Zeit für die nächste Stufe – Aktives Lernen planen und fördern mit dem ICAP-Modell

Das Bild zeigt Beine, die eine Treppe hinaufgehen.

von Julie Direnga – Bild: Mart Production / Pexels (ergänzt durch Julie Direnga)

Dass Studierende sich aktiv mit dem Lernstoff auseinandersetzen müssen, um ihn zu durchdringen ist inzwischen hinreichend durch Studien und Metaanalysen belegt (z.B. Freeman et al., 2014). Aktives Lernen gilt somit als generell wirksamer als passives Lernen. Doch was genau verstehen wir eigentlich unter „aktivem Lernen“? Wie genau können Lehrpersonen die kognitiven Verarbeitungsprozesse am besten fördern? Und kann man eigentlich „passiv lernen“?

Das ICAP-Modell

Ein Versuch den Begriff zu schärfen kommt von Chi und Wylie (2014) mit dem ICAP-Modell. Das Modell beschreibt Lernen mittels einer vierstufigen Taxonomie. Unter Berücksichtigung von zwei Kriterien – des sichtbaren Verhaltens und des erzeugten Outputs der Lernenden – lässt sich jede Lernhandlung einer der folgenden Stufen zuordnen: Interaktiv (I), Konstruktiv (C), Aktiv (A), und Passiv (P).

Schäfle und Dölling (2025) beschreiben diese Stufen wie folgt:

Passiv (P): Studierende lernen auf der passiven Stufe (P), wenn sie der Lernaufgabe zugewandt sind, aber keine äußerlich erkennbaren Handlungen ausführen. Ein Beispiel hierfür ist, wenn Studierende der Lehrperson aufmerksam zuhören (attending), einen Text lesen, ohne weitere Tätigkeiten auszuführen, aber auch, wenn sie Feedback erhalten. In diesem Fall nehmen sie lediglich Informationen auf (receiving) und produzieren keinen Output.

Aktiv (A): Auf der aktiven Stufe (A) beinhalten Lernhandlungen keine tiefere Auseinandersetzung mit dem Lernstoff. Hierzu gehört zum Beispiel das wortwörtliche Mitschreiben der Lehrinhalte, das Unterstreichen wichtiger Stellen im Text oder das Zuordnen von Informationen (manipulating). In dieser Stufe wird der vorhandene Inhalt lediglich reproduziert oder organisiert.

Konstruktiv (C): Lernende befinden sich auf der konstruktiven Stufe (C), wenn sie nicht nur Handlungen ausführen, sondern auch neue Informationen generieren, die über den bereits vorhandenen Stoff hinausgehen. Ein Beispiel hierfür wäre, wenn eine Studentin ein technisches Problem analysiert, einen passenden Graphen skizziert und weiterführende Berechnungen und Abschätzungen vornimmt (generating).

Interaktiv (I): Die interaktive Stufe (I) wird erreicht, wenn Studierende in Kleingruppen konstruktiv zusammenarbeiten, sich dabei aufeinander beziehen und Informationen erzeugen, die über das hinausgehen, was jeder Einzelne allein produzieren könnte. Hier lernen Studierende, indem sie im Team Erklärungen austauschen, diskutieren und somit gemeinsam neues Wissen schaffen (co-generating). Insgesamt entsteht auf dieser Stufe viel Raum für Kreativität.

aus: Aktives Lernen in der Hochschullehre planen und fördern mit dem ICAP-Modell (BayZiel Series – Schriftenreihe zur Hochschullehre des Bayerischen Zentrums für Innovative Lehre), S. 9–10.

 
Die ICAP-Hypothese besagt, dass die Reihenfolge P < A < C < I einer Hierarchie folgt, sodass das Lernen mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit um so tiefer ist, je näher die Lernaktivität der Interaktiven Stufe kommt. Damit ist das Modell ein wertvolles Tool für Lehrende, um die Aktivitäten in ihren Lehrveranstaltungen zu analysieren, mit ihren Zielvorstellungen abzugleichen und bei Bedarf anzupassen. Kleine Veränderungen in den Lernaktivitäten können dabei eine große Wirkung in Bezug auf die Lerntiefe bewirken, insbesondere beim Upgrade von aktiven zu konstruktiven Lernhandlungen, wo der größte Zuwachs bei geringem Aufwand zu erwarten ist.

In der Praxis

Wie solch eine Anpassung gut gelingen kann, zeigen Schäfle und Dölling (2025) in ihrer interaktiven Handreichung zum ICAP-Modell für Hochschullehrende. Angereichert durch Reflexionsfragen und kleine Übungen zum Thema soll diese die Lehrenden unter anderem dabei unterstützen …

… unterschiedliche Lernhandlungen hinsichtlich des ICAP-Modells einzuordnen.

… Lernaufgaben zu entwickeln, die tieferes Lernen fördern.

… Lehrveranstaltungen zu planen im Hinblick auf die zu den Lernzielen passende Auswahl der Lernaufgaben.

Ein besonderer Fokus liegt hierbei auf der Wahl der in einer Lernaufgabe verwendeten Verben, denn je nach Wortwahl werden durch die Instruktionen mit hoher Wahrscheinlichkeit Lernhandlungen in bestimmten ICAP-Stufen ausgelöst. Betrachten Sie als Beispiel einmal die Verben „anschauen“, „notieren“ und „finden“: Während die Aufgabe „Schauen Sie sich das Lernvideo an“ sehr wahrscheinlich passives Lernverhalten (P) hervorruft, würde eine leichte Anpassung bereits zur aktiven Stufe (A) animieren: „Notieren Sie die drei wichtigsten Argumente im Lernvideo.“ Von dort ist es nicht mehr weit bis zur konstruktiven Stufe (C), zum Beispiel: „Finden Sie ein weiteres Argument, welches im Lernvideo nicht genannt wurde“.

Die Handreichung stellt neben den ICAP-Stufen zugeordneten Verblisten auch Planungs- sowie Beobachtungsbögen und anschauliche Beispiele zur Verfügung. Sie zeigt Möglichkeiten und Grenzen des Modells auf und geht mit einem sehr praxisorientierten Blick an die Lehre heran. Dabei wird betont, dass das ICAP-Modell nicht anstrebt, alle Lernaktivitäten auf die interaktive Stufe zu heben, sondern ein Reflexionstool darstellt, welches eine studierendenzentrierte Lehrplanung unterstützen kann.

Titelblatt der Broschüre "Aktives Lernen in der Hochschullehre planen und fördern mit dem ICAP-Modell" mit dem BayZiel-Logo
Titelblatt der Handreichung (Bild: BayZiel, Lizenz CC BY-SA 4.0)

Ist Ihre Lehre bereit für die nächste Stufe? Dann geht es hier direkt zur Handreichung.

Literatur

Schäfle, Claudia; Dölling, Hanna (2025). Aktives Lernen in der Hochschullehre planen und fördern mit dem ICAP-Modell. BayZiel Series – Schriftenreihe zur Hochschullehre des Bayerischen Zentrums für Innovative Lehre. (lizensiert unter CC BY-SA 4.0)

Chi, Michelene T.H.; Wylie, Ruth: The ICAP Framework: Linking Cognitive Engagement to Active Learning Outcomes, in: Educational Psychologist 49/4 (2014), S. 219–243.

Freemann, Scott et al.: Active Learning Increases Student Performance in Science, Engineering, and Mathematics, in: Proceedings of the National Academy of Sciences 111/23 (2014), S. 8410–8415.

Lizensiert unter Namensnennung-Share Alike 4.0 International (CC BY-SA)

Zitiervorschlag:
Schäfle, Claudia; Dölling, Hanna (2025). Aktives Lernen in der Hochschullehre planen und fördern mit dem ICAP-Modell. BayZiel Series – Schriftenreihe zur Hochschullehre des Bayerischen Zentrums für Innovative Lehre. https://bayziel.de/wp-content/uploads/BayZiel_Series1_ICAP.pdf, abgerufen am 29.09.25.
Lizensiert unter CC BY-SA 4.0, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/legalcode.de

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