TP 1a: Medienpädagogik und Verbundkoordination

Medienpädagogik, Aufbau und Etablierung einer videogestützten Online-Praxisgemeinschaft und Verbundkoordination (Prof. Dr. Karsten D. Wolf, BIBF)

Ziel des Teilprojektes 1 ist die Unterstützung und wissenschaftliche Untersuchung des Aufbaus, der Etablierung sowie der Pflege einer Online-Community. Hierzu zählen die experimentelle Überprüfung von Anreizstrukturen für die Partizipation in der Plattform, Befragungen zur Community-Wahrnehmung sowie Netzwerkanalysen der Benutzerinteraktionen. Um möglichen negativen Entwicklungen auf einer öffentlichen Community-Plattform wie draufhaber.tv präventiv entgegenzuwirken, bedarf es der Konzeption und Durchführung von Maßnahmen gegen Cyber-Bullying sowie des Gender Mainstreamings mit den Sozialpartnern der Jugendbildung. Dazu werden über Unteraufträge Sozialpartner der außerschulischen Jugendbildung eingebunden.

Zentrale Fragestellungen

  • Welche Lernfortschritte erzielen die Jugendlichen durch die Nutzung des Portals?
  • Befördert die Erstellung von Lehrvideos mit „user generated content“ den Lernprozess?
  • Bilden sich um die dargestellten Fertigkeiten Lerngemeinschaften (Communities)?
  • Führen die netzwerkbildenden Prozesse einer solchen Plattform zur verstärkten Diskriminierung von Minderheiten („Schau dir den Depp an…“)? Wie ist mögliches Cyber-Bullying zu verhindern?
  • Welche Gestaltungsmerkmale der Plattform befördern die Partizipation und die Gemeinschaftsbildung?
  • Welche Gestaltungsmerkmale und Betreuungsaktivitäten befördern die Etablierung und die Nachhaltigkeit der Online-Gemeinschaft?
  • Inwieweit ist es möglich die inhaltliche Ausgestaltung der Content-Produktion (didaktisch) zu lenken ohne die Community-Bildungsprozesse zu stören

Verbundkoordination

Die Verbundkoordination agiert im Sinne einer Serviceeinheit und unterstützt die Zusammenarbeit der Teilprojekte. Somit ist eine enge Kooperation mit den anderen Projektpartnern zwingende Voraussetzung für eine erfolgreiche Gestaltung dieses Teilprojektes.

Hintergrund zum Aufbau und Etablierung einer videogestützten Online-Praxisgemeinschaft

Kaum ein Begriff in der aktuellen Lehr-Lern-Diskussion wird so inflationär gebraucht wie der Community-Begriff: „Learning Communities“, „Knowledge Communities“, „Virtual Communities“, „Online Communities“, „Communities of Interest“ oder „Communities of Participation“ sind ein kleiner Ausschnitt der üblichen Bezeichnungen (Riel & Polin 2004, S. 16). Auch im deutschsprachigen Raum gibt es eine bemerkenswerte Fülle: Lern-, Wissens- oder Interessensgemeinschaften, Experten-Netzwerk oder Erfahrungsaustausch-Gruppen sind ebenfalls nur einige der genutzten Bezeichnungen (Schoen 2001, S. 56).
Gemeinschaften können nach Heintze (2000, S. 204) als ein Kontinuum verstanden werden, „das von wenigen bilateralen Beziehungen, über dichte Netzwerke, bis hin zu Gruppen reicht“. Im Kontext dieses Antrages lassen sich drei zentrale, gut voneinander abgrenzbare Anlässe zur expliziten Gemeinschaftsbildung identifizieren:

  • Semi-formales Lernen in curricularen Lerngemeinschaften im Bereich Aus- und Weiterbildung;
  • Selbstorganisierter Wissens- und Erfahrungsaustausch in Communities of Practice;
  • Networking in Friend of a Friend (FOAF) – und Business-Netzwerken (Business Communities) bzw. Social Networking Plattformen.

Die drei genannten Gemeinschaftsformen unterscheiden sich insbesondere in ihren Zielsetzungen. Geht es in curricularen Lerngemeinschaften primär um die gemeinsame Erarbeitung von curricular verankerten Lerninhalten, fokussieren FOAFCommunities auf das Knüpfen von Kontakten. Communities of Practice organisieren sich um die Lösung authentischer, komplexer Problemstellungen und bilden gleichzeitig eine Umgebung zum Kennenlernen neuer Personen. Eine Besonderheit des Projektes ist, dass diese drei Perspektiven im Kontext beruflichen Lernens miteinander verbunden werden sollen.
Aus der Sicht des Teilprojektes liegt die grundsätzliche Herausforderung im Projekt in der Verbindung von selbstorganisierten Handlungen im Sinne einer autonomen Partizipation (typisch für Web 2.0 Applikationen), die weitgehend informell organisiert sind, mit den Anforderungen von eher formal organisierten Aus- und Weiterbildungsprozessen. Insbesondere zu der Frage, wie Aufbau, Etablierung und Pflege von Communities gezielt zu unterstützen ist, liegt bisher nur Erfahrungswissen vor (Wenger/ McDermott/Snyder 2002).
Ein weiterer besonders wichtiger Aspekt des Projektes sind Fragen der präventiven medienpädagogischen Betreuung, der Implementation von Gender Mainstreaming sowie die Berücksichtigung möglicher (digitalen) Spaltungstendenzen. Auch hier liegen bisher nur wenige (deskriptive) Forschungsergebnisse z.B. zum Cyber-Bullying (Jäger/Fischer/Riebel 2007) mit aktueller Bedeutsamkeit. Insbesondere zu Fragen der Online-Durchführung von Präventionsprogrammen sowie die Verschränkung von Präsenz- und Online-Maßnahmen in medienpädagogischen Handlungsfeldern in Online- Gemeinschaften besteht aktueller Forschungsbedarf.
Mit der Etablierung des draufhaber.tv Portals bietet sich forschungsmethodologisch außerdem die Chance, auch Längsschnitt-Designs mit Panel-Daten erheben zu können, da ein (unter Berücksichtigung der DFG-Grundsätze zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis) für Forschungsanalysen vollständiger Zugang zu den Daten ermöglicht wird.

  • Heintze, B. (2000). Gemeinschaft ohne Nähe? In: Thiedeke, U. (Hrsg.): Virtuelle Gruppen, Wiesbaden, S.180 – 210.
  • Initiative-D21. (2008). (N)Onliner Atlas 2008: Initiative D21 &TNS Emnid. Jäger, R. S., Fischer, U. & Riebel, J. (2007). Mobbing bei Schülerinnen und Schülern der Bundesrepublik Deutschland. Die Sicht von Lehrkräften – ein Erkundungsstudie. Zentrum für empirische pädagogische Forschung, Universität Koblenz-Landau.
  • Riel, M. & Polin, L. (2004). Online Learning Communities – Common Ground and Critical Differences in Designing Technical Environments. In: Barab, S. A., Kling, R. & Gray, J. H. (Hrsg.): Designing for Virtual Communities in the Service of Learning, Cambridge, S. 16- 50.
  • Schoen, S. (2001). Gestaltung und Unterstützung von Communities of Practice, München.
  • Servon, L. J. (2002). Bridging the Digital Divide: Technology, Community, and Public Policy. Malden, MA: Blackwell.
  • Warschauer, M. (2003). Technology and Social Inclusion: Rethinking the Digital Divide. Cambridge, MA: MIT Press.
  • Wenger, E. C., McDermott, R. & Snyder, W. M. (2002). Cultivating Communities of Practice, Boston, Massachusetts.
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