Die Spaltung einer Kalksteinmasse als Sinnbild für faultlines in Gruppen

Unsichtbar, unvermeidbar, unbezwingbar?

Auswirkungen von faultlines auf den Erfolg von strategischem Wandel.

▶︎ von Marvin Goecke, Ada Ross & Carla Wemken

„Gleich und gleich gesellt sich gern“. Doch indem ich mich bestimmten Menschen zuwende, wende ich mich zugleich auch immer von anderen Menschen ab. Innerhalb von Teams kann dieses Phänomen daher zu Spannungen führen – und ist bei Managerinnen und Managern nicht ohne Grund äußerst unbeliebt.

Formieren sich innerhalb eines neuen Teams gleich zu Beginn verschiedene Subgruppen (bspw. Frauen vs. Männer, jung vs. alt), so wird in der in der Sozialpsychologie von faultlines gesprochen. Diese sind hypothetische Trennlinien, die Teams in homogene Subgruppen hinsichtlich der betrachteten Merkmale unterteilen. Skurril, finden Sie nicht? Eigentlich existieren diese “Trennlinien” gar nicht. Dennoch lassen wir uns oftmals von ihnen leiten. Verstärkt wird dieser Effekt dann, wenn die Gruppentrennung für mehrere Merkmale gleich ausfällt, also bspw. wenn alle Frauen in der Gruppe über 60 und alle Männer unter 30 Jahren alt sind. Haben sich solche Subgruppen erst einmal gebildet, bleiben sie oftmals über einen längeren Zeitraum bestehen. Daher stellt sich die Frage: Was sollten Managerinnen und Manager über faultlines wissen und wie können Sie diesen aktiv entgegenwirken?

Grundlegend geht die faultline theory nach Lau und Murninghan (1998) davon aus, dass faultlines ein enormes Konfliktpotential in sich bergen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sich die Gruppenaufgabe auf die faultlines bezieht. Beispielsweise sei hierfür eine Schulklasse in der Oberstufe genannt, die sich für die Gleichberechtigung von Männern und Frauen einsetzen soll: Während die Mädchen der Klasse sich engagiert für das Projekt einsetzen, bleiben die Jungs lieber unter sich und albern herum. Der Konflikt ist also vorprogrammiert.

Nicht zu unterschätzen ist zudem die Subgruppengröße. Denn oftmals dominieren größere Subgruppen das Gruppengeschehen, ohne große Rücksicht auf die kleineren Subgruppen zu nehmen. Gelangen die unterdrückten Anliegen der Minderheiten dann doch an die Oberfläche, ist das Konfliktpotential immens. Ein Beispiel hierfür ist der Busboykott der schwarzen Bürgerrechtsbewegung um Rosa Parks: Nach jahrelanger Diskriminierung setzte sie sich Mitte des 20. Jahrhunderts für die Gleichberechtigung von „schwarzen“ und „weißen“ Menschen ein, indem sie ihren Platz im Bus nicht für einen „weißen“ Fahrgast freimachte – das landesweite Aufsehen war groß. Haben die verschiedenen Subgruppen eine ähnliche Größe, kann es hingegen schnell zu offenen und intensiven Konflikten kommen, die es schnellstmöglich zu überwinden gilt. Denn nur so kann es gelingen, ein Team langfristig zu einen, statt es weiter zu spalten.

Diversität ist heutzutage ein großes Thema in der Managementwelt, endet aber nicht mit einer Frauenquote. Denn besonders in diversen Teams herrschen Trennlinien innerhalb der Gruppe, die Auswirkungen auf strategische Handlungen und Innovationen haben können. Doch Managerinnen und Manager können trotz vorhandenen faultlines und Subgruppenbildung die Teamproduktivität in ihrer Organisation erhöhen und hindernde Faktoren minimieren (Lau & Murninghan, 1998). Um das Scheitern eines Change-Prozesses aufgrund von ungenutzten Widerständen und Machtkämpfen zu vermeiden, können Managerinnen und Manager das Wissen über faultlines nutzen, um ihre Teams positiv zu beeinflussen und bspw. die Produktivität zu steigern. Es bedarf demnach nicht nur einem guten Konzept und Methoden, sondern auch einem faultlinemanagement, um die Trennlinien bewusst wahrzunehmen. Dafür müssen zunächst die für Spannungen sorgenden faultlines identifiziert werden, um Konflikte vorzubeugen und die Arbeitsmoral sowie das Leistungsniveau hoch zu halten.

Sind die Trennlinien im Team nicht ersichtlich, ist es am einfachsten mit den vermeintlich offensichtlichen Trennlinien zu starten. Eine offensichtliche Trennlinie bei einem neu zusammengesetzten Team könnte bspw. eine grobe Trennung nach Alter, Geschlecht oder äußeren Merkmalen sein. Generell haben faultlines in ihrem Team einen Effekt auf den Erfolg des Change-Prozesses. Ein bspw. moderates Level an Diversität kann die faultlines erhöhen und zu Konflikten führen (Lau & Murninghan, 1998). Deswegen ist es wichtig, das passende Level an Diversität für ihr Team zu finden. Hierfür ist es wichtig, dass Sie die jeweilige Aufgabe oder den zu bearbeitenden Prozess ihres Teams berücksichtigen, da Teams unterschiedlich gut an verschiedenen Problemen arbeiten. Es gilt demnach einen Team-Process-Fit zu schaffen. 

Händeschütteln als Sinnbild für einen Team-Process-Fit

Bei einem eher weniger komplexen Prozess sollten Sie immer ein Auge auf die faultlines in ihrem Team haben. Es ist wissenschaftlich bewiesen, dass die Trennlinien im Team sich negativ auf den Change-Prozess auswirken (Wu et al., 2021). Hier gilt die Devise: Weniger Trennlinien im Team erhöhen die Chance für einen erfolgreichen Veränderungsprozess. Anders sieht es aus, wenn der Change-Prozess komplexer ist. Dann ist es so, dass die faultlines einen positiven Einfluss auf den Erfolg des Wandels haben (Wu et al., 2021). Sie können zu mehr Kreativität führen und Entscheidungsprozesse verbessern. Insbesondere können einzelne konträre Stimmen in ihrem Team die Ideenvielfalt des ganzen Teams befeuern und so den Change-Prozess positiv beeinflussen. Dies kann darauf zurückgeführt werden, dass die neuen Mitglieder noch nicht mit den Gruppennormen vertraut sind. Empfehlenswert ist es deshalb, (Minderheiten-) Meinungen zu hören und zu akzeptieren. Damit kann die Qualität des Teams Entscheidungen zu treffen verbessert sowie die gesamte Teamleistung gesteigert werden. Um in diesem Zusammenhang hindernde Faktoren wie z.B. das nicht Hören von (Minderheiten-) Meinungen zu minimieren, können Sie bspw. unterstützende Regeln und eine Teamleitung einführen, welche die Gruppe in eine entsprechende Richtung lenkt. Nutzen Sie deshalb Ihre Stellung und unterstützen Sie überhörte Stimmen, um diesen Effekt zu bewirken (Lau & Murnighan, 1998).

Ein Weg um faultlines im Allgemeinen zu vermeiden ist die Verbesserung des Informationsaustauschs innerhalb der Teams. Durch einen dauerhaften Austausch lernen sich ihre Teammitglieder besser kennen. Dadurch kann die Bildung von Subgruppen nach typischen Attributen wie Geschlecht oder Alter unterbunden werden (Lau & Murninghan, 1998). Zudem können Recruiterinnen und Recruiter durch eine bereits im Vorfeld abgestimmte Personalauswahl (bspw. durch Alter, gewisse Attribute, etc.) dazu beitragen, die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Subgruppen und potenziellen Teamkonflikten zu minimieren, indem Sie ein moderates Level an Team-Diversität herbeiführen (Lau & Murninghan, 1998).

Zusammenfassend liefern faultlines einen wichtigen Beitrag, um die Bildung und Aufrechterhaltung von Subgruppen zu erklären und zu verstehen. Sie gelten als natürlich, da wir Menschen uns fast automatisch zu „Gleichem“ oder „Ähnlichem“ gesellen. In der Literatur werden zahlreiche negative Effekte und negative Folgen dargestellt. Allerdings ist es auch so, dass ein Team trotz faultlines und Subgruppenbildung funktionieren kann (Lau & Murninghan, 1998). Auch Change-Prozesse müssen nicht an einem hohen Maß an Team-Diversität scheitern (Wu et al., 2021). Ausgeprägte Vielfältigkeit führt oft zu neuen Ideen, Impulsen sowie kreativen Austauschen. Umbrüche sind auf diese Weise somit schon fast vorprogrammiert (Wu et al., 2021). Für die zukünftige Management-Praxis gilt demnach: Werden Sie sich der Existenz von faultlines und Subgruppen sowie deren negativen und positiven Folgen bewusst und haben Sie im Blick, mit welchen Strategien Sie positive Effekte fördern und negative abschwächen können.

Literaturquellen

Lau, D. C., & Murnighan, J. K. (1998). Demographic Diversity and Faultlines: The Compositional Dynamics of Organizational Groups. The Academy of Management Review, 23(2), 325–340. https://doi.org/10.2307/259377

Wu, J., Triana, M. del C., Richard, O. C., & Yu, L. (2021). Gender Faultline Strength on Boards of Directors and Strategic Change: The Role of Environmental Conditions. Group & Organization Management, 46(3), 564–601. https://doi.org/10.1177/1059601121992889

Bildquellen

Die Spaltung einer Kalksteinmasse als Sinnbild für faultlines in Gruppen: rkit via pixabay

Händeschütteln als Sinnbild für einen Team-Process-Fit: 8385 via pixabay

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