Meint Inklusion wirklich alle?

Die Forderung nach inklusiver Beschulung ist ein viel diskutiertes Thema, zu dem Dr. Eileen Schwarzenberg uns in ihrer Vorlesung Einblicke in die theoretischen Hintergründe gab. Erstaunlich für mich war, dass ein großer Teil – mehr als ein Drittel – der gesamten Schülerschaft für eine mögliche Diagnose von sonderpädagogischem Förderbedarf in Frage kommt, sei es im physischen (körperlichen) Bereich oder im psychischen (geistigen oder seeligen) Bereich. Daher ergibt sich auch die Notwendigkeit der Schulen, auf diese Heterogenität einzugehen. Hierzu lernten wir drei Modelle der Inklusion kennen: die „full inclusion“, das „two track model“ und das „twin track model“. Nur zweiteres sieht eine getrennte Beschulung von SuS mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf vor; die beiden anderen möchten bewusst die Gesamtheit aller SuS gemeinsam unterrichten, wobei der letzte Modell auch fordert, dass auf die besonderen Bedürfnisse der SuS mit sonderpädagogischem Förderbedarf eingegangen wird.

Während einem Praktikum an einer Bremer Schule habe ich diesbezüglich vor allem Erfahrungen mit Kindern mit sogenannten Lernbehinderungen (im geistigen Bereich, „disability“) gemacht. Diese waren meist auf den ersten Blick für mich nicht erkennbar; meine Mentorin lies mich am Anfang sogar raten, welche Kinder in einer Klasse die „Inklusionskinder“ waren und es gelang mir größtenteils nicht. Die Beeinträchtigungen waren hier wohl vor allem auf ihre schulische (schriftliche) Leistung bezogen. Sie betonte selber auch noch einmal, wie in der Vorlesung auch getan wurde, dass es sich hierbei rein um eine Diagnose handelte und dass ihrer Meinung nach in dieser Klasse „noch ein paar mehr dafür in Frage kämen“. Nur bei einem Kind war die Beeinträchtigung recht schnell erkennbar, diese würde ich allerdings eher dem seelischen Bereich zuordnen, da er sehr leistungsstark aber verhaltensauffällig war und starke Aggressionen hatte. In der Sek II habe ich außerdem einen Kurs unterrichtet, in dem ein Schüler mit Aspergers Syndrom (Form von Autismus) war. Er arbeitete nicht mündlich mit und durfte bei GA/PA immer einzeln arbeiten. Außerdem wurde er regelmäßig von einem Sonderpädagogen begleitet.

Auch in der Sek I waren in dieser Schule oft SonderpädagogInnen anwesend. Die Klassen waren relativ klein (höchstens 25 SuS) und es wurde oft zu zweit unterrichtet. Die Schule war auch erstaunlich gut ausgestattet und stellte den SuS sogar Kopfhörer bei der Stillarbeit zur Verfügung, damit sie nicht von anderen SuS gestört würden. Das Schulklima war auf jeden Fall sehr nett und ich hatte das Gefühl, dass die Inklusion dazu beiträgt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass alle Schulen so gut ausgestatten waren wie diese, aber hier war ich auf jeden Fall positiv überrascht. Luft nach oben ist glaube ich immer, und ich habe keine wirklich besonders „schwierigen Fälle“ beobachten können, deshalb konnte ich einen positiven Eindruck von der Inklusion gewinnen. Dennoch wurde das Prinzip unter den Lehrkräften oft sehr kritisch diskutiert; als Probleme wurden oft erwähnt, dass ihre Freiräume beim unterrichten eingeschränkt seien und dass man fast nur noch mit dem Lehrwerk arbeite, und dass die Leistung der SuS insgesamt zurückgegangen sei. Deshalb denke ich, dass die Lehrkräfte diesbezüglich weitere Entlastung nötig hätten, dass es aber für die SuS vor allem im sozialen Bereich viele Vorteile hat.

Was ich allerdings nicht verstehe, ist, dass vor der Forderung von Inklusion weiterhin und sogar in Zukunft verstärkt Kinder mit geringen Deutschkenntnissen getrennt unterrichtet werden sollen. Wo bleibt da bitte die Inklusion?

Eine zukünftige mögliche Beobachtungsaufgabe – darüber hinaus, ob man als PraktikantIn (außenstehende Person) in der Lage ist, die „Inklusionskinder“ in einer Klasse zu erkennnen, interessante Übung – wäre die gezielte Beobachtung von Differenzierungen, welche die Lehrkräfte im Unterricht vornehmen, und woher sie ihr Material nehmen.

Ein Gedanke zu „Meint Inklusion wirklich alle?“

  1. Hallo, Hannah!

    Ich finde im 1 Teil hast du sehr gut die zentral theoretischen Aspekte aus der Vorlesung zusammengefasst und beschrieben.
    Dass du solche eindrücke und Erfahrung in deinem Praktikum sammeln konntest finde ich bewundernswert und auch die Zusammensetzung bzw. Bezugnahme zur Vorlesung ist dir in dem Punkt gelungen.
    Ich stimme deiner Auffassung zur Entlastung der Lehrkräfte in deiner beschriebenen Situation zu, dennoch ist es schwer nur durch Beobachten zu beurteilen, wenn man keinen direkten Kontakt mit der Inklusion oder Behinderung im Unterricht gemacht hat.
    Die Frage „Wo bleibt da bitte die Inklusion?“ habe ich mir auch stellen müssen, da eigentlich solchen Schülern geholfen werden muss und dann finde ich es nicht zum Vorteil, wenn ausgerechnet solche Schüler von GA/PA ausgeschlossen werden.
    Also so eine Beobachtungsfrage würde ich ebenfalls formulieren für zukünftige Praktika, weil ich keine Erfahrung mit dem Thema gemacht habe oder ich habe sie ebenfalls nicht erkannt, deswegen wäre es zum Vorteil auch in diesem Bereich Erfahrungen und eindrücke zu sammeln.

    Herzliche Grüße,
    Aysu

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