Gegenstandsbeschreibung – Leonie Noss

Für viele Menschen bin ich ein Gegenstand, mit dem sie ihre Gedanken oder innere Gefühlswelt ausdrücken. Ich werde in vielerlei Hinsicht genutzt. Ich komme in den unterschiedlichsten Formen, Größen und Farben, damit für alle etwas dabei ist und sie die Möglichkeit haben, das entstehen zu lassen, was sie möchten. Die Geschichte von mir ist lang. Genutzt von den größten Künstlern wie Leonardo Da Vinci, Van Gogh oder Monet. Durch Pinsel wie mich, entstanden Gemälde wie die Mona Lisa. Unglaublich oder? Gleichzeitig kann ich auch von Kindern im Kunstunterricht genutzt werden, die in dem Moment, in dem sie mich in ihren kleinen Händen halten, zu den größten Künstler:innen werden. Da ich sehr lang bin, werde ich aber wohl eher von Erwachsenen Menschen genutzt, um Kunst zu erschaffen. Ich sehe sehr sauber aus und es wird sich sehr gut um mich gekümmert. Wenn ich die anderen Pinsel anschaue, mit denen ich hergekommen bin, bin ich ganz glücklich darüber. Die anderen sind sehr stark mit Farbe beschmutzt und vertrocknet, weil ihre Besitzer:innen entweder keine Lust haben, ihre Pinsel nach dem Benutzen zu waschen, oder weil sie einfach nicht wussten, wie schnell die Farbe trocknet und sie am nächsten Tag bestürzt auf ihre ruinierten Pinsel schauen. Ehrlicherweise ist es aber auch beneidenswert, so oft für Kunst genutzt zu werden, bis man die Spuren der Bilder und deren Geschichte in meinem Griff und den Borsten erkennen kann. Dadurch würde ich doch auch eine Geschichte erzählen oder nicht?

Es wäre sicherlich eine Tortur, Besitz von Da Vinci gewesen zu sein. Wie viele Pinsel er wohl schon in seinem Leben verbraucht hatte?

Erstaunlich ist es, wie viele Gefühle in Menschen hervorkommen, wenn ich genutzt werde und durch mich ein einzigartiges Bild entsteht. Leider wurde ich noch nicht so viel von der Person benutzt, aber vielleicht entwickelt die Person ja doch noch ein Interesse, mit mir etwas einzigartiges entstehen zu lassen.

Würde man mich heute so herstellen wie früher, dann wäre ich sicherlich unglaublich teuer. Soweit ich weiß, wurden früher Haare als Pinselspitze genutzt und nichts synthetisches, wie heute. Und der Stiel wurde aus Holz angefertigt. Hätte man mich so hergestellt, sähe ich heute sicherlich sehr viel eleganter aus. Auf meinem Haltestab, steht die Nummer 9 oder 6, je nachdem wie rum man es liest. Ich glaube, dass soll die Dicke meiner Borsten festlegen, genau so wie auf Bleistiften z.B. HB oder B6 steht.

Meine weißen Borsten sind nicht gut zugeschnitten und fühlen sich sehr nach Plastik an. Ob ich damit überhaupt gut Farbe aufnehmen kann? Manche Borsten stehen sogar ab und könnten unnötige Striche verursachen. Der Stab zum halten sieht auf dem ersten Blick aus wie Plastik, ist aber sehr wahrscheinlich Holz, welches mit schwarzer Farbe übermalt wurde. Vielleicht hätte man mich einfach in meiner Holzfarbe lassen sollen, damit mehr Leute Interesse an mir hätten.

Gerne würde ich einmal mit einem alten Pinsel eines großen Künstlers der Renaissance reden. Wie waren sie in der Lage, solch große Gemälde zu Malen? Wie schnell wurden sie ausgetauscht und mit wie vielen Pinseln lebten sie zusammen? Es wäre sehr Interessant, aber ich glaube auch, dass es mich deprimieren würde, weil ich nichts desgleichen erleben werde oder könnte. Trotzdem gibt es heutzutage sehr viel mehr Menschen, die gerne Malen. Früher war der Zugang und die Fähigkeiten sehr begrenzt. Beispielsweise war es Frauen meist verwehrt, mich in den Händen zu halten. Dabei malen sie heutzutage doch so schöne Kunstwerke. Wenn ich die Bilder von Frieda Kahlo, Käthe Kollwitz oder Tina Blau betrachte, tun mir die Pinsel der vergangenen Zeit leid, dass sie nie erleben konnten, welch wundervolle Kunst durch Frauenhand entstehen kann.

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