Schlagwort: Verhalten

Work-Life-Balance – Ein Selbstläufer?

▶︎ von Elias Marks, Eila Daghighi Roohy, Esther Freese und Jil Höfker

Work-Life-Balance erhält zunehmend Aufmerksamkeit in Zeiten, in denen Vorgesetzte einen nach Feierabend noch mit WhatsApp-Nachrichten bombardieren können oder Online-Meetings um 22 Uhr stattfinden müssen, wenn Projektmitarbeiter:innen am anderen Ende der Welt sitzen. Work-Life-Balance-Programme zur Unterstützung von Mitarbeiter:innen existieren bereits, doch das allein reicht nicht, damit diese erfolgreich sind. Wie können die Programme von Führungskräften in der Praxis angewandt werden?

Ein Ehepaar sitzt am Frühstückstisch und plötzlich klingelt das berufliche Smartphone. Schon wird das Brot beiseite gelegt und der Ehemann hängt bereits am Telefon und versucht den englischsprachigen Anruf zu händeln – es gibt Probleme in der Logistik. Die Ehefrau schaut derweil in den Laptop. Zwischen all den neuen E-Mails ist vor allem eines von Bedeutung: Heute ist Deadline-Day! Nach einem kurzen Augenrollen ist zu hören, wie das gemeinsame Kind anscheinend aufgewacht ist und anfängt zu schreien.

Das beschreibt deinen Alltag? Herzlich willkommen in der Arbeitswelt, durchzogen von unvorhersehbaren Arbeitsabläufen, flexiblen Arbeitszeiten und vor allem ständiger Verfügbarkeit. Die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben wird in dieser Arbeitswelt eine immer größere Herausforderung. Nicht nur Arbeitnehmer:innen beschäftigen sich deshalb mit Work-Life-Balance, sondern auch Organisationen und Entscheidungsträger:innen setzen sich zunehmend damit auseinander. Viele Unternehmen versuchen den Mitarbeiter:innen mit freiwillig eingeleiteten Initiativen wie Home-Office-Möglichkeiten und flexiblen Arbeitszeiten zu helfen, eine bessere Balance zu erreichen. Entworfen und verabschiedet werden sie auf Organisationsebene, doch verwaltet werden sie durch Teamleiter:innen. Theoretisch gibt es also eine Vielzahl an Programmen, diese werden von den Teamleiter:innen in der Praxis jedoch oft nicht umgesetzt. Stellt sich damit die wichtige Frage: Welche Faktoren wirken sich auf das Verhalten der Teamleiter:innen aus, Work-Life-Balance-Programme  aktiv umzusetzen und Mitarbeiter:innen zu unterstützen?

Eine Antwort kann möglicherweise die Theory of planned behavior liefern, mit welcher das Verhalten von Teamleiter:innen erklärt werden kann. Doch was ist die Theory of planned behavior überhaupt?

Theory of planned behavior

Die Theory of planned behavior von Ajzen (1991) nimmt an, dass das Verhalten einer Person durch dessen Absicht, das Verhalten auszuführen, bestimmt ist. Absicht wird auch als unmittelbare „Vorstufe“ zur Verhaltensausführung beschrieben. Diese ergibt sich aus den eigenen Einstellungen hinsichtlich des Verhaltens, den subjektiven Normen und der wahrgenommenen Verhaltenskontrolle.

Unter Einstellung fasst Ajzen (1991) die persönliche Meinung einer Person dazu, ob ein bestimmtes Verhalten „gut” oder “schlecht“ ist. Subjektive Normen beschreiben die Überzeugungen von relevanten Gruppen, wie Familie, Freund*innen, Bekannte oder die Gesellschaft im Allgemeinen auf das spezifische Verhalten. Der letzte Faktor – die wahrgenommene Verhaltenskontrolle – wird definiert als die Wahrnehmung der eigenen Fähigkeit, ein bestimmtes Verhalten auszuführen. Es gilt: Je positiver die Einstellung und je größer die subjektive Norm und die wahrgenommene Verhaltenskontrolle, desto stärker ist die Absicht einer Person, das Verhalten auch auszuführen.

Und damit zurück zu den Teamleiter:innen. Sie haben einen erheblichen Einfluss auf die Nutzung der Programme, da sie engen Kontakt zu den Mitarbeiter:innen pflegen, die letztendlich von den Work-Life-Balance-Angeboten profitieren sollen. Auch Purcell et al. (2003) kommen in einer Längsschnittstudie zu diesem Ergebnis. Somit sind Teamleiter:innen das Bindeglied zwischen der strategischen Ebene und der operationalen Ebene.

How to: Mitarbeiter:innen zu einer gesunden Work-Life-Balance führen

Nach McCarthy, Darcy & Grady (2009) gibt es fünf Faktoren, welche bestimmen, wie Teamleiter:innen die Nutzung von Work-Life-Balance-Angeboten unterstützen können. Ihre Annahmen beruhen zum Teil bereits auf empirischen Befunden.

  1. Bewusstmachen aller Richtlinien und Programme zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben

Die Teamleiter:innen müssen das Work-Life-Balance-Programm kennen und auch wissen, wie dieses im Arbeitskontext implementiert werden kann. Das ist die Basis für die Absichten sowie das Verhalten der Teamleiter:innen.

  1. Persönliche Einstellung zu Work-Life-Balance-Programmen

Doch wie steht der:die Teamleiter:in eigentlich persönlich zu den Work-Life-Balance-Programmen? Gesetzt den Fall, dass der:die Teamleiter:in die Work-Life-Balance-Programme zwar kennt, aber selbst kaum nutzt und nicht als sinnvoll empfindet, so sind die Chancen hoch, dass sich diese Tendenz auf das Team überträgt. Der:Die Teamleiter:in muss mit gutem Beispiel vorangehen und aufzeigen, dass das Nutzen der Work-Life-Balance-Programme erlaubt und sogar erwünscht ist – dies zeigen auch Umfrageergebnisse von Casper et al. (2004).

  1. Wahrgenommene Wirksamkeit der Work-Life-Balance-Programme

Nun kann es sein, dass der:die Teamleiter:in prinzipiell die Work-Life-Balance- Programme gutheißt und auch selbst nutzen würde – aber dennoch nicht von der positiven Wirkung im wirtschaftlichen Sinne überzeugt ist. Teamleiter:innen sind nicht zuletzt (neben der physischen und psychischen Gesundheit der Mitarbeiter:innen) für die Performance ihrer Teams verantwortlich. Einige Teamleiter:innen zweifeln an, dass Work-Life-Balance-Programme die Performance der Mitarbeiter:innen positiv beeinflussen können. Die Teamleiter:innen sollten allerdings von der positiven Wirkung auf das Geschäft überzeugt sein.

  1. Nachfrage der Mitarbeiter:innen nach Work-Life-Balance-Programmen

Die Intentionen und das Verhalten der Teamleiter:innen sind auch abhängig von der Situation des Arbeitsmarktes. Diese ist gekennzeichnet durch hohe Anforderungen an die Arbeiternehmer:innen, einer Erhöhung der Rate von weiblichen Arbeitnehmerinnen und Familien, in denen beide Elternteile neben dem Familienleben ihre Karrieren verfolgen. Um diesen Anforderungen gerecht werden zu können, ist es beinahe unumgänglich, mehr Zeit für soziale Aktivitäten und Familienleben einzuräumen. Die Nachfrage nach Work-Life-Balance bewegt das Höhere Management der Unternehmen entsprechende Programme zu entwickeln. Dieses Umfeld stellt die subjektive Norm im Sinne der Theory of planned behavior dar und nimmt somit maßgeblich Einfluss auf die Absicht und das Verhalten der Teamleiter:innen.

  1. Wahrgenommene Kontrolle der Teamleiter:innen auf die Umsetzung der Work-Life-Balance-Programme

Teamleiter:innen können mit ihrem Verhalten einen Einfluss auf die Nutzung von Work-Life-Balance-Programmen haben. Nicht immer sind sie davon aber überzeugt. Die Absicht und das Verhalten sind jedoch dadurch geprägt, was die Teamleiter:innen selbst glauben bewirken zu können. Die wahrgenommene Kontrolle kann beispielsweise davon abhängig sein, inwiefern diese überhaupt in die Entwicklung der Work-Life-Balance-Programme einbezogen worden sind. Es ist empirisch belegt, dass die Beteiligung an der Entwicklung sich positiv auf die Wahrnehmung auswirkt (Maxwell, 2005). In diesem Fall haben Teamleiter:innen eher das Gefühl, dafür sorgen zu können, dass diese Programme auch Anwendung in ihren Teams finden.

Aber – Theorie ist nicht gleich Praxis

Natürlich ist die Theory of planned behavior nicht frei von Kritik und stößt in ihrer Aussagekraft an ihre Grenzen. Beispielsweise finden in der Theorie Gewohnheiten keine Berücksichtigung. Dies führt dazu, dass sie die praktische Umsetzung von Work-Life-Balance-Initiativen vereinfacht darstellt. Auch wenn Teamleiter:innen sich mit einer gesunden Work-Life-Balance auseinandersetzen und an deren Verbesserung arbeiten, hat das vergangene Handeln eine Auswirkung auf die Handlungen in der Gegenwart. Haben Teamleiter:innen beispielsweise in der Vergangenheit schlechte oder gar keine Erfahrungen mit Work-Life-Balance-Programmen gemacht, so kann dies einen Einfluss auf die Bereitschaft zur Umsetzung haben. Es zeigt sich also, dass die Theorie sich nicht eins zu eins auf die Praxis übertragen lässt.

Für konkrete Handlungsempfehlungen müssen die beschriebenen Faktoren noch wissenschaftlich geprüft werden. Welche der Faktoren beeinflusst das Verhalten von Teamleiter:innen besonders? Können die Absichten und Verhaltensweisen von Teamleiter:innen auch wirklich die Work-Life-Balance von Mitarbeiter:innen beeinflussen?

Und wenn die Umsetzung schließlich erfolgreich verläuft, stellt sich immer noch die wichtige Frage: Ist die Work-Life-Balance überhaupt ein Erfolgsgarant für Unternehmen und die Zufriedenheit ihrer Mitarbeiter:innen? Wahrscheinlich nicht. Die Wünsche und Bedürfnisse der Mitarbeiter:innen sind so komplex und vielfältig wie der Arbeitsmarkt selbst. Während die subjektive Zufriedenheit einiger Mitarbeiter:innen in keiner Weise von der Nutzung der Work-Life-Balance-Programme abhängt, ist sie für andere essenziell.

Festhalten lässt sich allerdings, dass die Fähigkeit eines Unternehmens, wirksame Work-Life-Balance-Maßnahmen zu entwickeln und im Team umzusetzen, nicht schädlich ist. Im Gegenteil: In vielen Fällen werden die Mitarbeiter:innen dadurch zufriedener sein. Deshalb lohnt es sich für Teamleiter:innen, sich mit der Förderung von Work-Life-Balance zu beschäftigen und die Umsetzung unter Berücksichtigung der Theory of planned behavior zu unterstützen.

Quellen:

Ajzen, I. (1991). The theory of planned behavior. Organizational Behavior and Human Decision Processes, 50(2), 179–211.

Casper, W. J., Fox, K. E., Sitzmann, T. M., & Londy, A. L. (2004). Supervisor referrals to work–family programs. Journal of Occupational Health Psychology, 9(2), 136−151.

Maxwell, G. A. (2005). Checks and balances: The role of managers in work-life balance policies and practices. Journal of Retailing and Consumer Studies, 12(3), 179−189.

McCarthy, A., Darcy, C., & Grady, G. (2010). Work-life balance policy and practice: Understanding line manager attitudes and behaviors. Human Resource Management Review, 20, 158-167.

Purcell, J.A., Kinnie, N., Hutchinson, S., Rayton, B.A., & Swart, J. (2003). Understanding the people and performance link: Unlocking the black box. CIPD Publishing.

 

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Frau die sich am Arbeitsplatz freut

Das emotionale Alphabet: Wie sich ein „J“oker zwischen ehrliches und betrügerisches Verhalten drängt.

▶︎ von Trea Christiansen & Clara Stelzenmüller

Bereits in einem Alter von 4-8 Jahren entwickeln wir das Wissen um unsere Emotionen. Durch Erfahrungen, die eigene Wahrnehmung und die Unterscheidung der Emotionen lernen wir. Doch was ist, wenn diese Emotionen beginnen unser Handeln stark zu beeinflussen? Eine Studie untersuchte dafür zweierlei Leistungsaufgaben unter dem Druckmittel Geld und kam zu beeindruckenden Erkenntnissen … 

Jeden Tag treffen wir eine Vielzahl an Entscheidungen. Denken hilft zwar, nützt aber nichts — zumindest nicht immer. Ein wesentlicher Unterschied wird durch Ihr Langzeitgedächtnis und einem übergeordneten Scharfsinn geprägt. Menschen verarbeiten Informationen auf unterschiedliche Arten. Zwei diskrete Emotionen (Wut & Schuld) beeinflussen unethisches Verhalten. Wissenschaftler:innen vertreten die Ansicht, dass Emotionen bei Entscheidungen vor allem eine spontane Verarbeitung beeinflussen. Wahrheit oder Pflicht, Ehrlichkeit oder Unehrlichkeit oder von Emotionen geleitet — ist das hier die Frage?

Unser tägliches Handeln, die Fähigkeit systemisch zu denken und unsere emotionalen Reaktionen können mithilfe von dualen Prozessen erklärt werden. Dabei wird zwischen einem schnellen impulsiven (IS) und einem langsamen reflexiven System (RS) unterschieden. Das IS steuert das Verhalten auf Grundlage erlernter Verhaltensmuster. Zudem legt es seinen Fokus auf die Befriedigung der Grundbedürfnisse (Hunger, Durst, Schlaf etc.). Damit keine dieser überlebenswichtigen Handlungen vergessen wird, werden die gesammelten Informationen im Langzeitgedächtnis abgespeichert. Dank des RS sind wir in der Lage unser Verhalten zu reflektieren und anzupassen. Damit dies funktioniert findet ein Informationsaustausch mit dem IS statt. Jedoch werden die Informationen nur verarbeitet, wenn gerade keine wichtigeren Prozesse laufen. Bei einer Gehaltsverhandlung kann die betroffene Person beispielsweise schnell und impulsiv antworten. Alternativ könnte sie die erste Vorstellung noch einmal gründlich überdenken und erst danach antworten. Zudem wird unser Verhalten stark durch die vorherrschende Stimmung beeinflusst. Weshalb wir gerade in wichtigen Gesprächen einen kühlen Kopf bewahren sollten.

Kennen Sie das Gefühl schlagartig wütend zu sein? Herzlichen Glückwunsch! Sie haben nicht nur mit einer Primäremotion Bekanntschaft gemacht sondern auch die Arbeitsweise des impulsiven Systems kennengelernt. Sie leiden vermehrt unter Schuldgefühlen? Bei Ihnen arbeitet das reflexive System verstärkt. Bisherige Forschungsergebnisse konnten Wut mit einer erhöhten Impulsivität und Risikobereitschaft in Verbindung bringen. Zudem besteht die Vermutung, dass wütende Menschen schneller unethisches und süchtiges Verhalten (z.B. Drogenkonsum, Bulimie, Kaufzwang) zeigen. Personen die häufig das Gefühl von Schuld spüren verhalten sich nicht nur ethischer sondern kümmern sich auch vermehrt um ihre Mitmenschen. Die Forschergruppe um Daphna Motro untersuchte die Auswirkungen von Schuld und Wut auf unethisches Verhalten. Dazu führten sie zwei Studien mit Geldeinsatz an öffentlichen amerikanischen Universitäten durch. Die Teilnehmenden starteten mit einer Leistungsaufgabe auf Zeit und mit Geldeinsatz. Gefolgt von einer Schreibaufgabe bei der entweder über Wut oder Schuld geschrieben wurde. Im Anschluss fand eine Überprüfung der Emotionsmanipulation statt. Abschließend sollten die Teilnehmenden ihre eigene Leistung bei der Leistungsaufgabe bewerten. Dies bot ihnen die Möglichkeit sich unethisch zu verhalten. Indem sie ihre Leistung zu hoch angaben und gleichzeitig eine unverdiente Entschädigung einforderten.

Geldscheine und Taschenrechner auf dem Tisch liegendBei der Leistungsaufgabe der ersten Studie mussten die Teilnehmenden 20 Kopfrechenaufgaben lösen. Für jede richtige Antwort gab es 0,25 Dollar, maximal 5 Dollar. Die Auszahlung erfolgte nach eigener Leistungseinschätzung. Durch einen Zahlencode konnten die Aufgabenblätter den entsprechenden Briefumschlägen und Auszahlungen zugeordnet werden. Bei den „wütenden“ Teilnehmenden nahm das unethische Verhalten, im Vergleich zu einer neutralen Gruppe, um das Doppelte zu. Während es bei den Teilnehmenden mit Schuldgefühlen eindeutig ethisch erwünschter ausfiel.

Bei der Leistungsaufgabe der zweiten Studie handelte es sich um spieltheoretische Aufgabe. Die Teilnehmenden erhielten ein Startkapital von 100 Dollar und mussten bei 40 Versuchen angeben, ob eine „J“oker-Karte abgebildet wurde. Durch das Melden von „J“ verringerte sich der Gewinn, sodass durch eine ehrliche Spielweise maximal 20 Dollar übrig blieben. Auch bei der zweiten Studie zeigten die wütenden Teilnehmenden vermehrt unethisches Verhalten. Die beiden Studien belegen, dass ein konsistentes Verhaltensmuster zwischen den Emotionen Wut und Schuld, in Verbindung mit unethischen Handeln, besteht. Emotionen beeinflussen unser handeln stark. Je nachdem ob wir uns Zeit für Selbstreflexion nehmen oder impulsiv handeln wird das IS oder RS aktiviert. Dadurch werden die gewonnen Erkenntnisse durch die Theorie der dualen Prozesse gestützt.

Um genau dieselbigen Prozesse geht es in unserem Gehirn. Ein Dirigent leitet sowohl einen Chor als auch ein Orchester. Synchron gestaltet und interpretiert er das Kunststück. Wir können die Stimmen bzw. Instrumente besetzen und dadurch unser Arbeitsverhalten langfristig prägen. Umso häufiger eine Nervenzelle aktiviert wird, desto stärker wird die Verbindung. Wodurch das Verhalten immer routinierter wird. Dies lässt uns leistungsfähiger werden. Das IS und RS stehen bei jeder alltäglichen Verlockung im Konflikt zueinander und kämpfen um die Vorherrschaft. Chatte ich, während der Arbeitszeit mit Freunden? Oder lenke ich meine Konzentration mit voller Energie auf die Arbeit? Wer nun den Verlockungen im Arbeitsalltag nachgibt erreicht seine beruflichen Ziele höchstwahrscheinlich nicht, so der Forscher Jürg Dietrich. In Führungspositionen gilt es den richtigen Mix zu finden. Die bewusste und situative Anpassung unseres Verhaltens, kann nicht nur bei der Teamführung, sondern auch bei der Interaktion mit Bewerbern hilfreich sein. Mithilfe der Erkenntnisse wird deutlich, wie wichtig es ist, dass wir uns unserer Gefühle bewusst sind. So sollten wir versuchen eine gute emotionale Wegweisung zu bilden, um uns bei wichtigen Entscheidungen oder in Beziehungen moralisch und ethisch leiten lassen. Zudem kann so sichergestellt werden, dass wir dauerhaft der Dirigent unser eigenen Emotionen bleiben.

Mit einem Spillover-Effekt können Emotionen in einem bestimmten Kontext, Ergebnisse in einer nicht damit verbundenen Situation beeinflussen. Das ist der Zeitpunkt in dem Emotionen beginnen unser Handeln zu kontrollieren und teilweise aus der Intuition heraus ein Handeln hervorrufen. Wir können also festhalten, dass Emotionen nicht nur die spontane Verarbeitung (IS) beeinflussen. Jedoch unter dem Einsatz von Druckmitteln wie bspw. einem belohnenden Geldgewinn schnell die Oberhand übernehmen. Emotionen können sich durch erneutes triggern verstärken. Die Aufmerksamkeit darf nicht nur den Emotionen der Schuld und Wut geschenkt werden. Vielmehr wäre eine weitere Forschung in Verbindung mit den Grundemotionen Freude, Überraschung, Ekel und Angst sehr interessant. Verlasse ich mich hierbei ebenfalls auf mein Langzeitgedächtnis oder benötige ich Bedenkzeit um meine Entscheidung zu fällen? Da es sich hier um nur eine Studie zu Schuld und Wut handelt, ist das lesen von weiteren Studien zu diesem Thema wichtig. Zudem sollte weitere Forschungsarbeiten in dem Bereich getätigt werden, um aussagekräftige Ergebnisse zu erhalten. Und am Ende der Geschicht’ bleibt nur zu sagen: „Es gibt nichts besseres, als ruhig zu bleiben, in einer Situation, wo jeder von dir erwartet, dass du die Beherrschung verlierst.“ (Joker). Denn Emotionen mögen dich kontrollieren, aber du kannst sie genauso beherrschen.

 

Literatur

Deutsch, R., & Strack, F. (2006). Duality models in social psychology: From dual processes to interacting systems. Psychological Inquiry, 17(3), 166-172. https://doi.org/10.1207/s15327965pli1703_2.

Dietrich, J. (2014). Gehirngerechtes Arbeiten und beruflicher Erfolg – Eine Anleitung für mehr Effektivität und Effizienz. In: Den eigenen Dirigenten bewusst aktivieren und einsetzen. S. 11ff., Springer Fachmedien. https://doi.org/10.1007/978-3-658-04862-4

Motro, D., Ordóñez, L. D., Pittarello, A., & Welsh, D. T. (2018). Investigating the effects of anger and guilt on unethical behavior: A dual-process approach. Journal of Business Ethics, 152(1), 133-148. https://doi.org/10.1007/https://link.springer.com/article/10.1007/s10551-016-3337-x#citeass10551-016-3337-x.

 

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Wie unsichtbare Annahmen sichtbare Hierarchien bilden

 > von Jonas Rheinwald, Philipp Hahling, Yannik Himstedt & Katharina Haller

Habt ihr oft das Gefühl in manchen Gruppen nicht entsprechend wahrgenommen zu werden, sei es am Arbeitsplatz oder auch woanders? Wird anderen dafür umso mehr Beachtung geschenkt und ihr versteht nicht wieso? Woran dies liegen könnte und wie das möglicherweise mit der Gender-Pay-Gap zusammenhängt, soll in diesem Beitrag erklärt werden.

In der Stark AG wird die gesamte Marketingabteilung umstrukturiert. Aufgrund des starken Wachstums im letzten Jahr wird zudem viel neues Personal eingestellt. Die einzelnen Teams werden völlig neu zusammengewürfelt. Sabine freut sich riesig, dass sie von nun an die Werbeanzeigen mitgestaltet, denn in diesem Bereich liegen ihre Stärken. Sie hat vor, sich einzubringen und strebt eine leitende Position an. In ihrem letzten Team kam sie sich nämlich wie eine Mitläuferin vor. Die Strukturen waren dort ziemlich starr und eingefahren. Das soll sich jetzt ändern! Am Tag des Kennenlernens des neuen Teams hält sie sich zunächst bedeckt, um ihre neuen Teammitglieder zu beobachten. Kurt fällt ihr besonders auf. Er zeigt sich sehr kommunikativ und betont zudem seine Erfahrungen im Bereich der Werbung. Sabine ist davon eher weniger beeindruckt. Sie findet, dass sie selbst mehr Expertise mitbringt. In den darauffolgenden Tagen werden die ersten Kampagnen geplant. Kurt kommt ihr mit den guten Ideen zwar immer zuvor, Sabine zeigt sich aber trotzdem äußerst motiviert. Nach einiger Zeit hat sich eine Hierarchie in dem neuen Team etabliert. Kurts anfängliche Dominanz verhalf ihm an dessen Spitze. Sabine ist frustriert. Wie konnte es so weit kommen? 

 

Welche Aspekte Einfluss darauf haben, wer an der Spitze einer Hierarchie steht 

Die Beobachtung von Unterschieden innerhalb von sozialen Gruppen bildet den Nährboden für Ungleichheit. Aus diesen Beobachtungen schließen wir auf die Kompetenz einer Person und erwarten eine entsprechende Leistung. Daraus bildet sich mit der Zeit eine Statushierarchie. Diese wird von verschiedenen Faktoren beeinflusst. Treibende Kräfte sind (a) Merkmale der Person, (b) Belohnungen und (c) Verhaltensmuster. 

 

(a) Dass Kurt der Ranghöchste der sozialen Hierarchie wurde, ist nicht verwunderlich. Dies ist auf sein Geschlecht zurückzuführen. 

Die Wahrnehmung bestimmter Merkmale lässt uns unbewusst auf Kompetenz dieser Person schließen. Zwei Arten von Merkmalen sind hier relevant: 

Spezifische werden in Bezug auf eine Aufgabe gebildet. So nehmen wir an, dass jemand mit Computerexpertise fähiger ist, wenn sich die Aufgabe auf etwas technisches bezieht. Diffuse ziehen eine allgemeine Betrachtung hinzu und beziehen sich auf das Geschlecht oder die Herkunft. So wird beispielsweise wahrgenommen, dass ein Mann generell kompetenter ist als eine Frau. Auf Basis dieser Merkmale erwarten wir eine bestimmte Leistung von einer Person. Diese Leistungserwartungen werden in eine Hierarchie innerhalb der sozialen Gruppe umgewandelt. 

 

(b) Kurt ist bereits viele Jahre in der Stark AG angestellt. Er erhält ein höheres Gehalt als Sabine und besitzt zudem ein schöneres Büro. Dadurch wird Kurt mehr Kompetenz zugesprochen, was sich wiederum positiv auf seinen Rang in der Hierarchie auswirkt.  

Eine ungleiche Verteilung von Belohnung ist an die Erwartungen bzgl. der Leistung einer Person geknüpft. Eine Art von Belohnung ist z. B. das Gehalt. Erfahren oder erwarten wir beispielsweise, dass jemand viel verdient, sprechen wir ihm auch viele Einflussmöglichkeiten zu. Weiterhin erwarten wir, dass diese Person eine hohe Leistung erbringt. So scheint die höhere Bezahlung als gerechtfertigt. Daraus bildet sich eine neue oder festigt sich eine bestehende Hierarchie. 

 

(c) Anfangs versuchte Sabine ihre Ideen einzubringen. Allerdings hat Kurt seine Vorschläge oftmals durchsetzen können. Mit der Zeit hat er im Team viel Respekt erlangt. Aufgrund der durchweg positiven Bewertung werden größtenteils Kurts Ideen umgesetzt.

Die Verhaltensmuster sind ein weiterer Indikator für die Kompetenz einer Person. Hier bildet sich eine wechselseitige Beziehung: Die dominanteste Person der Gruppe hat ein hohes Durchsetzungsvermögen. Die Ideen werden respektiert und positiv bewertet.  Außerdem wird sie insgesamt als kompetenter wahrgenommen. Das bestärkt sie, in Zukunft weitere Aufgabenvorschläge zu machen. Diese Beziehung kann abhängig von unterschiedlichen Merkmalen sein – so tritt ein Mann häufig durchsetzungsfähiger auf als eine Frau. Gleiches gilt, wenn eine Person eine für die Aufgabe relevante Ausbildung vorweist. So ist es für Kurt zusätzlich förderlich, dass er seine vorhandene Expertise bereits beim Kennenlernen postuliert. 

 

Zwischen diesen drei Aspekten gibt es spannende Verlinkungen. Die Sozialpsychologen Stewart und Moore untersuchten in einer Studie, inwiefern Lohnunterschiede und die angenommene Leistungsfähigkeit zusammenhängen. Die Versuchspersonen wurden paarweise zugeteilt. Einige Paare erhalten Informationen über eine Entlohnung für die Teilnahme an der Studie, wobei einer der beiden mehr Geld erhält. Im Folgenden lösen sie die gleiche Aufgabe in Einzelarbeit. Vor Abschluss der Aufgabe kann die eigene Lösung mit der des Gegenübers verglichen werden. In 80 % der Fälle wird angezeigt, dass der*die Partner*in die Aufgabe anders gelöst hat. Nun besteht die Möglichkeit, bei der ursprünglichen Meinung zu bleiben oder die eben gezeigte Lösung anzunehmen. Anhand dessen untersuchten Stewart und Moore, inwiefern sich Personen bei der Lösung einer Aufgabe beeinflussen lassen. In dem Zusammenhang betrachteten sie zudem, ob die unterschiedliche Entlohnung darauf einen Einfluss hat. Die Untersuchungen belegen vorhandene Unterschiede der Einschätzung der Leistungsfähigkeit in Abhängigkeit von der Entlohnung. Männer und Frauen, die mehr verdienen als ihr*e Partner*in, sind widerstandsfähiger gegen die Beeinflussung durch diese*n Partner*in. Daraus kann man schließen, dass Kurt aufgrund seines Gehalts durchsetzungsfähiger auftritt. Sprich, die in Abschnitt (b) aufgezeigten Belohnungen können auf die in Abschnitt (c) erklärten Verhaltensweisen wirken. 

Weitere Untersuchungen deuten auf einen Unterschied zwischen den Geschlechtern hin. Gutverdienende Männer treten widerstandsfähiger gegenüber weniger verdienenden Frauen, als gegenüber weniger verdienenden Männern auf. Weniger Gehalt wird mit geringerer Kompetenz assoziiert. Der Gender-Pay-Gap verstärkt so die Ungleichheit der Geschlechter. Die geringe Anzahl weiblicher Führungskräfte ist also nicht verwunderlich. So ist Kurt beständiger gegen Widerworte von Sabine, als von männlichen Kollegen. Diffuse Merkmale (siehe Abschnitt a) beeinflussen also vor allem, wie Männer sich verhalten.  Müssen Kurt und alle anderen Männer Feministen werden und Frauen mehr Fähigkeiten zusprechen? Ganz so einfach ist das nicht. 

 

Die soeben thematisierten Überzeugungen sind einvernehmlich, das heißt, sowohl Männer als auch Frauen teilen diese Ansichten. Das führt dazu, dass Frauen auf eine dementsprechende Art und Weise handeln. Das bestärkt Männer zusätzlich in ihrer dominanten Rolle.  

Es liegt nicht an dem Geschlecht, dass Frauen nicht als Führungskraft angesehen werden. Vielmehr steckt die Erwartung dahinter, dass sie weniger kompetent sind und auch so auftreten, eben weil sie eine Frau sind. Zusätzlich werden ihre guten Ergebnisse sehr kritisch hinterfragt, weil von ihnen keine guten Leistungen erwartet werden. Diese Phänomene sind nicht auf das Geschlecht limitiert. Ähnliches gilt beispielsweise für die Hautfarbe von Menschen. Schwarze Personen werden aufgrund ihres Erscheinungsbildes als weniger fähig eingestuft. Somit sind auch sie seltener in leitenden Positionen zu finden. Es wird deutlich, dass das Gehalt in der Praxis zumindest einen ersten wichtigen Dreh- und Angelpunkt darstellt, um der Ungleichheit entgegenzuwirken.

 

Was bedeutet das für uns?

An den Beispielen von Kurt und Sabine lässt sich erkennen, dass es nicht so einfach ist, sich an die Spitze zu kämpfen. Viele Faktoren spielen in die Entstehung von Statushierarchien und Leistungserwartungen von Beschäftigten. Belohnungsstrukturen, Verhaltensmuster und Überzeugungen, aber auch Geschlecht und ethnische Zugehörigkeit eines*einer Beschäftigten haben dabei großen Einfluss. Die daraus entstandenen unbewussten Annahmen lassen ungleiche Strukturen entstehen. Das Verständnis der Entstehung und Reproduktion von Ungleichheit hilft diesem entgegenzuwirken. Der Schlüssel für eine Auflösung solcher ungerechten Strukturen ist die Aufklärung über die beschriebenen unbewussten Annahmen, denn die Wichtigkeit der Faktoren sind nicht dauerhaft festgeschrieben und somit veränderbar. Weiterhin können betriebliche Maßnahmen der Entstehung von Ungleichheiten entgegenwirken. 

Der in der Studie beobachtete wahrgenommene Kompetenzunterschied zwischen Männern und Frauen am Arbeitsplatz zeigt eine sehr lange bestehende Baustelle auf. Diese vorherrschenden Einschätzungen können sich in aber Zukunft auch ändern. Männer- und Frauenbilder haben sich in den letzten Jahrzehnten rasant entwickelt und wir rücken einer Gleichstellung der Geschlechter im Alltag und im Beruf näher und näher.

 

Literaturquellen

Correll, S. J., & Ridgeway, C. L. (2006). Expectation states theory. In Handbook of social psychology (pp. 29-51). Springer, Boston, MA.

Human Development Report Office (2020). Human Development Perspectives. Tackling social Norms – A game changer for gender inequalities. New York. 

Stewart, P. A., & Moore Jr, J. C. (1992). Wage disparities and performance expectations. Social Psychology Quarterly, 78-85.

 

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