Spielend lernen – wo denn?

14. November 2006

Bevor wir uns dem Thema “Serious Games” widmen, möchte ich doch erstmal mit Ihnen ein wenig Überblick schaffen.

– Was gibt es denn überhaupt für Spiele?
– Welche Spiele verkaufen sich besonders gut?
– Was spielen Sie denn gerne?
– Was sind sogenannte “Browserspiele”
– Können Sie Beispiele für kostenlose “casual games” finden?

Einiges Diskursierendes – Dumm, Dümmer, am Dümmsten

14. November 2006

Allgemein beschäftigt sich die Medienwirkungsforschung mit dem aktuellen Thema “Machen Computerspiele dumm”.

Ein netter Blogeintrag findet sich dazu bei Herbert Hertramph an der Uni Ulm:

So sind die Resultate der Studie weder neu noch überraschend. Dass Faktoren wie soziale Umgebung oder Förderung durch das Elternhaus wichtiger für Lernerfolge sind als ein technisches Gerät – wer hätte je etwas anderes behauptet? Dass das bloße Lernen einer Textverarbeitung in der Schule (wie „Word“) keine besseren Berufsperspektiven gibt – das lag auch schon zuvor auf der Hand. Dass in den Schulen, aus ganz unterschiedlichen Gründen, die Computerausstattung nicht effizient eingesetzt wird – welcher Praktiker wäre da anderer Meinung? Und dass andere Lehr-/Lernmethoden wie z. B. fächerübergreifender Unterricht (allerdings nicht der in der Studie erwähnte Frontalunterricht) stärke Lerneffekte für den Schüler bringen kann, als ein Vokabeltrainer – auch das ist einleuchtend. …

Und zu einem Bericht des ZDF-Magazins frontal kann man an selbiger Stelle auch weiterlesen.

Zu ähnlichen Schlüssen kommt auch Prof. Gabi Reinmann an der Uni Augsburg.

Schulen ans Netz muss natürlich auch Stellung dazu beziehen, werden sie doch frontal angegriffen, und schreiben:

Zugang zu und Verfügbarkeit von Computern haben also für sich genommen keinen positiven Effekt auf die schulischen Leistungen, wie sie PISA misst. Dass eine besonders häufige Nutzung von Computern Jugendliche nicht klüger macht, verwundert auch wenig. Ein anderes Bild jedoch ergibt sich, wenn man betrachtet, wozu Computer genutzt werden: Die Jugendlichen, die die heimischen Computer für das Versenden und Empfangen von Mails, die Informationssuche im Internet oder den Gebrauch von Lernsoftware nutzen, so weisen Fuchs und Wößmann nach, haben auch bessere Ergebnisse in den PISA-Testaufgaben.

Wobei man natürlich wieder davon ausgehen kann, dass Jugendliche, die genau das machen (Mails, Infosuche, Lernsoftware) auch wieder einen ganz anderen sozio-ökonomischen Background haben, der insbesondere Deutschland so wichtig ist für die Schulleistung.

Was gibt es noch außer der flüchtigen Rezeption von Untersuchungen in der Presse? Bücher, wie z.B. von Prof. Manfred Spitzer – wir werden auf diese Diskussion nochmal später zurückkommen (Lernwirksamkeit von Simulationen).

PS: Aktuelles zur Medienwirkungsforschung findet sich übrigend z.B. bei Medieninfo Bayern (staatliche Einrichtung) sowie unter diesem Link (Tagung Clash of Realities in Köln, insbesondere erster Vortrag) sowie hier (Tagung “Machen Computer dumm?” in Villingen-Schwenningen).

Videospieler: dumm und süchtig?

7. November 2006

Tja, den Videospielern geht es schlimmer als den Rauchern, bzw. den Computernutzern an sich:

PISA-Analyse: positiv

PISA-Re-Analyse: negativ (aufgegriffen vom Spiegel Online und FAZ.net)

Analyse der Re-Analyse: abwertend

Was finden Sie im Netz zum Thema? Haben Sie eigene Beobachtungen gemacht?

Was ich schlecht an solchen Beiträgen finde…

7. November 2006

Letzte Woche war in der ZEIT ein Artikel mit dem Titel Spiele ohne Grenzen. Leider sind Journalisten forschungsmethodologisch scheinbar so schlecht ausgebildet, dass der Aussagewert des Artikels sehr gering ist und die meisten Aussagen falsch oder zumindestens irreführend sind!

Bevor ich zu einer inhaltlichen Analyse übergehe, stelle ich mal eine zunächst etwas provokante Frage. Wenn z.B. der Nobelpreis für Physik verliehen wird, dann schreibt darüber ein Wissenschaftsredakteur, der zusätzlich zu seiner Journalismusausbildung meist eine naturwissenschaftliches Studium absolviert hat.

Warum darf aber jeder über erziehungswissenschaftliche Forschung und Medienwirkungsforschung schreiben, z.B. ein ehemaliger Literaturredakteur (Info über den Autor unter hier sowie da), obwohl anscheinend das methodische Rüstzeug fehlt?

Das soll nun nicht heißen, dass nur Personen mit dem entsprechenden Methoden-Know-How zu dem Thema schreiben dürfen und sollen – nein, natürlich brauchen wir einen breiten Diskurs in der Gesellschaft, z.B. zu den Fragen “Wieviel Gewalt wollen wir in den Medien haben?” oder “Sollten Erwachsene auf ihren Zugriff auf Gewaltmedien verzichten, damit Jugendliche und Kinder nicht auf Umwege an sie herankommen?”. Denn da geht es nicht um “objektive” Forschung sondern auch um die Setzung von Normen. Unerträglich ist es jedoch, wenn Ergebnisse von Studien so verbogen werden, dass sie passend zur eigenen Meinung und Position sind und dem Leser als Beweis vorgelegt werden bzw. wie in diesem Fall, Themen vermischt sowie Aussagen von Wissenschaftlern unkritisch übernommen werden.

Noch schlimmer wird die Sache gerade weil die Sache so ernst ist. Solche Artikel zwingen Wissenschaftler dazu, erstmal den Wahrheitsgehalt des Artikels herauszuarbeiten, was sie sofort aus den Augen der interessierten Öffentlichkeit zu Verteidigern von (in diesem Fall) unterträglicher Gewalt in Videospielen macht.

So, genug zur Vorrede, jetzt mal zum Artikel. Direkt unter der Überschrift “Spiele ohne Grenzen” heißt es: “Je öfter ein Kind am Computer ballert, desto schlechter die Schulnoten, zeigt eine neue Studie. Die Spiele lassen eine Generation von Jungs verwahrlosen.”
Aha! Das ist interessant. Gibt es eine neue Studie, die eine Kausalwirkung von “Ballerspielen” auf die Schulnoten beweist? Gibt es eine Studie, die zeigen, dass das Spielen besonders brutaler Spiele zu einer Verwahrlosung führt? Lesen wir weiter im Text:

Der Artikel beginnt mit den Beschreibungen expliziter (und abstoßender) Gewalthandlungen in den Spielen GTA – San Andreas (USK ab 16), Backyard Wrestling (USK ab 16) sowie Der Pate (USK ab 18). Der Autor argumentiert, das seines Erachtens nach diese Spiele ob ihrer Gewalt auf den Index gehören und nicht verkauft werden sollten. Das ist ein (nachvollziehbarer) Standpunkt. Besonders bedenklich wird es, wenn man bedenkt, wer diese Spiele alle spielt. Hier kommt nun der informativste Teil des Beitrages – deskriptive Statistik ist halt doch am wenigsten falsch zu interpretieren:

Wie verbreitet die Spiele sind, untersuchte das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) in einer bundesweiten Umfrage unter 6000 Viertklässlern und 17.000 Neuntklässlern. Das Team des bekannten Kriminologen Christian Pfeiffer fand heraus, dass nahezu jeder zweite Junge im Alter von zehn Jahren bereits über eigene Erfahrungen mit Computerspielen verfügt, die erst ab 16 freigegeben sind. Jeder fünfte dieser Viertklässler spielte so ein Spiel zum Zeitpunkt der anonymen Befragung. Bei den 14- bis 15-Jährigen zeigt sich ein noch extremerer Befund: Vier Fünftel von ihnen spielen zumindest gelegentlich und jeder Dritte spielt sogar häufig Computerspiele, die erst für Erwachsene erlaubt sind.

Im Original liest sich das natürlich differenzierter.

Deutlich wird hier, dass der Jugendschutz nicht wirksam ist: Kinder und Jugendliche können Medien konsumieren, die nicht für sie bestimmt sind. Ein wichtiges Ergebnis der Studie.

Jetzt macht der Autor einen Sprung: “Wir wissen, dass Killer- und Folterspiele Nachahmungstaten anregen.” Aha! Denn, so Herr Lau: Kimveer Gills Lieblingsspiel war Super Columbine Massacre RPG – sicherlich ist dabei zu diskutieren, inwieweit dieses Spiel die Satire ist, die ihr Autor angeblich beabsichtigte, und ob das ganze nicht einfach nur geschmacklos ist. Zu lernen war dabei aber nichts, außer das die beiden Shooter zum Schluß im Orginalfoto tot auf dem Boden liegen. Robert Steinhäuser, der Amok(?)läufer aus Erfurt, so Lau, “der seine Nachmittage mit Ego-Shooter-Spielen verdaddelte”, ermordete “16 Menschen an seiner Schule, genau wie er es spielend gelernt hatte”. Trotz aller Lerneffekte von Computerspielen hat er das Schießen als Sportschütze im Erfurter Polizeisportverein gelernt. Bleibt die Frage, ob die Spiele zu einer Abstumpfung und größeren Gewaltbereitschaft geführt haben.

Während die Autoren der Originalstudie zusammenfassen: “Wir stellen fest: Entscheidend letztlich ist der Bildungsgrad der Eltern.” (siehe BLLV), übernimmt Lau lediglich die methodisch fragwürdige Kausalargumentation der Autoren und vermischt sie zusätzlich mit der Hypothese, dass das Spielen von Gewalttiteln zu einem weiteren Absinken der Leistung führt.

Die These von Pfeiffer lautet:

Je mehr Zeit Kinder mit Computerspielen verbringen und je brutaler die Inhalte sind, desto schlechter sind die Schulnoten. Dies betrifft vor allem Jungen, weil sie doppelt bis dreimal so viel spielen und brutalere Inhalte bevorzugen.

Kritisch wird das z.B. in der telepolis reflektiert:

Die ungeklärte Frage ist, ob die Verbindung zwischen Medienausstattung, Medienkonsum, Gewaltdarstellungen und Schulleistung direkt gekoppelt. Vermutlich dürfte der längere Medienkonsum stärker für das Absinken der Schulleistungen verantwortlich sein als die Gewaltdarstellungen. Nach der Befragung schneiden jedoch die Schüler im Klassendurchschnitt am schlechtesten ab, die stärker für sie nicht freigegebene Filme sehen oder solche Computerspiele nutzen.

Allerdings kommt noch ein weiteres, wichtiges Moment mit der Schulausbildung der Eltern hinzu. So könnte das in der PISA-Untersuchung festgestellte Nord/Süd-Gefälle bei den Schulnoten auch eine Folge der unterschiedlichen Einwohnerschichten sein. Ist in München das Bildungsniveau bei den Viertklässlern zu 52,8 Prozent hoch, so beispielsweise in Dortmund nur zu 24,7 Prozent. Bei den Neuntklässlern zeigte sich, dass die Arbeitslosigkeit und relative Armut in Dortmund gleichfalls sehr viel höher liegt. In Dortmund verbringen die Jungen an einem Schultag 3,3 Stunden mit Fernsehen und Computerspielen, in München nur 1,8 Stunden. In Dortmund empfehlen die Lehrer 29,9 Prozent der Jungen und 38,4 Prozent der Mädchen den Besuch des Gymnasiums, in München 48,5 Prozent der Jungen und 51,2 Prozent der Mädchen. Natürlich sind die Kinder von Eltern mit hohem Bildungshintergrund ganz allgemein in der Schule besser als Kinder von Eltern mit geringer Ausbildung.

Pfeiffer und Kollegen führen die schlechteren Schulleistungen der Jungen, der Schüler aus den nördlichen Bundesländer und mit Eltern, die ein geringeres Ausbildungsniveau haben, primär auf den gesteigerten Medienkonsum zurück, das alleine schon viel Zeit von der Beschäftigung mit Schulinhalten und anderen Tätigkeiten abzieht. Dazu gesellt sich weniger Bewegung, was Auswirkungen auf Kognition, Gewicht und Leistungsfähigkeit haben kann. Angeblich wird nach neurowissenschaftlichen Erkenntnissen in jungem Alter die Durchblutung des Gehirns und die Plastizität der Gehirnzellen durch Sport begünstigt. Starke emotionale Erfahrungen können auch, so spekulieren die Wissenschaftler, Lernprozesse beeinträchtigen und Vergesslichkeit von aktuell Gelerntem fördern. Sie weisen zudem auf mögliche Verbindungen zwischen Medienkonsum und dem Auftreten von Aufmerksamkeitsstörungen hin.

Eines ist klar aus der Studie herauszulesen: wir wissen aus der Studie deutlich mehr darüber, was Kinder und Jugendliche aus bildungsfernen Schichten nachmittags machen als die Kinder aus der Mittelschicht: stumpf, kostengünstig und platzsparend vor der Konsole geparkt sein. Ob nun der Zugriff auf besonders gewalttätige Spiele zu einer kausalen Verschlechterung der Schulleistung beiträgt, oder sie nur eine weitere Kovariate eines möglichen Faktors “Bildungsferne der Eltern” oder “Mangelnde Betreuung” ist, kann anhand der vorgelegten Auswertung nicht gesagt werden. So unglaublich es auch klingen mag: anhand der bisher vorgelegten Auswertung und dem Querschnittsdesign ist leider nicht abzuleiten, ob die betroffenen Schüler aus den bildungsfernen Schichten nun schlechter durch die Konsole sind, oder ob sie vielleicht ohne die Konsolen noch schlechter wären. Klar liegt der Verdacht nahe, aber dann bitte differenziert argumentieren.
Um mal abschließend auf dem Niveau des Autors zu argumentieren:
Violence goes down with increase of videogaming Siehe (Schein)korrelationen zum Thema Videospiel und Aggressionen.

Mögliche Diskussionsaufgaben wären dazu:

  • Wie kann die Kausalbehauptung von der Forschungsgruppe um Pfeiffer geprüft werden?
  • Wie könnten die Aussagen durch eine Mehrebenenanalyse geschärft werden?

Mehr zu lesen gibt es hier:

Beispiel für einen tollen Blog

1. November 2006

Wie schreibt man denn nun so richtig tolle Blog-Beiträge? Ein schönes Beispiel finden Sie bei meinem Mitarbeiter, Herrn Helge Städtler. Einfach mal auf sein Blog schauen!

Material von den Produzenten

1. November 2006

Electronic Arts, der erfolgreichste Hersteller von Videospielen, hat einige Studien in Auftrag gegeben, diese findet man auf dieser Seite. Klar ist: das sind zunächst einmal Auftragsstudien. Spannend ist die Literaturdatenbank zum Thema Wirkungsforschung. Die geht ja nur bis 2004! Finden wir neuere Untersuchungen? Z.B. mit Hilfe von Google Scholar.

LV Simulationen und serious games in der Aus- und Weiterbildung

23. October 2006

Liebe SeminarteilnehmerInnen,

willkommen zu meinem Seminar! Hier finden Sie die aktuellen Informationen zu der Veranstaltung “Simulationen und serious games in der Aus- und Weiterbildung”. Kurz nochmal zur Erinnerung der Text aus dem Kommentar:

Im Bereich der Aus- und Weiterbildung sowie des „Nachmittagsmarktes“ werden zunehmend Lernsoftware mit Simulationscharakter eingesetzt. Ein bekanntes Beispiel sind Flugsimulatoren für die Ausbidung von Piloten. Im Managementbereich arbeitet man mit so genannten „management flight simulations“. Man erhofft sich dadurch u.A. eine größere Motivation bei den Lernenden, bessere Lerntransfers und Vermittlung komplexer Kompetenzen.

In diesem Seminar soll der Frage nachgegangen werden, wie Simulationen in Unterrichtsprozesse eingebunden werden können, welche Lernziele Simulationen befördern können und ob auch der Einsatz von Spielen (insbesondere sogenannte „serious games“) sinnvoll sein kann bzw. welche Spiele durch geringe Adaption nutzbar gemacht werden könnten (z.B. Nutzung von Mods).

Abschließend wird ein „teaching flight simulator“ prototypisch konzipiert und implementiert.
Die TeilnehmerInnen sollen nach dem Seminar:

  • Die didaktischen Ideen und Wirkungsmechanismen beim Einsatz von Spielen in Lehr-Lern-Prozessen verstehen, wiedergeben und kritisch reflektieren können;
  • Unterscheiden können zwischen Lernen im, am und vom Modell;
  • Gestaltungskriterien für Lernsimulationen in Abhängigkeit von Lernzielen entwickeln und begründen können;
  • Die didaktische Qualität von Simulationen und Spielen kriterienorientiert beurteilen können;
  • Prototypische Gestaltungs- und Adaptionsideen für Lernsimulationen entwickeln und präsentieren können;
  • Didaktische Konzeptionen (Unterrichtsentwürfe) für die Einbindung von Simulationen entwickeln und beurteilen können.

Soweit die Vorankündigung! Da ich wieder mit vielen TeilnehmerInnen rechne, werde ich in dieser Veranstaltung Blogs einsetzen, dazu gibt es morgen in der Veranstaltung die nötigen Informationen.

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