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Dialog im Dunkeln

2016 besuchte ich das erste Mal mit meinen Cousinen und meiner Schwester das Dialoghaus in Hamburg. Im Dialoghaus werden zwei Ausstellungen angeboten: „Dialog im Dunkeln“ und „Dialog im Stillen“. Wir besuchten die Ausstellung „Dialog im Dunkeln“, in der man verschiedene Alltagssituationen als eine blinde oder sehbeeinträchtigte Person bewältigt. Geführt wird man durch die gesamte Ausstellung von einer tatsächlich blinden oder sehbehinderten Person. Wir waren in einer Gruppe insgesamt acht Leute, jeder von uns hat einen Langstock für die Orientierung zugestellt bekommen. Die gesamte Ausstellung war stockdunkel, sodass wir nichts sehen sondern nur hören und fühlen konnten. Die Ausstellung ging ca. 90 Minuten, wir wurden mit unterschiedlichen Alltagssituationen wie das Überqueren einer Straße, Spazieren durch einen Park, eine Bootsfahrt und ein Besuch in der Dunkel-Bar konfrontiert (vgl. https://dialog-in-hamburg.de/erlebnisausstellungen/dialog-im-dunkeln/)

Während der gesamten Ausstellung war ich auf den Führer angewiesen und habe mich oftmals hilflos gefühlt, da ich große Schwierigkeiten mit der Orientierung hatte. Uns wurde selbstverständlich geholfen wenn wir mal gestolpert und runtergefallen sind oder uns verloren haben. Die Atmosphäre war sehr entspannt, da der Führer sehr sympathisch und freundlich war. Er hat uns viele Fragen bezüglich seiner Beeinträchtigung bzw. Bereicherung und seinen Umgang im Alltags beantwortet. 

Nach der Ausstellung hat sich meine Einstellung gegenüber blinden oder sehbeeinträchtigten Personen stark verändert. Ich hatte zuvor keinen Bezug, geschweige denn Wissen über das Leben eines Blinden und habe sie zugegebenermaßen oft bemitleidet. Ich dachte immer sie wären auf uns angewiesen, dabei war ich in der gesamten Ausstellung auf sie angewiesen und könnte wahrscheinlich ohne den Führer meinen Weg gar nicht mehr rausfinden. Dieser Perspektivwechsel hat nicht nur meine Einstellung im Hinblick auf sozial beeinträchtigte Personen, sondern ebenfalls meinen Studiengang beeinflusst. Zu dem Zeitpunkt befand ich mich im Abitur und wollte danach auf jeden Fall Blinden,- und Sehbehindertenpädagogik studieren. Da dieser Studiengang nicht in Bremen angeboten wird, wurde ich auf das Fach Inklusive Pädagogik aufmerksam.

In Bezug auf Literatur besagen Baar und Schönknecht (2018), dass der Bezug zur Lebenswelt für die Allgemeinbildung der SchülerInnen erforderlich sei. Die Schule ist der Allgemeinbildung verpflichtet und muss den SchülerInnen somit die Auseinandersetzung mit der Welt gewähren (vgl. S. 11ff). „Verschiedene Arten des Lernens, wie problemlösendes, handlungsorientiertes und situiertes Lernen können in besonderer Weise an außerschulischen Lernorten realisiert werden“ (ebd. S. 12). Da die Lebenswelt der SchülerInnen von Diversität und Heterogenität geprägt ist, gelingt es durch außerschulischen Lernorten besonders gut, das Erfarhungsspektrum zu erweitern und „das bislang Fremde zu begreifen und zu verstehen“ (ebd.). 

In der Ausstellung werden SchülerInnen einen Einblick in den Alltag einer blinden oder sehbeeinträchtigten Personen gewinnen können. Diese Erfahrung wird sie, wie in der Literatur beschrieben, das Fremde verstehen lassen und ihren Horizont erweitern. Um sich bestimmte Dinge einprägen zu können, reicht die Theorie allein nicht aus. Der Bezug zur Praxis ist in allen Lebensbereichen relevant um sich wirklich in das Fremde hineinversetzen und gegenseitiges Verständnis, Akzeptanz und Respekt vor dem Anderen verspüren zu können (vgl. Ebd.). Ich hätte diverse Bücher lesen, Dokumentationen oder Interviews anschauen können, jedoch würde ich blinde oder sehbeeinträchtigte Menschen und ihren Umgang mit dem Alltagssituationen ohne die tatsächliche Erfahrung gemacht zu haben, nicht nachvollziehen können.  

Das Dialoghaus fördert und vermittelt inklusive Werte, ermöglicht einen Perspektivwechsel und erweitert den Erfahrungshorizont, weshalb sich die Ausstellung definitiv lohnen und für einen außerschulischen Lernort eignen würde. Der Preis liegt für Führungen für Schulklassen bei 11,50 Euro pro SchülerIn im Klassenverband. Für zwei Begleitpersonen ist der Eintritt frei. 

Literatur:

Baar, Robert; Schönknecht, Gudrun (2018): Außerschulische Lernorte didaktische und methodische Grundlagen. Weinheim: Beltz.

Dialog im Dunkeln: https://dialog-in-hamburg.de/erlebnisausstellungen/dialog-im-dunkeln/