von gesellschaftlichen Phänomenen beeinflusst. Anders gesagt: sie ist sozial konstruiert. Diese Realitäten überschneiden sich zum Teil und werden von der sogenannten „Paramount Reality“ umspannt. Diese vereint allgemeine Perspektiven, Ansichten, Normen, Moralitätsvorstellungen und andere abstrakte Institutionen zwischenmenschlicher Organisation, die von der Mehrheit der Gesellschaftsmitglieder akzeptiert und praktiziert werden. In eben dieser Ebene der kollektiven gesellschaftlichen Realität sind auch die Vorstellungen zu Normalität, Hetero- und Homogenität angesiedelt. Wenn man also sagt, dass Heterogenität einen Konstruktionscharakter besitzt, so bedeutet das, das die Vorstellung, welche mit diesem Begriff verbunden ist von Menschen gemacht und damit Perspektiven gebunden ist. Und dass sie auch variieren kann. Je nachdem welche Maßstäbe aus welcher individuellen Realitätsvorstellung angewendet werden, kann eine Gruppe verschieden eingeschätzt werden.

 

Zwar nicht während meiner Schulzeit, jedoch während der Begleitung einer 5. Klasse auf einer Klassenfahrt habe ich ein sehr positives Beispiel im Umgang mit Heterogenität erlebt. Teil dieser Klasse war ein autistisches Kind. Dieses wurde von einer persönlichen Assistenz, einer ausgebildeten Sozialpädagogin begleitet. Trotz der Andersartigkeit seines Denkens, war das Kind stark in die Klassengemeinschaft integriert. Die anderen Kinder nahmen Rücksicht auf seine Bedürfnisse, boten bei gemeinsamen Aktivitäten sehr engagiert tatkräftige Hilfe an und, was mich besonders beeindruckte, versuchten auch fernab von den Aufsichtspersonen das Kind in Gespräche und Spiele einzubinden. Und das alles in einer Klasse, welche erst seit wenigen Monaten zusammen lernte. Diese Situation war für mich ein gutes Beispiel dafür, wie gut Inklusion funktionieren kann, wenn offen mit der Heterogenität der Schüler umgegangen wird und durch Kommunikation Verständnis für die Bedürfnisse Anderer angeregt wird.

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