1) Unter dem Begriff ,,nationale Orientierung des Bildungssystems“ versteht man das allgemeine, staatliche Lehr- und Bildungskonzept, welches überwiegend national geprägt ist, d.h. den Schüler*innen wird Lehrstoff, welcher unmittelbar mit den nationalen Werten, Rechten, Pflichten, Arbeitsweisen, etc. verbunden ist, vermittelt. Aus diesem Konzept resultierend, wird den Lehrer*innen beispielsweise in Deutschland die Aufgabe erteilt, den Schüler*innen, z.B. im Fach Geschichte, die deutsch-europäische Geschichte, in Gesellschaft und Politik das deutsch-europäische Rechtssystem, in naturwissenschaftlichen Fächern, europäische Rechenmethoden und wissenschaftliche Erkenntnisse, zu lehren. Des Weiteren ist die Lehrsprache ein Aspekt des nationalen Bildungskonzepts, denn es wird, unter der Ausnahme des Fremdsprachenunterrichts und bilingualer Schulinstitute, ausschließlich auf der Landessprache unterrichtet. Dies ist vor allem zur Vermittlung der nationalen Werte und Kultur eine Voraussetzung, auf die nicht verzichtet werden darf, da die Sprache die wichtigste Grundlage für die Kommunikation zwischen Menschen darstellt.
Zu meiner damaligen Schulzeit habe auch ich Erfahrungen bezüglich des oben benannten Konzepts sammeln dürfen. Das nationale Bildungskonzept war für mich als deutsche Schülerin mit Migrationshintergrund ein relativ gutes, dennoch ausbaubares Bildungskonzept. Einerseits war es für mich wichtig, die deutsch-europäische Geschichte kennenzulernen, andererseits fehlte mir der Lernstoff zu beispielsweise der Geschichte des Heimatlandes meiner Eltern oder andere Kulturkreise, die mich persönlich interessierten. Nichtsdestotrotz denke ich, dass das rational betrachtet einfach nicht umzusetzen ist, jeden Kulturkreis in der Schule zu behandeln und, dass man sich hier nunmal auf ein Thema fokussieren muss. Aus meiner Sicht hat die Nation, in der gelehrt wird, absoluten Vorrang, alles andere muss leider freiwillig und selbständig angeeignet oder an Projekttagen in der Schule erarbeitet werden. Steckt man die persönlichen Interessen ein bisschen zurück und lässt sich auf dieses Konzept ein, verhilft das jedem einzelnen Individuum enorm zur Integration und verhindert teilweise sogar Exklusion.
2) Für die Leitthese “Migration als Herausforderung für die Schule“ muss zunächst “Migration“ als Begriff definiert werden. Unter Migration ist eine längerfristige Veränderung des Lebensmittelpunktes über eine größere Entfernung oder administrative Grenze hinweg, zu verstehen. (http://www.bpb.de/gesellschaft/migration/dossier-migration/) Ableitend vom Begriff Migration, wird die anschließend im neuen Lebensmittelpunkt geborene Generation als jemand, mit Migrationshintergrund bezeichnet, d.h. beispielsweise, dass die Kinder der Eltern aus einem beliebigen Land X, im neuen Lebensmittelpunkt (Land Y) geboren werden. Diese derzeitig ansteigende Migrationsbevölkerung kann unter anderem sowohl als Bereicherung als auch als Herausforderung betrachtet werden. Herausfordernd hierbei bzgl. des Instituts Schule ist zum Beispiel die fehlende Sprache der Schüler*innen, was zu Verständnisproblemen der Lehrinhalte führen kann. Auch interkulturelle Problemsituationen zwischen den Schüler*innen und Lehrer*innen könnten durch verschiedene Auffassungen von Werten auftreten, als Beispiel das Fach Biologie mit der Thematik Sexualkunde; Schüler*innen aus der Nah-Ost-Region haben beispielsweise aus verschiedensten Gründen, etwa Religion, Bräuche, Kultur, etc. überwiegend stärkere Berührungsängste in diesem Bereich als Schüler*innen aus den europäischen Regionen. Auch Elterngespräche könnten für Lehrkräfte herausfordernd sein, da eine Sprachbarriere vorliegen könnte. Wichtig ist es hier, mit Verständnis entgegenzuwirken, offen zu sein und nach Alternativen zu suchen, vielleicht kann man sich für solche Situationen eine zusätzliche Lehrkraft mit demselben Migrationshintergrund oder eine neutrale Person als Dolmetscher dazuholen.
In der Vorlesung erfuhr ich, erstmals von der Kulturministerkonferenz, die relativ spät das Recht auf Bildung für ausländische Kinder beschloss. Erst 2016 wurde beschlossen, dass geflüchtete Kinder unabhängig von der Bleibeperspektive ein Recht auf Bildung haben. Diese Sondersituation könnte insbesondere für die Schulpolitik in Deutschland eine Herausforderung aufgrund des Bildungsbudgets darstellen, da viel Geld für Sprachkurse und spezielle, externe Lehrkräfte zusätzlich eingestellt werden müssten, um die bestmögliche Bildung zu garantieren. Durch die exponentiell wachsende Bevölkerung, muss insbesondere die Bundesrepublik Deutschland sich aber darauf einstellen und dieses Geld fest einkalkulieren, da Schüler*innen mit Migrationshintergrund in einigen Städten sogar mittlerweile die Mehrheit in den deutschen Klassenräumen darstellen.
3) Im vorgegebenen Beispiel schildert die Schülerin Betül (im Folgenden B.) die Reaktion ihrer Deutschlehrerin über die geschriebene Klausur der Thematik Romeo und Julia. Resümierend erzählt B., wie verärgert ihre Deutschlehrerin darüber gewesen sei, dass die Schülerinnen mit Migrationshintergrund von der Klausurthematik Romeo und Julia nicht rückwirkend auf ihre vermeintlich eigene Situation geschlossen haben, dass in speziell diesem Fall, ausländische Mädchen aus der türkischen Region angeblich nicht immer ihren Mann selber aussuchen dürfen. Auf diese Aussage, welche auf Vorurteilen basiert, antwortete B., dass sie nicht das Gedankengut des Ursprungslandes ihrer Vorfahren mit sich tragen müsse, ebenso wenig das deutsche Gedankengut. B. gab an, eine Art europäisches Gedankengut mit sich zu führen und dass sie gar nicht anders kann, als europäisch zu denken. Inwiefern diese Situation als Ausdruck von Doing Culture durch Lehrer*innenhandeln im Unterricht herangezogen werden kann, wird im Folgenden erläutert. Doing Culture ist ein Begriff für die Praxis der Kultur. Kultur ist nicht fest bestimmt, sie entwickelt sich immer weiter und nimmt auch andere Kulturen durch zugezogene Migranten an, so, dass sie sich zu einer ganz neuen Kultur verformt. Aufgrund der wachsenden Globalisierung ist dieser Begriff sowie seine angewandte Praxis ein fester Bestandteil der Kulturforscher. Zurück zum Beispiel. Das Handeln der Lehrkraft ist hier eindeutig von Vorurteilen geprägt und falsch. Zu denken, weil man Wurzeln aus einem bestimmten Kulturkreis hat und automatisiert klassische Werte vertritt, ist ein vereinfachtes Schubladendenken, dass Lehrer*innen unbedingt vermeiden sollten. Der Umgang der Lehrkraft mit B. ist diskriminierend und nicht als Vorbildfunktion, welche Lehrkräfte haben, zu vertreten. Als in Deutschland geborene Schülerin mit Migrationshintergrund kann eine Schülerin wie B. sowie jede*r andere Schüler*in ein Gedankengut seiner Wahl mit sich tragen. Wichtig ist das Verständnis und die Offenheit für andere Weltansichten und eine neutrale Position der Lehrer*innen. Bei Gestaltung derartiger Klausuren sollte nicht auf den Migrationshintergrund geachtet werden, sondern auf die Leistung der Schüler*innen.