7.Vorlesung: Genderorientierte Lernaufgaben

Filed under: Allgemein — Hilke at 7:30 pm on Dienstag, Mai 17, 2016  Tagged

Ermitteln Sie in einer Lehrbuchreihe Ihrer Wahl Aufgaben, die Ihrer Ansicht nach besonders Jungen oder besonders Mädchen ansprechen. Versuchen Sie diese Aufgabe(n) mit einer umgekehrten Gender-Orientierung umzuformulieren.

Zuallererst ist anzumerken, dass ich während meiner eigenen Schulzeit nie den Eindruck hatte, dass es spezielle Aufgaben für Jungen oder für Mädchen gibt. Viel mehr wurden diese Aufgaben eher geschlechtsneutral formuliert, wie zum Beispiel:“ Olaf kauft auf dem Markt 3 kg Äpfel für x€ und 2 kg Kartoffeln für y€. Wie viel € hat er im Durchschnitt für 1 kg Obst und Gemüse ausgegeben.“ Auch in anderen Fächern ist mir nie eine Genderfizierte Aufgabenstellung aufgefallen.

Während meiner Recherche bin ich nun aber auf „PONS-Rechenübungen für Jungs-100 Aufgaben, die Jungs wirklich begeistern“ und das Pendant „PONS-Textaufgaben für Mädchen-100 Aufgaben, die Mädchen wirklich begeistern“ gestoßen, bei denen deutlich wird, wie sich eine klassische Genderorientierte Lernaufgabe vorgestellt wird. Das Buch für Jungen ist eher in Blau- und Grüntönen gehalten, während das Buch für Mädchen eher Rosa und Rot aussieht. Auch die Aufgaben sind an Genderklischees angepasst. Bei den Mädchen wird eher auf Prinzessinnen, Feen und freundlichen Märchengestalten Bezug genommen und mit diesen Aufgaben erstellt, bei den Jungen eher auf Piraten, Sport und Ritter.

Auf Seite 29 des Jungenspezifischen Buches ist die Aufgabe 19 zu finden, die folgendermaßen lautet:“Mit 7 Jahren verlässt ein Ritterjunge seine Eltern und wird Page auf einer Burg. Dort muss er viel lernen und arbeiten. Hier siehst du den Tagesplan des Pagen Kunibert.“ Umformuliert für Mädchen könnte diese lauten: „Die Prinzessin Kunigunde ist 7 Jahre und muss jeden Tag viel lernen, um später eine gute Königin neben ihrem König werden zu können. Hier siehst du ihren Tagesplan.“

Für mich wirkt diese Klischeehafte Rollenverteilung eher wie ein Versuch, alte Rollenbilder weiter aufrecht zu erhalten und nicht darüber nachzudenken, dass auch Mädchen Piraten und Sport mögen können und Jungen Märchen und Rosa. Doch durch das fest in unserer Gesellschaft verankerte Rollenbild würde sich ein rosanes Buch für Jungen weniger gut verkaufen, denn Rosa und Feen sind ja „nur was für Mädchen und Schwule“, da Kindern schon von Anfang an dieses Klischee mitgegeben wird. Kleinen Mädchen schenkt man eher etwas freundliches, niedliches und kleinen Jungen eher etwas, dass mit Beschützen und Abenteuern zu tun hat. Ich denke daher, dass PONS hier versucht auf eben diesen Klischees aufzubauen und eher auf Eltern abzielt als auf Kinder, denen es in diesem Alter (noch) nicht so wichtig sein wird, wie so ein Buch aufgebaut ist, sondern eher, ob das Rechnen Spaß macht.

Man kann also abschließend sagen, dass solche Lehrbuchreihen zwar ihre Berechtigung haben, es jedoch auf lange Sicht besser wäre diese nach Themen zu unterteilen und nicht nach Geschlechtern. Also zum Beispiel „100 Aufgaben rund um Piraten, Ritter und Co“ oder „100 Aufgaben rund um Prinzen, Märchen und Co“, sodass sich Kinder diese Bücher nach ihren eigenen Interessen aussuchen können und nicht unterbewusst weiter in ein Rollenbild gedrängt werden.

6. Vorlesung: Die Situatuion von Jungen in der Schule

Filed under: Allgemein — Hilke at 9:50 pm on Donnerstag, Mai 12, 2016  Tagged

Wilfried Bos stellt in der Begleituntersuchung zu IGLU 2003 fest, dass Jungen sich in der Tendenz – im Vergleich mit der weiblichen Gleichaltrigengruppe – signifikant weniger sicher in Schule fühlen, deutlich weniger gerne zur Schule gehen und eindeutig häufiger das Gefühl haben, dass sich die Lehrkräfte nicht/wenig um sie kümmern. Wie erklären Sie sich diese Ergebnisse und wie könnte man diese Situation verbessern?

Woran könnte es liegen, dass Jungen sich in Schulen weniger sicher fühlen, als Mädchen die im gleichen Alter sind? Zuerst fällt einem dort der starke Überschuss an weiblichen Lehrkräften in Grundschulen auf. Hierdurch können Jungen sich weniger gut auf ihre Lehrkräfte einlassen, da ihnen eine gleichgeschlechtliche Ansprechperson fehlt, die sie auch als Vorbild nehmen könnten. Diese Homogenität kann dazu führen, dass Jungen sich in Schulen weniger akzeptiert fühlen, da sie sich nicht vollständig mit ihren Lehrkräften identifizieren können.

Ein weiterer Punkt ist die allgemeine Auffassung, dass Jungen immer stark sein sollen. Sätze wie „Jungs heulen nicht!“, „War doch nur ein Kuscheltier, stell dich nicht wie ein Weichei an!“ oder „Ein Indianer kennt keinen Schmerz!“ führen dazu, dass Jungen sich davor scheuen, Gefühle offen zuzulassen und diese auch in ihrem engeren Umfeld und gegenüber ihren Bezugspersonen nicht ansprechen und/oder zum Ausdruck bringen, aus Angst dann als Weichei, als „Schwuchtel“ zu gelten. Das führt auch dazu, dass sie ihre Probleme nicht ihren Lehrkräften, ihren Vertrauenslehrern oder auch Schulpastoren schildern, und eine harte Schale entwickeln, damit sie eben diesem Stereotyp eines Jungen entsprechen und nicht aus der Norm fallen.

Es ist außerdem immer wieder zu sehen, dass Jungen eher in naturwissenschaftlichen und sportlichen Bereichen gefördert werden und Mädchen eher in künstlerischen und literarischen Bereichen. Dieses weitere Klischee kann dazu führen, dass sowohl Jungen als auch Mädchen sich nicht trauen, ihre Interessen auszuleben, wenn diese nicht dem allgemeinen Rollenklischee entsprechen. Der Unterschied bei Jungen und bei Mädchen ist hierbei, dass man diese Problematik im Bezug auf Mädchen längst erkannt hat und dementsprechend durch verschiedenste Maßnahmen diesem Phänomen entgegenwirkt.

Eben diese Vorurteile eines stereotypen Jungen führen aber auch dazu, dass Lehrerinnen und Lehrer anfangen können, Jungen emotional zu vernachlässigen, weil diese ja „so stark“ sind und „keine Gefühle“ haben. Es kann also nur Besserung dieses Phänomens auftreten, wenn sehr früh bei der Erziehung von Kindern begonnen wird. Hier sollte mehr darauf geachtet werden, dass Rollenklischees gar nicht erst entstehen, oder, wenn sie doch schon im Gedächtnis eines Kindes verankert sind, darauf hingearbeitet wird, diese immer mehr aufzubrechen und, wenn möglich, ganz abzuschaffen.

Auch Lehrerinnen und Lehrer müssen sich immer wieder klar machen, dass sie nicht nach Vorurteilen und Stereotypen urteilen dürfen, sondern sich immer wieder klar machen, dass jeder Mensch individuell zu betrachten ist, damit sich optimal um ihn oder sie gekümmert werden kann und er oder sie dann auch die optimalen Voraussetzungen für eine ideale Lernumgebung hat. Außerdem sollte viel mehr auf die Psyche eines Kindes eingegangen werden und weniger auf seine Leistungen, denn ohne einen Menschen der mit sich selbst im Reinen ist( vgl. Rogers Ideal- und Realselbst), kann sich auch Leistung nicht optimal entfalten.

 
Zur Werkzeugleiste springen