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RV04: : „Lässt sich ‚Heterogenität‘ im Klassenzimmer beobachten und was sieht man, wenn man so guckt?“

Frage 1: Wie begründen die Autor*innen, dass sie nicht ‚Differenz‘, sondern ‚Praktiken der Differenzierung untersuchen wollen? Können Sie hier auch Bezüge zur Einführungsvorlesung über ‚Heterogenität‘ herstellen?

Nadine Rose und Anna Gerkmann argumentieren, dass die Untersuchung von Differenzen nicht zentral ist, da diese bereits gegeben sind und es nicht von Belang ist, mit welchen Merkmalen bzw. Voraussetzungen die Schüler*innen ausgestattet sind. Interessant ist eher, wie und warum Schüler*innen auf Differenzen reagieren und wie es überhaupt zu Praktiken der Differenzierung kommt, da die Differenzen selbst schon bekannt sind, die Konstruktion dieser aber nicht. Differenzierungen entstehen nämlich erst, wenn es einen ständigen Vergleich zu einer Norm gibt, in diesem Fall ‚Routinen‘ oder ‚Normalitäten‘, von denen aus Abweichungen abgegrenzt werden. Demnach handelt es sich auch hier um ein Konstrukt, welches zeigt, wie genau sich Heterogenität in der Schule erkenntlich macht, wie sie entsteht und wie auf sie reagiert wird.

 

Frage 2: Die Studie befasst sich mit individualisiertem Unterricht in der Sekundarschule und analysiert Kommunikationsprozesse zwischen Schüler*innen in der Gruppenarbeit im Projektunterricht. Inwiefern spiegelt sich in diesen Prozessen die „soziale Konstruktion von Leistungen“ wieder? Anders gefragt: Wie stellen die Schüler*innen leistungsbezogene Differenz her?

Die Studie zeigt, dass mehrere Faktoren dazu führen, dass die Schüler*innen leistungsbezogene Differenzen untereinander herstellen. Zum einen kristallisieren sich sowohl in Klasse P als auch in Klasse Q „leistungsstärkere“ Schülerinnen heraus, die die Aufgaben in die Hand nehmen und Dominanz in der Gruppe aufbauen, während andere Gruppenmitglieder kaum dazu steuern oder bloß den Schein wahren, produktiv zu sein. Diese gelten somit dann als „leistungsschwächer“. Im Vordergrund steht also nicht, den eigentlichen Sinn der Gruppenarbeit zu erfüllen, sondern einen Weg zu finden, das beste Ergebnis zu erzielen, wodurch hierarchische Verhältnisse entstehen. Dies wurde insbesondere in Klasse Q ersichtlich, wo eine Person sich isoliert von den anderen Mitgliedern als verantwortlich für die komplette Gruppenarbeit zeigt und selbst Kollegialität nichts an der Orientierung an der Leistungsnorm änderte, was bei der Klasse P nicht der Fall ist.

 

 

Frage 3: Erläutern Sie, inwiefern sich die von Rose und Gerkmann festgehaltenen Beobachtungen von schultypischen Differenzierungen (nicht nur bezogen auf Leistung) innerhalb von Gruppenarbeiten mit Ihren eigenen Erfahrungen decken. Diskutieren Sie Ihre eigenen Erfahrungen vor dem Hintergrund des Textes!

Auch in meiner Schulzeit haben sich Leistungsdifferenzierungen herausgebildet, was sich auch in Gruppenarbeiten zeigte, wo als „leistungsstärkere“ Schüler*innen die Arbeit auf sich zentriert haben und oft als Verantwortliche agierten. Dies zeigte sich auch bei der Gruppenwahl, bei der Gruppen mit eben diesen Schülern besonders beliebt waren und automatisch mit einem guten Ergebnis assoziiert wurden, während Gruppen mit „leistungsschwächeren“ offensichtlich gemieden wurden, so dass die Lehrer*innen teilweise eingreifen mussten und Schüler auf Gruppen zuteilen mussten, ähnlich wie in Klasse P, wo der Lehrer die Arbeit mit den männlichen Mitgliedern als Zumutung darstellte und die Schülerinnen darum bitten musste, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Diese Art von geschlechtlicher Differenzierung konnte ich besonders in den ersten Schuljahren an der Sekundarschule beobachten. Auch Kollegialität spielte in der Gruppenbildung eine große Rolle. So war es wahrscheinlicher für Schüler*innen mit sozialen Kontakten in der Klasse direkt eine Gruppe zu formieren, während Schüler*innen, die sowas nicht vorweisen konnten oft ausgegrenzt wurden.